Krautreporter gehen gegen Presseförderung vor

Ausgabe #14/21

Hallo Medieninsider!

Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche im Lese-Letter erwartet:

► Wie der Nordschleswiger aus Dänemark seinen Print-Ausstieg vorbereitet hat

► Weshalb der Abschied Julia Jäkels absehbar war

► Warum die Krautreporter Wirtschaftsminister Altmaier abmahnen

► Womit Clubhouse-Nutzer nun Geld verdienen können


Angekommen in der Zukunft: Die deutsch-dänische Tageszeitung Nordschleswiger ist jetzt papierlos

Gwyn Nissen, Chefredakteur des Nordschleswiger, Foto: Karin Riggelsen
Gwyn Nissen, Chefredakteur des Nordschleswiger, Foto: Karin Riggelsen

Geschäftsführer und Chefredakteure von Tageszeitungen sollten sich nichts vormachen. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird es ihr Medium in gedruckter Form in einigen Jahren nicht mehr geben.

► In den USA sind Nachrichtenwüsten bereits real: In 50 Prozent der Countys (circa 1500) erscheint nur noch eine gedruckte Zeitung (meist wöchentlich), in 200 gibt es gar kein gedrucktes Medium mehr. 

► Auch in Deutschland wird die Zustellung immer teurer. Die Unternehmensberatung Schickler hat berechnet: 2025 wird sich die Auslieferung in 40 Prozent aller deutschen Gemeinden nicht mehr lohnen.

► Wer ehrlich zu sich selbst ist, plant die Zukunft papierlos. Die taz spielt bereits seit einiger Zeit entsprechende Szenarien durch. Zumindest mental stellt man sich auf den Wandel ein.

Andere dagegen sind bereits in der Zukunft angekommen. Die Tageszeitung Nordschleswiger zum Beispiel, oder viel mehr: die ehemalige Tageszeitung. Seit Anfang Februar verzichtet die kleine, deutschsprachige Zeitung aus Dänemark auf ihre tägliche Print-Ausgabe. Nur noch alle zwei Wochen erscheint eine Zusammenfassung der wichtigsten Stücke in gedruckter Form, ansonsten setzen Chefredakteur Gwyn Nissen (Foto) und sein Stellvertreter Cornelius von Tiedemann voll auf Digitalisierung.

Mein Kollege Florian Boldt ist auf die Transformation des Medienhauses unweit der deutsch-dänischen Grenze aufmerksam geworden und hat sich mit den Chefredakteuren unterhalten. Die Redaktion aus Apenrade, die dort für eine deutschsprachige Minderheit berichtet, mag wirtschaftlich kein Vorzeigeprojekt sein. Wie sie ihre Leserschaft seit 2018 auf den digitalen Wandel vorbereitet und auf die Reise mitnimmt, ist aber definitiv einen Blick wert. Florians Artikel über den Nordschleswiger kannst du als Medieninsider hier lesen


Werben im Lese-Letter?
Mail an werben@medieninsider.com und Mediadaten anfordern!


Digitaler Journalismus als Gemischtwarenladen

Digitale Nachrichtenangebote gleichen gut gefüllten Gemischtwarenläden. Doch aufgepasst: Wer sein Sortiment nicht im Griff hat und zu viel verkommene Ware anbietet, setzt sein Geschäft aufs Spiel, meint Dietmar Schantin. In seiner Kolumne ordnet er Inhalte in Produktkategorien ein und beschreibt ihren Zweck. Seinen aktuellen Beitrag kannst du als Medieninsider hier lesen.  


Ein Abschied von nur noch symbolischer Bedeutung

Julia Jäkel Gruner und Jahr. Foto: Gruner und Jahr
Julia Jäkel, CEO Gruner + Jahr. Foto: Gruner + Jahr

Der Abschied war kurz und schmerzlos. Zumindest in der Kommunikation. Seit dem 1. April ist Julia Jäkel keine CEO des Verlagshauses Gruner + Jahr mehr, auch aus ihren Positionen im Bertelsmann-Konzern ist die langjährige Gruner-Managerin ausgeschieden. Der Zeitpunkt und die zügige Umsetzung der Personalie waren eine Überraschung – dass Jäkel geht hingegen nicht mehr.
 

„Die vielen Bertelsmänner um sie herum – und die Betonung liegt auf Männer – haben die zuletzt einzige Frau im oberen Management überflüssig gemacht.“ 
 

Auf den wichtigen Zukunftsprojekten, die auch über das Schicksal von Gruner + Jahr entscheiden, sitzen längst andere. Ich habe die Personalie kommentiert, den Artikel dazu kannst du als Medieninsider hier lesen


Mehr News & Entdeckungen aus der Woche

zusammengetragen von Florian Boldt

Krautreporter gehen gegen Presseförderung vor

Krautreporter hat das Bundeswirtschaftsministerium anwaltlich abgemahnt, um die Presseförderung für Verlage zu verhindern. In dem Schreiben fordert das Online-Magazin die Unterlassung zur Genehmigung und Auszahlung von Finanzhilfen für Verlage. Sollte das Ministerium dem bis zum 20. April nicht nachkommen, wolle man gerichtlich gegen die Subventionen vorgehen.

Nach Ansicht von Krautreporter verstößt die Presseförderung gegen die Grundsätze der Pressefreiheit, auch seien die Maßnahmen wettbewerbsverzerrend. Krautreporter-Anwalt Wolfgang Spoerr bezeichnet das Vorgehen aus dem Wirtschaftsministerium als „eklatant verfassungswidrig“. Das Ministerium schüttet in den kommenden Jahren 220 Millionen Euro an Presseverlage aus, um sie bei der Digitalisierung ihres Geschäfts zu unterstützen. Anspruch auf die Finanzhilfen haben nur Unternehmen, die ihre gedruckten Publikationen physisch zustellen. Mehr zum Vorgehen der Krautreporter findest du hier. Das anwaltliche Schreiben ans Ministerium wurde hier veröffentlicht.

