Der Journalismus hat zur Aufgabe, gesellschaftliche Entwicklungen zu begleiten und zu beschreiben. Das geschieht zunehmend aus der Perspektive der höheren Bildungsabschlüsse. Die Akademisierung der Branche wird seit Jahren kritisiert, viele betonen immer wieder, etwas daran ändern zu wollen. Wie steht es um die Bemühungen?
Anfang des Jahres hat der Mitteldeutsche Rundfunk ein Talentprogramm MDR Fresh ins Leben gerufen, um an seinem selbstgesteckten Ziel zu arbeiten: Vielfältiger werden. Neun Monate lang arbeiten Teilnehmer dabei in verschiedenen Redaktionen mit, lernen die redaktionelle Arbeit kennen und haben laut Sender sogar eine Bleibeperspektive. Startvoraussetzungen: Abgesehen von Volljährigkeit erwartet der MDR also keine Berufs- und Lebenserfahrung.
Der MDR möchte mit diesem Projekt für mehr Diversität in den Redaktionen sorgen, verweist in der Pressemitteilung auf die vom Sender unterzeichnete Charta der Vielfalt. Vielfalt in der Praxis herzustellen, statt sie nur öffentlich zu bekunden, ist für viele Medienhäuser seit Jahren eine wesentliche Herausforderung. Das Bild der geschlossen akademischen Bildungselite in Redaktionen passt einfach nicht zum inhaltlichen Anspruch, nah am Menschen, an der Lebensrealität des Lesers zu berichten. Schließlich kann und will sich nicht jedes Medium ausschließlich an Akademiker richten und Dinge aus Perspektive der höheren Bildungsabschlüsse berichten. Aber wie steht es heute tatsächlich um die Repräsentation von Nicht-Akademikern? Wie sieht es insbesondere beim Nachwuchs im Journalismus aus?
Bei den zehn größten deutschen Journalistenschulen angefragt zeigt sich zunächst: Manche Schulen bieten zwar auch Volo-Modelle an, für die ein Hochschulabschluss vorausgesetzt wird, doch haben alle auch Ausbildungsmöglichkeiten ohne Studium im Programm. Das Problem: Was auf dem Papier existiert, findet in der Praxis kaum Umsetzung. Junge Journalisten ohne akademischen Hintergrund sind überall in der Minderheit. Nur bei den wenigsten Ausbildungsstätten kratzt die Quote überhaupt an der 50-Prozent-Marke.
► So beträgt sie an der FreeTech Academy von Axel Springer 40 Prozent.
► An der der Electronic Media School von RBB und MABB liegt sie bei 37,5 Prozent.
► An der Bauer Media Academy beträgt die Quote noch immerhin rund 23 Prozent.
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