Über die Unreinheit der Pur-Abos

Bei vielen Verlagen setzt sich der Trend zum Pur-Abo durch. Sie verlangen Geld von Nutzern, damit sie nicht für Werbezwecke getrackt werden. Eine Stichprobe für Medieninsider zeigt: Die Angebote halten nicht, was sie versprechen. Statt die Privatsphäre zu respektieren und zu schützen, werden weiter Daten gesammelt. In einem untersuchten Fall ruft das sogar die Datenschützer auf den Plan. 

2019 erfand der österreichische Standard etwas Neues. Er führte das erste Pur-Abo ein, ein Angebot, bei dem man seinen Kunden verspricht, ihnen keine Werbemittel mehr auszuspielen und – vor allem – sie nicht mehr zu tracken und damit ihre Nutzerdaten auch keinen Drittanbietern zugänglich zu machen. Im Unterschied zu einem Plus-Abo bietet das Pur-Abo also normalerweise keinen Zugriff auf Premium-Content, es ersetzt lediglich die personalisierte Werbung im kostenlosen Bereich. Nutzer können sich so für ein paar Euro im Monat ihren Datenschutz erkaufen. Eine feine und smarte Angelegenheit. Das Modell Pur-Abo hat Schule gemacht. Denn es versprach durchaus erfreuliche Entwicklungen.

Das Pur-Abo als Zwangsvollstrecker für die „freiwillige“ Einwilligung

Einerseits steigende Einnahmen durch direkte Vertriebserlöse. So veröffentlichte der Spiegel beachtliche Zahlen: Ein dreiviertel Jahr nach dem Launch 2020 verbuchte das Nachrichtenmagazin 17.000 Personen, die sich für die datenschutzfreundliche Alternative entschieden. Umfragen stützen die hohe Nachfrage: Tracking für personalisierte Werbung wird immer noch von einem Großteil als unangenehm empfunden, sogar von denen, die personalisierte Werbung eigentlich interessant finden. 

Contentpass, ein Anbieter für verlagsübergreifend nutzbare Pur-Abolösungen, schätzt den zusätzlichen Umsatz für Verlage durch Pur-Abonnements auf fünf Prozent. Allerdings bezieht er sich nicht nur auf Abo-Umsätze. Denn:

Andererseits tragen Pur-Abos auch zu Umsätzen aus der Vermarktung bei – nämlich dann, wenn sich Nutzer für personalisierte Werbung entscheiden. Auch deshalb waren Pur-Abos eine feine und smarte Idee: Sie sind der Zwangsvollstrecker für die „freiwillige“ Einwilligung, die Verlage laut dem Gesetzgeber mittlerweile einholen müssen, wenn sie ihre Nutzer durchleuchten wollen. Personalisierte Werbung, oft das Hauptgeschäftsmodell der Verlage, braucht die Zustimmung des Besuchers im Einwilligungsbanner. Damit sie freiwillig erfolgen kann, fordert das Gesetz eine „gleichwertige Alternative“ ohne Werbetracking. Die paar Euro für das Pur-Abo können also auch als psychologische Hürde gesehen werden, die vom Datenschutz abhalten soll.

Was der Spiegel an Verkaufszahlen erlebt, dürfte kaum der Realität einer Lokalzeitung, eines kleinen Nischenverlags oder eines suchmaschinenoptimierten Trashportals entsprechen. Für sie steht die Steigerung der Zustimmungsrate für das Tracking im Vordergrund. Und so erklärt sich vielleicht, warum bei der Umsetzung der Pur-Abos immer noch so viele Fehler und Datenschutzverstöße passieren. Nach dem Abo des Standard kam kaum mehr ein Angebot auf den Markt, das wirklich trackingfrei ist und sich nicht der Gefahr ausgesetzt hat, von deutschen Datenschutzbehörden beanstandet zu werden.

Medieninsider hat eine Stichprobe unter drei Angeboten durchgeführt: der Rheinischen Post, Zeit Online und der Sächsischen Zeitung. Überall wird deutlich, dass das Pur-Abo nicht automatisch eine saubere Angelegenheit ist. 

Die Rheinische Post

Das werbetrackingfreie Angebot der Rheinischen Post sah zu Beginn des Jahres besonders übel aus: Im Wesentlichen wurde man genauso getrackt wie im kostenfreien Angebot, nur dass obendrein die E-Mail-Adressen der Abonnenten an die US-amerikanischen Ad-Tech-Firma Taboola zur freien Verwendung gesendet wurden. Mindestens fünf Monate lief das so. Nach der ersten Kritik hat man bei der RP nun einiges verändert, die Adressübertragung, das Real-Time-Bidding und das Cookie-Matching aus dem „werbetrackingfreien“ Abo entfernt. Es bleiben aber bis heute zahlreiche Datenschutzverstöße gegenüber den zahlenden Kunden. 

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Matthias Eberl
Matthias Eberlhttp://rufposten.de
Matthias Eberl, Jahrgang 1975, arbeitet seit 2004 als Freier Journalist in den Bereichen Datenschutz und Multimedia-Reportagen. Seine Auftraggeber waren u.a. Spiegel Online, die FAZ, das SZ-Magazin und der SWR. Er ist Dozent für Multimedia und Informantenschutz an verschiedenen Journalistenschulen und Hochschulen. 2009 wurde er mit dem Deutschen Reporterpreis ausgezeichnet.

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