Clubhouse startet Bezahlfunktion

Clubhouse rollt derzeit die erste Monetarisierungsmöglichkeit für Nutzer aus.Eine ausgewählte Testgruppe kann einen Send Money-Button aktivieren und sich darüber Geld schicken lassen. Die Funktion soll zeitnah auf alle Nutzer ausgeweitet werden. Geld verschicken kann bereits jeder. Die Zahlungen, für die eine Kreditkarte hinterlegt werden muss, wickelt der Dienstleister Stripe ab. Stripe bekommt dafür eine kleine Gebühr, Clubhouse dagegen behält nach Unternehmensangaben keine Gebühr ein. Beim Send Money-Button soll es sich um das „erste von vielen Features“ handeln, die eine direkte Unterstützung der Kreativen ermöglichen. Mehr zum Thema erfährst du bei TechCrunch.

Facebook-Datenleck: Informationen von mehr als einer halben Milliarde Nutzern veröffentlicht

Am Wochenende sind persönliche Daten von 533 Millionen Facebook-Nutzern aus 106 Ländern veröffentlicht worden. Aus Deutschland sollen rund sechs Millionen Nutzer betroffen sein. Das Leck enthält Telefonnummern, vollständige Namen, Standorte, E-Mail-Adressen und biografische Informationen. Einem Facebook-Mitarbeiter zufolge stammen die Daten aus einer Sicherheitslücke, die bereits im August 2019 geschlossen worden sei. Dass die Daten nun für jedermann frei zugänglich waren, hatte zunächst der Cybersecurity-Experte Alon Gal via Twitter entdeckt. Im Facebook-Hilfebereich können Nutzer hier prüfen, ob ihre Daten geleakt wurden. Weitere Informationen findest du hier.

FAZ legt sein Morning Briefing hinter die Bezahlschranke

Die FAZ ersetzt ihren morgendlichen Newsletter FAZ Newsletter für Deutschland  durch das neue Format Frühdenker und legt das Angebot hinter die Paywall. Seit dem 1. April informiert der Newsletter nur noch zahlende Abonnenten werktäglich über „die wichtigen Themen und Ereignisse des Tages“. Der Newsletter ist Bestandteil des digitalen FAZ-Abonnements. Zum Testen gibt es den FAZ Frühdenker allerdings drei Monate kostenlos.


Lesetipp

Wo wir schon bei Clubhouse waren. Nutzt du die App noch, Marvin? Nach dem Hype zu Beginn des Jahres ist es ruhig(er) geworden um die Plattform aus den USA. Der Trend der Social-Audio-Anwendungen ist trotzdem da. TwitterFacebookSpotify, LinkedIn, Slack; nahezu jede Plattform programmiert derzeit einen Konkurrenten. Clubhouse steht offensichtlich an der Spitze einer neuen Bewegung im Social Web. Damit hat sich auch The Verge befasst. Der Artikel Clubhouse defined a format – and it has to defend it ist meine Artikelempfehlung der Woche.

In ihrem Artikel zählt Ashley Carman die jüngsten Achtungserfolge von Clubhouse auf, aber eben auch die Gefahren für das junge Unternehmen dahinter. Ein paar Beispiele:

► Clubhouse zog in kurzer Zeit weltweit Millionen Nutzer an, obwohl nur iOS-Nutzer, die extra eingeladen worden sind, Zugriff bekamen. Andere Plattformen könnten mit Android-Version und bereits loyaler Nutzerschaft schnell an Clubhouse vorbeiziehen.  

► Clubhouse warb jüngst Instagrams Partnership-Managerin Fadia Kader mit besten Verbindungen zu Prominentenab. Kader holte gleich Justin Bieber ins Clubhouse. Künstler wie auch große Podcaster könnten wegen der größeren Nähe zukünftig aber eher bei Streaminganbieter Spotify auftreten. 

► Spotify aber auch andere Anbieter wie Fireside von Mark Cuban arbeiten an zusätzlichen Tools, die Social-Audio bereichern könnten. Beispielsweise Native-Recording-Funktionen oder Sound-Effekte. Besonders Spotify ist in diesem Bereich auf seinem Weg zum Radio-on-Demand-Dienst bereits vorangeschritten. 

Carmans Beitrag zeigt, dass Innovationen auf dem Weg zum Erfolg nur die halbe Miete sind – aufs Kapital und Reichweite kommt es an. Ihren gesamten Beitrag findest du hier.


Viele Grüße sendet dir 

Marvin

Anmerkung der Redaktion: Die Meldung zum Vorgehen der Krautreporter gegen das Bundeswirtschaftsministerium kam am Mittwochnachmittag. Wir haben sie nach Erscheinen des Lese-Letters in der Web-Version ergänzt.

Wenn dir der Artikel gefällt, dann teile ihn in sozialen Netzwerken, aber nicht als PDF innerhalb deiner Organisation. Dafür ist eine Lizenz notwendig.

Marvin Schade
Marvin Schadehttps://medieninsider.com
Marvin ist Co-Gründer und Founding Editor von Medieninsider und hat sich damit einen kleinen Traum erfüllt. Vor der Gründung war er mehrere Jahre für den Branchendienst Meedia in Hamburg und Berlin tätig, arbeitete kurz beim Focus Magazin und zuletzt für Gabor Steingarts Morning Briefing.

DEINE MEINUNG IST GEFRAGT

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Hier Namen eintragen