Beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) steht die Wahl einer Nachfolge für Senderchef Joachim Knuth (Foto) an. Die Medieninsider bekannten Kandidaten zeigen: Es wird wohl wieder auf eine interne Lösung hinauslaufen. Weshalb gibt es keine Impulse von außen?
Man muss aus dem System kommen, sonst gibt es kaum eine Chance. Die Intendantenpositionen bei den neun Rundfunkanstalten der ARD, beim ZDF und beim Deutschlandradio sind eine Art closed shop. An die Spitze eines Senders rückt fast nur, wer bereits viele Jahre im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gearbeitet hat. Dass der Senderchef aus dem eigenen Haus kommt oder sogar nur dieses kennt, ist dabei die Regel.
Den Karriereweg vom Volontär zum Intendanten in ein und derselben Anstalt haben zwei der elf derzeitigen Senderbosse genommen: Norbert Himmler beim ZDF und Martin Grasmück beim Saarländischen Rundfunk (SR). Wenn auch nicht im selben Sender, schauen die meisten auf eine lange ÖRR-Karriere zurück, so beispielsweise Kai Gniffke. Unterbrochen wurde die SWR-Tätigkeit des heutigen Intendanten nur durch ARD-Aktuell (Tagesschau), wo er 16 Jahre lang als Chefredakteur verantwortlich war. Aus der Reihe fällt derzeit eigentlich nur die Chefin des RBB. Zwar war auch Ulrike Demmer mal für das ZDF tätig, vor ihrer Intendantenzeit aber stellvertretende Regierungssprecherin und jahrelang Hauptstadtjournalistin für Medien wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland oder den Spiegel.
Während es in der freien Wirtschaft häufiger vorkommt, für die Unternehmensspitze Impulse von außen zu holen, gilt das für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht. Gleichwohl scheint die Fluktuation in anderen Mediensegmenten mittlerweile so hoch, dass eine gewisse Kontinuität infrage gestellt werden kann. Was ist wirklich sinnvoll?
Grundsätzlich sei es gut, wenn jedes Unternehmen sein Top-Personal überwiegend aus den eigenen Reihen rekrutiert, sagt Julia Jäkel gegenüber Medieninsider. Man kenne die Stärken und Schwächen eines Kandidaten oder einer Kandidatin besser als „die eines Externen, von dem man meist nur das Gute erfährt“. Jäkel ist mit der Medienbranche wohlvertraut. Sie war viele Jahre CEO von Gruner + Jahr, gehört heute Berater- und Aufsichtsgremien an, etwa bei Google Cloud und der Holtzbrinck Publishing Group. 2023 wurde sie Vorsitzende des Zukunftsrats, der im Auftrag der Bundesländer umfangreiche Reformvorschläge für das öffentlich-rechtliche Mediensystem ausgearbeitet hat.
Trotz des Arguments der Vertrautheit sollten es sich die Gremien der Rundfunkanstalten nicht zu leicht machen, schränkt die Expertin ein und plädiert für mehr externe Expertise im Intendantenkreis. Zwar seien öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten dank der Finanzierung durch die Allgemeinheit keinem Marktdruck ausgesetzt. Trotzdem stehe das System vor „massiven Herausforderungen“, müsse „strukturell und in Teilen auch kulturell erneuern“.
Erfahrungen aus der Privatwirtschaft könnten helfen, weil der „Veränderungsmuskel“ dort gezwungenermaßen besser trainiert sei. Jedes Leitungspersonal habe es heute, sagt Jäkel, mit komplexen Anforderungen zu tun. Dem würden „zu homogene Teams“ nicht mehr gerecht, in keinem Unternehmen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei jedoch „zu einem hermetisch abgeschlossenen System geworden“.
Bewerber fast ausschließlich aus den eigenen Reihen – diese Kandidaten wollen NDR-Intendant werden
Die nächste Gelegenheit, mit den bisherigen Routinen zu brechen, gibt es beim Norddeutschen Rundfunk (NDR). Hier soll in den kommenden Wochen über die Nachfolge des scheidenden Intendanten Joachim Knuth entschieden werden, der im Herbst 2025 nach 40 Jahren bei der Rundfunkanstalt in den Ruhestand gehen wird.
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