Der Tagesschau-Sprecher verabschiedete sich in seiner letzten Sendung mit einem chinesischen Sprichwort: „Wohin du auch gehst, geh mit deinem Herzen.“ Medieninsider berichtet, wohin es Schreiber nun beruflich zieht – und was beim Medienkonzern macht.
Warum das wichtig ist: Die Tagesschau ist Deutschlands erfolgreichstes Nachrichtenformat und erreicht täglich Millionen von Zuschauer. Wechsel aus dem öffentlich-rechtlichen Kosmos zu einem Verlag sind zudem besonders selten. Für Springer ist der Wechsel ein wichtiges Signal.
- Die Tagesschau hat sich dem Nachrichtenjournalismus verschrieben. Oberstes Gebot ist wertfreie Berichterstattung. Axel Springer ist als Verlagshaus deutlich stärker von Haltung geprägt – das betrifft allen voran das Feld, in dem Schreiber zukünftig arbeiten wird.
- Das Medienhaus sendet mit der prominenten Verpflichtung ein wichtiges Signal. Derzeit ist Axel Springer wegen Sparmaßnahmen in der Diskussion. Mit Blick auf die „Premium-Gruppe“ (Welt, Politico, Business Insider) gab es zuletzt eher Abgänge – darunter auch namhafte. Constantin Schreiber ist eine prominente Neuverpflichtung.
Details: Das plant Axel Springer mit Constantin Schreiber
Aus dem Tagesschau-Studio in den Nahen Osten: Nach Informationen von Medieninsider wird der Journalist ab Herbst Korrespondent mit Sitz in Tel Aviv. Von dort aus soll er über die gesamte Region berichten.
- Dem Vernehmen nach soll er zusätzlich aus New York arbeiten. Was genau er dort macht und weshalb die Aufteilung so erfolgt, ist unklar. Eine Anfrage von Medieninsider zur Personalie ließ die Pressestelle wie gewöhnlich unbeantwortet. Dafür reagierte sie mit einer Pressemitteiliung, in der sie alle Informationen bestätigt.
- Redaktionell soll Schreiber zukünftig der Welt angehören. Als Teil des sogenannten Global-Reporters-Teams soll er aber markenübergreifend auch für die internationalen Springer-Medien wie Politico oder Business Insider berichten.
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Döpfners neues Vorhaben: Journalismus total global - Mit dem Global-Reporters-Programm will Springer seine Medien international stärker vernetzen und Inhalte austauschen. Auch Bild-Reporter Paul Ronzheimer oder die Welt-Journalisten Robin Alexander und Tim Röhn sind Teil des Programms.
Kontext: Constantin Schreiber hat bei seinem Abschied von der Tagesschau vor einer Woche angekündigt, zukünftig wieder „inhaltlich journalistisch“ zu arbeiten.
- Als Sprecher bei der Tagesschau waren die Möglichkeiten limitiert. Anders als Moderatoren tragen Sprecher nur Nachrichten vor. Sie schreiben keine Nachrichten, produzieren auch keine Beiträge. Reportagen oder Dokumentationen für die ARD sind eher selten.
- Bei Springer bieten sich dem Journalisten mehr Möglichkeiten, crossmedial zu arbeiten. Dem Vernehmen nach soll er Texte, aber auch Podcasts, Dokumentationen und Talkshows produzieren.
- Damit könnten auch aktuelle Projekte von Schreiber zukünftig bei Axel Springer umgesetzt werden. Seit Anfang des Jahres veranstaltet der Journalist mit seiner eigenen Late Night ein Bühnenprogramm.
Zurück zu den Anfängen: Der neue Posten im Nahen Osten passt zu Schreibers journalistischer Karriere vor seiner Zeit als Sprecher bei der Tagesschau (2017-2025):
- Von 2007 bis 2009 berichtete er als Korrespondent für die Deutsche Welle mit Sitz in Dubai, arbeitete anschließend mit dem Schwerpunkt Nahost für das Auswärtige Amt.
- In den Folgejahren moderierte er auch im ägyptischen Fernsehen, präsentierte eine Wissenschaftssendung für den Kanal ONTV. Schreiber spricht fließend Arabisch.
Kontrovers: So dürfte Schreibers neue Aufgabe diskutiert werden:
- Wechsel von öffentlich-rechtlichen Anstalten zu Zeitungen bzw. ihren Verlagen sind selten – allen voran zu Axel Springer. Die Medien des Hauses vertreten oft kritische Positionen gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Beitragssystem, aber auch der inhaltlichen Ausrichtung der Medien. Dazu zählt vor allem Welt-Herausgeber Ulf Poschardt.
- Springer selbst wiederum hat eine klare Haltung in Sachen Israel, in der „Unternehmensverfassung“ steht: „Wir unterstützen das jüdische Volk und das Existenzrecht des Staates Israel.“
- Schreiber selbst wurde 2016 für sein Flüchtlingsformat Marhaba noch mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. In den Folgejahren wurde ihm immer wieder Islamfeindlichkeit vorgeworfen, was er stets von sich wies.
- Grund waren unter anderem Buchveröffentlichungen Schreibers (Inside Islam, Die Kandidatin). Was einige Kritiker als Beitrag zur Integrationsdebatte sahen, interpretierten andere als populistisch. Höhepunkt der Kontroverse war ein Angriff auf den Journalisten bei einer Lesung an der Universität Jena im Jahr 2023, bei der er mit einer Torte attackiert wurde.
- Im Interview mit der Zeit schilderte Schreiber anschließend weitere Drohungen gegen ihn und erklärte: „Ich werde mich zu allem, was mit dem Islam auch nur im Entferntesten zu tun hat, nicht mehr äußern. Ich werde keine Bücher dazu schreiben, ich lehne Talkshow-Anfragen ab, ich mache das nicht mehr.“‘
- Ein Jahr später legte er ein Buch zur Streitkultur und Meinungsfreiheit vor und erklärte bei Maischberger unter anderem rückblickend: „Wir kommen nicht weiter, wenn wir das Gegenüber so ablehnen in seiner Position.“
Randnotiz: Schreibers redaktionelle Zugehörigkeit bei der Welt ist genau vor dem Hintergrund der Kontroversen interessant.
- Der Nahe Osten fällt für gewöhnlich in den Bereich der Politikberichterstattung. Für diese ist im neuen Konstrukt bei Axel Springers „Premium-Gruppe“ eine Zentralredaktion zuständig, die in der Verantwortung von Politico steht. Die Welt gilt als Zentralredaktion für Debatte.
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