Gerhard Schröder geht wegen Nawalny-Interview gegen Bild vor

Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder kündigt juristische Schritte gegen Bild an. Hintergrund ist ein Interview des russischen Oppositionellen Alexei Nawalny. Dieser hatte Schröder als „Laufbursche Putins“ bezeichnet und Spekulationen darüber angestellt, dass Schröder von Putin „verdeckte Zahlungen“ erhalte. Die Frage lautet: Unwahre Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung? Medieninsider hat einen Experten für Medienrecht gefragt.

In der Regel halten sich Politiker bei Spekulationen über ihre Person oder Verstrickungen zurück, um Gegnern keine weiteren Angriffsflächen zu bieten. Gerhard Schröder hat sich dieses Mal aber offensichtlich anders entschieden. Am Mittwoch reagierte er in einer Stellungnahme auf scharfe Kritik des russischen Oppositionspolitikers Alexei Nawalny.

Dieser hatte Schröder im Interview mit Bild als „Laufbursche Putins“ bezeichnet. Außerdem stellte er Spekulationen darüber an, dass der ehemalige Bundeskanzler, der als Aufsichtsratschef des russischen Staatskonzerns Rosneft tätig ist, auch „verdeckte Zahlungen“ aus dem Kreml erhalte. Für Schröder offenbar zu viel.

In seiner Stellungnahme wies er die Kritik Nawalnys zurück, betonte, dass Nawalny für seine Aussagen keine Belege vorgezeigt hat. Zeitgleich ging Schröder auch Bild an. Dabei kritisierte er, die Zeitung habe Nawalnys Aussagen zitiert, ohne Schröder vorher um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen zu bitten.

Schröder geht gegen Bild vor

Aus diesem Grund, so Schröder, werde er gegen Bild vorgehen. Er schrieb:

„Daher sehe ich mich gezwungen, gegen den Verlag, der meine #Persönlichkeitsrechte auf das Schwerste verletzt hat, juristisch vorzugehen. Entsprechendes wird geschehen gegenüber anderen Medien, falls diese die falschen Behauptungen, die Bild-Zeitung und bild.de verbreitet haben, übernehmen und weiter verbreiten.“

Mit Details, wie diese Schritte aussehen sollen, hielt sich Schröder zurück. Auch erklärte er nicht, ob er sie bereits tatsächlich eingeleitet hat, sondern lediglich, dies noch tun zu wollen. Die Anmerkung, bei anderen Medien genauso zu verfahren, erinnert zudem an den juristischen Trick der presserechtliche Informationsschreiben. Mit ihnen drohen Juristen gegenüber Medien in der Regel vor Berichterstattung mit juristischen Schritten, um eine Veröffentlichung oder Verbreitung von Informationen einzuschränken.

Bei einer reinen Drohung via Social Media ist es jedenfalls nicht geblieben. Auf Nachfrage erklärt ein Springer-Sprecher:

„Eine anwaltliche Abmahnung seitens Herrn Schröder liegt uns vor. Wir prüfen diese derzeit, bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns bis dahin nicht konkret dazu äußern.“

Und:

„Grundsätzlich handelt es sich bei der Aussage von Herrn Nawalny im Interview mit Bild um eine Meinungsäußerung. Es ist keine Tatsachenbehauptung, sondern eine Ansicht von Herrn Nawalny, die er selbst als nicht belegt, sondern eindeutig als Erfahrungswert kennzeichnet.“

Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung?

Dass Schröder mit seiner Forderung juristisch durchkommt, ist auch für Jonas Kahl, Anwalt für Medienrecht bei der Kanzlei Spirit Legal, fraglich. Seine Gründe:

► „Bild hat sich die Aussagen Nawalnys nicht zu eigen gemacht, sondern sie lediglich im Rahmen eines Interviews als dessen Antworten wiedergegeben.“

► „In einem Interview einen erwähnten Dritten mit einer eigenen Stellungnahme zu Wort kommen zu lassen, so wie Gerhard Schröder sich das offenbar gewünscht hätte, ist nicht nur für ein Interview-Format generell unüblich, sondern besteht vor allem kein Rechtsanspruch darauf.“

Auch Kahl hinterfragt, ob die Aussagen Nawalnys als Tatsachenbehauptung – und damit als unwahr angreifbar – zu werten sind. Vielmehr enthielten Nawalnys Äußerungen die Charakteristika einer Meinungsäußerung:

► „Hierauf deuten auch gewisse Formulierungen in seinen Äußerungen hin („meine persönliche Meinung“; „habe kein Dokument, auf dem schwarz auf weiß steht“; „Ich weiß nicht,..“).

Und was ist mit der presserechtlichen Verbreiterhaftung? Kahl:

„Das Thema Verbreiterhaftung dürfte hier allenfalls dann eine Rolle spielen, wenn die Äußerungen tatsächlich rechtswidrig wären. Insofern dürfte es für diese Frage auf die Einordnung als unwahre Tatsachenbehauptung oder zulässige Meinungsäußerung ankommen.“

Kein Präzedenzfall: Wie der Bundesgerichtshof schon einmal entschied

Darüber hinaus verweist der Experte auf bisherige Rechtsprechung. 2009 entschied der Bundesgerichtshof im Zusammehang mit einer Äußerung über das Ausscheiden von Jürgen Schrempp bei Daimler Chrysler. Kahl:

„Der BGH verneinte damals im Ergebnis einen Unterlassungsanspruch, während das OLG und LG Hamburg dies zuvor noch anders gesehen hatten. Der BGH machte in seinem Urteil deutlich, dass Äußerungen nie isoliert betrachtet werden dürfen, sondern immer im Gesamtzusammenhang eines Interviews bewertet werden müssen.“

Was die Weiterverbreitung anderer Medien angeht, will der Rechtsexperte weiter differenzieren. „Anders könnte dies hingegen dann zu beurteilen sein, wenn andere Medien diese Äußerungen aus dem Interview-Zusammenhang herausgreifen und nicht entsprechend einordnen.“


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Marvin Schade
Marvin Schadehttps://medieninsider.com
Marvin ist Co-Gründer und Founding Editor von Medieninsider und hat sich damit einen kleinen Traum erfüllt. Vor der Gründung war er mehrere Jahre für den Branchendienst Meedia in Hamburg und Berlin tätig, arbeitete kurz beim Focus Magazin und zuletzt für Gabor Steingarts Morning Briefing.

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