Einer der Vorteile in New York City zu leben: Man hat die Möglichkeit, sich mit Newsletter-Autoren auf einen Drink in einer Tiki-Cocktailbar in Brooklyn zu treffen, in der ein 20-Dollar-Gebräu namens El Diablo auf der Karte steht, das mit einem lauten Ausruf und Jubel serviert wird.
Nach dem Austausch über Sponsoring, Preisgestaltung, über Vor- und Nachteile von Abo-Modellen und Substack sowie zu den Auswirkungen des wirtschaftlichen Abschwungs drückte mein Newsletter-Kollege – ich bemühe mich, daraus einen Begriff zu machen – seine Erleichterung darüber aus, dass der Newsletter-Boom von 2021 allmählich zu Ende geht. Das, so die Überlegung, wird denjenigen zugutekommen, die langfristig dabei sind.
Der Artikel erschien zuerst bei The Rebooting von Brian Morrissey.
Wir übersetzen einmal im Monat einen seiner Texte.
Nach der Dotcom-Pleite, als die Amazon-Aktie 80 Prozent unter ihrem Dotcom-Höchststand lag, bemühte Jeff Bezos ein altes Zitat von Benjamin Graham: „Kurzfristig ist der Aktienmarkt eine Stimmungsmaschine, langfristig ist er eine Waage.“ Damit ist gemeint, dass die unmittelbare Popularität und die oberflächliche Attraktivität auf lange Sicht einer Bewertung der Substanz weichen.
Nische mit Überangebot
Das ist das Schicksal aller Märkte, nicht nur des Aktienmarktes. Ich habe gerade „Slouching Towards Utopia“ gelesen, eine Darstellung der Wirtschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts von Brad Delong. Eine der wichtigsten Erkenntnisse für mich ist, wie instabil und chaotisch die Märkte sind: Sie schreiben eine Geschichte von Boom und Pleite, die sich ständig wiederholt. Es scheint, als wäre es erst gestern gewesen, dass Unternehmen verzweifelt nach einem Angebot suchten, um eine Nachfrage zu befriedigen. Jetzt stehen Unternehmen wie Nike vor einem massiven Überangebot an Waren. Die meisten Menschen, mit denen ich spreche, erwarten ein schwieriges Jahr 2023, da der Kampf gegen die Inflation die Wirtschaft in die Rezession treibt.
Der Mini-Boom bei den Newslettern brachte viele Plattformen hervor, die zu neuen Zwischenhändlern werden wollten, auch wenn sie ein Loblied auf die Selbstständigkeit von Einzelpersonen sangen. Auf die Entflechtung folgt immer die Neubündelung. Substack ist unter die Räder gekommen, als es trotz bescheidener Einnahmen eine absurd hohe Bewertung anstrebte. Inzwischen ermutigt mich die Plattform allerdings eher, weil sie mit ihrem Empfehlungsmechanismus eine Vertriebsfunktion entwickelt hat, die jetzt 40 Prozent der (kostenlosen) Abonnements von Substack-Newslettern ausmacht – und die Substack die nötige Bindung verschaffen könnte. (Das deckt sich mit meiner Erfahrung.) Die meisten Substack-Autoren, mit denen ich spreche, sehen diese Leads als einen wichtigen Vertriebskanal, um die Leute dazu zu bringen, ihr Produkt zumindest zu testen. Langfristig stellt sich aber die Frage nach der Qualität dieser Abonnenten, da der Empfehlungsprozess etwas zu reibungslos ist.
Einem Publisher mag das vielleicht nicht gefallen: Substack ist in Kombination mit seinen Empfehlungen auf dem direkten Weg, eine echte Plattform zu werden. Ich habe Anfang dieser Woche mit einem Leser von The Rebooting gesprochen, der kürzlich sein Studium abgeschlossen hat. Er erzählte mir, dass er TRB und andere Newsletter nur über die App von Substack liest; die Vorstellung, einen Newsletter per E-Mail zu lesen, schien ihm befremdlich zu sein. Das war erhellend und alarmierend.
Kein Geschäftsmodell für alle
Ironischerweise trägt die schwierige wirtschaftliche Lage von Newslettern zusammen mit der schrumpfenden Wirtschaft, die unrentable Nebenprojekte auslöscht, dazu bei, dass aufgeräumt wird. Facebook hat den Stecker bei seinem Newsletter-Netzwerk Bulletin gezogen. Erst im Juni 2021 war es mit prominenten Newslettern wie dem des Masterclass-Dozenten Malcolm Gladwell und des Hundeliebhabers Mitch Albom gestartet. Wer von dieser Entwicklung überrascht ist, muss gerade erst dazugekommen sein. Es zeichnete sich schon früh ab, dass es sich um eine weitere halbherzige und unausgegorene Initiative handelte, die im Kontext des allgemeinen Geschäftsmodells von Facebook – kostenlose Inhalte, die Aufmerksamkeit erregen und durch gezielte Anzeigen zu Geld gemacht werden – keinen Sinn ergibt. Diese Art von Gelegenheit ist einfach zu klein für ein Unternehmen wie Facebook, das größere Fische zu fangen hat und dem der endgültige Niedergang droht, wenn sich seine Metaverse-Fieberträume nicht erfüllen. Es ist schwer vorstellbar, dass ein von Elon Musk geführtes Twitter im Rahmen eines wie auch immer gearteten Sanierungsplans weiter auf die E-Mail-Newsletter-Plattform Revue setzt.
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