Beim Spiegel ist das Chaos ausgebrochen. Vier Jahre nach seinem Antritt muss Chefredakteur Steffen Klusmann gehen. Große Teile der Redaktion reagieren entsetzt – auch weil sich die offenbar treibenden Kräfte hinter der Entscheidung in Schweigen hüllen. Klar ist: Für die Belegschaft ist die Sache alles andere als durch. Sie nimmt jetzt die Führung der mächtigen Mitarbeiter-KG ins Visier.
Die Mail kam zügig: Wenige Stunden nach der ominösen Redaktionskonferenz am Mittwochmorgen, in der Steffen Klusmann offenbar einen Machtkampf in der Führung andeutete, forderte die Redaktion Geschäftsführung und Leitung der Mitarbeiter-KG zum Krisentreffen auf. Ressortübergreifend 32 Unterzeichner fanden sich kurzfristig zusammen, um Aufklärung zu fordern. Die Zahl der Teilnehmer eineinhalb Stunden später war immens größer.
Über 400 Mitarbeiter schalteten sich dazu, als die redaktionellen Mitglieder der Mitarbeiter-KG-Geschäftsführung, Wirtschaftschef Markus Brauck und Redakteurin Katrin Elger, Rede und Antwort standen – beziehungsweise als man das von ihnen erwartet hatte.
Doch die Vertreter der größten Gesellschaftergruppe des Spiegel-Verlags – der eigenen Mitarbeiter – fanden in knapp über 60 Minuten weder befriedigende noch überhaupt viele Worte. Elger kündigte bereits zu Beginn der Runde an, nicht lange bleiben zu können. Brauck, so berichtet es ein Teilnehmer, habe sich „wie ein Pressesprecher“ verhalten. Jemand anderes spricht von einem „Fremdschäm-Moment“.
Man könne sich nicht groß äußern, es handele sich um interne Vorgänge, so die grundsätzlichen Antworten der KG-Chefs. Den Grund für den Wirbel gänzlich unterschlagen konnten sie jedoch nicht. Zwischen der Chefredaktion und der Geschäftsführung herrsche ein Konflikt. Und klar ist: Die Kommanditisten stehen mittendrin. Denn sie haben mit 50,5 Prozent der Stimmenanteile die Macht über das, was beim Spiegel geschieht. Sie entscheiden, wer gewinnt oder verliert.
Zum Kern dieses Konflikts vordringen lässt sich nur schwer. Die Spiegel-Pressestelle antwortete auf Anfragen unterschiedlicher Medien, dass man Gerüchte grundsätzlich nicht kommentiere. Und auch Chefredaktion und Geschäftsführung halten sich bedeckt, ließen Kontaktversuche von Medieninsider unbeantwortet. Ähnlich verhielten sich die Entscheidungsträger gegenüber der eigenen Belegschaft. Die Verlagsgeschäftsführer Thomas Hass und Stefan Ottlitz waren der Einladung der Redaktion zum Krisentreffen nicht gefolgt. Ottlitz richtete aus, dass man sich gerne austauschen werde. Allerdings wolle man die Sache „in Ruhe und im Einvernehmen mit allen sortiert bekommen“.
Der Geschäftsführer zieht damit den Zorn großer Teile der Redaktion auf sich. Denn der Konflikt wird besonders zwischen Klusmann und ihm gesehen. Beide seien sich seit längerer Zeit über eine Vielzahl von Dingen nicht einig, heißt es. Dass es keine Erklärung dafür gebe, wo die Probleme genau liegen, sorgt für Frust. Denn das, was bislang bekannt ist, hält kaum jemand für belastbare Kritik.
„Frontalangriff“ auf die Chefredaktion
Am Konkretesten wurde diese bei der Gesellschafterversammlung am Dienstag dieser Woche, bei der auch die Zahlen für das Jahr 2022 vorgestellt wurden. Der Spiegel ist gut im Geschäft, 42,8 Millionen Gewinn sind auch eine ordentliche Ausbeute für die Mitglieder der KG. Und trotzdem kam es zum Eklat. Denn die Geschäftsführung der KG ging mit der Chefredaktion – nicht allein mit Klusmann – hart ins Gericht. Teilnehmer sprechen von einem „Frontalangriff“. Zwei Kritikpunkte standen dabei im Vordergrund:
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