Während die Medien dringend gebraucht werden – weil sie den von Manipulationen und Falschinformationen durchzogenen sozialen Netzwerken etwas entgegensetzen – müssen sie noch stärker um ihre Umsätze bangen als ohnehin. Die durch die Corona-Pandemie verschärfte Lage unterstreicht, wie notwendig ein diversifiziertes Geschäftsmodell ist. Das entsteht jedoch nicht von allein.
Wie groß das Dilemma ist, hat sich während der Pandemie vor allem bei regionalen und lokalen Nachrichtenmedien gezeigt. Für viele Menschen waren sie die vertrauenswürdigsten Quellen, wenn es um ihre unmittelbare Lebensrealität ging – die Kernkompetenz des lokalen und regionalen Journalismus kam zum Tragen. Die Washington Post schrieb:
„Die Pandemie hat lokale Medien unverzichtbar gemacht. Aber sie bringt sie auch um.“
Bezogen hat sich der Text auf den Heimatmarkt der Post, den USA, wo wegen der Krise ganze Redaktionen um ihre Existenz bangen. Der Beitrag sollte aber über die USA hinaus als Weckruf verstanden werden. Regionale und lokale Medien müssen ihre Kernkompetenzen ausspielen, um gelegentliche Nutzer zu bezahlenden und loyalen Abonnenten zu machen.
Der Inhalt ist nicht einzig und allein wichtig
Dass dabei einzig und allein gute Inhalte reichen, ist nur ein Teil der Lösung. Im digitalen Universum ist es genauso wichtig, die Inhalte auch zur richtigen Zeit, im richtigen Format auf die richtige Plattform zu bringen. Selbst die besten Geschichten gelten als verschwendet, wenn sie niemand sieht oder sie den Nutzer gerade dann erreichen, wenn er keinen Bedarf danach hat.
Die existierenden Fähigkeiten und Fachkenntnisse in Redaktionen reflektieren diese neue Realität jedoch oft nicht. Ein moderner Newsroom braucht neue Rollen mit besonderen, oft nicht-journalistischen Fähigkeiten: Datenanalysten, Kommunikationsspezialisten sowie Experten für Technologie und Plattformen sind gefragt – neue und bestehende Kompetenzträger müssen dabei eng zusammenarbeiten.
Dieser Kulturwandel ist eine gewaltige Aufgabe. Es geht darum, ein gemeinsames Verständnis zu schaffen – gegenseitig wie auch vom Kunden, dem Markt und den eigenen Produkten. Das gilt auch für das Management und die redaktionelle Führung.
Folgend fünf Grundvoraussetzungen, die aus meiner Sicht für den Erfolg im digitalen Abogeschäft erforderlich sind.
Werde dir über deine Zielgruppe klar und verstehe sie
Selbst die Generalisten unter den Medien können heute nicht mehr alles für jeden im Angebot haben. Sich auf jene Zielgruppen zu konzentrieren, die am meisten vom Angebot und Produkt angezogen werden und bereit sind, dafür zu bezahlen, ist eine Schlüsselstrategie für den Aufbau jedes Abogeschäfts. Demografische Angaben, die seit Jahrzehnten verwendet werden, reichen dafür nicht mehr aus. Alter, Region, Berufsgruppe, Einkommen, Familienstand und Geschlecht sind zu generisch. Das Publikum muss mit deutlich spezifischeren Charakteristika in Zielgruppen unterschieden werden und kann dadurch auch wesentlich besser verstanden werden. Dazu gehören zum Beispiel Ambitionen, Wertehaltung, Lebensstil, Nutzungsverhalten, Lebensinteressen, Sorgen über die Zukunft et cetera. Bevor also Änderungen in der eigenen Organisation durchgeführt werden oder bevor neue Systeme eingeführt werden, sollte über den Kunden sehr intensiv nachgedacht werden.
Passe dich den Nutzungsgewohnheiten an
Wenn Nutzer zur Arbeit zu fahren oder nach Hause kommen, geschieht das mit unterschiedlichen Mindsets und Informationsbedürfnissen. Die Werbeindustrie hat das seit Jahren erkannt und dafür sogar einen Begriff: day parting. Da sich die Bedürfnisse mehrmals am Tag ändern, ist es wichtig zu wissen, wo sich der Nutzer wann aufhält, um ihn mit passenden Inhalten zu versorgen. Es gibt zahlreiche weitere Datenpunkte, die hilfreiche Informationen liefern, um den Nutzer zu verstehen.
Verstehe deine Aufgabe und den Zweck der Arbeit
Wenn Redaktionen ihre Produkte erstellen, glauben sie meist genau zu wissen, was sie tun. Sie reagieren oft ungläubig, wenn sie nach einem Audit erfahren, dass 70 Prozent der Inhalte der Website oder des Printproduktss aus Agenturen stammen oder zumindest auf Basis von Agenturinhalten oder anderen Quellen geschrieben worden sind. Die Zahlen lügen aber nicht. Wenn eine Geschichte beliebig ist und nicht den Zweck erfüllt, entweder Kunden anzuziehen oder diese zu halten, wozu schreibt man sie dann überhaupt? Diese Frage wird vor dem Hintergrund schrumpfender Personalstände immer wichtiger.
Werte deine Inhalte anhand der richtigen Indikatoren aus
Jeder spricht über Daten, aber was sind die richtigen? Viele Medienunternehmen bewerten ihre Artikel noch immer nur nach Klicks und lassen andere wichtige Indikatoren – wie Lesedauer, Interaktionsraten, Verweildauer oder Conversions – außer acht, obwohl viele Standardwerkzeuge das Nutzerverhalten bereits umfänglich erfassen. Der Fokus auf die Daten ist ebenso wichtig wie der eigentliche Inhalt.
Sei für deine Mitarbeiter transparent
Daten sollten für alle Mitarbeiter des Unternehmens auf einfache Weise zur Verfügung gestellt werden. Wenn Daten nicht gut dargestellt werden, werden sie tendenziell als irrelevant angesehen oder missverstanden werden. Die visuelle und einfache Präsentation in Echtzeit, in der jeder in der Redaktion sie sehen und sehr schnell erfassen kann, ist wichtig, um sicherzustellen, dass sie Teil der täglichen Arbeit werden.
Lesetipp
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Kennst du schon unsere Kolumnistin Alexandra Borchardt? Auch sie veröffentlicht regelmäßig bei Medieninsider.