In Zeiten der Great Resignation und New Work stellt sich die Frage, wie es denn nun eigentlich sein muss, das attraktive Medienunternehmen. Was ist wichtig, damit Mitarbeiter:innen gerne in die Medienbranche gehen und sich mit dem Arbeitgeber identifizieren?
Eins vorweg: Ja, es ist ein modernes Arbeitsumfeld. Nein, die Tischtennisplatte ist es nicht.
Folgende grundsätzliche Kriterien für Attraktivität eines Arbeitgebers gehen aus einschlägigen Untersuchungen eindeutig hervor (Reihenfolge = Priorität):
Flexibles Arbeiten: Unabhängig von Ort und Zeit
Spätestens mit der Corona-Pandemie ist die Bedeutung des flexiblen Arbeitens stark in den Fokus gerückt: Die Unabhängigkeit von Zeit und Ort hat für die meisten Arbeitnehmer:innen den höchsten Stellenwert. Ohne Homeoffice sind Arbeitsplätze in Medienhäusern nicht mehr denkbar. Auch die Unabhängigkeit von festen täglichen Arbeitszeiten ist den meisten sehr wichtig. In meiner Medieninsider-Kolumne im Mai berichtete ich über ganz konkrete Arbeitszeitmodelle einiger Medienhäuser, die als beispielhaft gelten dürften. Klar ist: Die Verlage oder Mediendienstleister, die heute immer noch darauf bestehen, ihre Mitarbeiter:innen von 9 bis 18 Uhr in den Büros zu sehen, werden einerseits ihre Belegschaft nicht mehr halten können (und die Besten gehen zuerst), zum anderen dürften sie sich auch schwer tun, neue Mitarbeiter:innen zu finden. Nicht nur für Gen Y sind feste Arbeitszeiten ein Relikt aus der Steinzeit. Flexibilität ist nicht „nice to have“, sondern eine zwingende Voraussetzung, um ein attraktiver (Medien-)Arbeitgeber zu sein.
Attraktives Gehalt
Dass das Gehalt immer noch recht weit oben steht in der Prioritätenliste, verwundert nicht: Trotz aller Flexibilitäts- und Purpose-Diskussionen geht es beim Arbeiten schlicht auch immer noch ums Geldverdienen.
In der Medienbranche sind die Einstiegsgehälter nicht exorbitant hoch. Berufsanfänger in anderen industriellen Branchen schneiden deutlich besser ab. Medienunternehmen sollten sich hier deutlich nach oben bewegen, um attraktive Arbeitgeber zu sein.
Noch eklatanter wird es bei freien Journalisten, die sich – sofern sie nicht durch vorherige Tätigkeiten einen bekannten Namen haben – mit niedrigen Honoraren zufriedengeben müssen. Hier geht es oft eher um schnelle und günstige Content-Produktion als um wirklichen Journalismus. Nicht zuletzt die Causa Schlesinger bringt die Gehaltsdiskussion wieder auf die Tagesordnung: Die deutliche Schere zwischen Intendanten und Führungskräften öffentlich-rechtlicher Sender einerseits und den einfachen Angestellten andererseits, erregt die Gemüter und betrifft längst nicht nur den RBB. Diese Diskussion strahlt auf die gesamte Medienbranche aus und bringt das Thema der Gehältergerechtigkeit auf die Tagesordnung. Grundsätzlich zeigt sich, dass sich Medienunternehmen insbesondere bei den einfachen Angestellten deutlich nach oben bewegen müssen, um attraktive Arbeitgeber zu sein. Von Purpose allein kann kein:e Mitarbeiter:in Miete zahlen.
Sinnhafte Aufgaben
Nichtsdestotrotz haben Arbeitnehmer:innen in Bezug auf den Purpose, also den Sinn der Arbeit, heute einen hohen Anspruch. Sie möchten nicht nur gut verdienen, sondern gleichzeitig auch sinnvolle Arbeit verrichten. Im Hinblick auf die Sinnhaftigkeit der Tätigkeit haben Medienhäuser viel zu bieten: Die gesellschaftliche Relevanz der Pressefreiheit dürfte mittlerweile keinem denkenden Menschen mehr entgangen sein. Pressefreiheit zu leben, investigativ zu arbeiten, Informationen adressatengerecht aufzubereiten und zu vermitteln, das sind per se sehr sinnvolle Aufgaben und nicht ohne Grund sind Medienberufe immer noch attraktiv. Medienhäuser sollten ihre Sinnhaftigkeit und Bedeutung für sich herausarbeiten und nutzen. Nach wie vor gibt es viele junge Menschen, die als Traumberuf Journalist:in angeben, auch wenn sie häufig noch keine wirkliche Vorstellung von der Realität in einem Medienunternehmen haben.
Familiäres Arbeitsklima
Hinter dem Wunsch nach einem familiären Arbeitsklima stecken zwei grundlegende menschliche Werte: Zugehörigkeit und Sicherheit. Diese scheinen in Deutschland von besonderer Relevanz zu sein, denn wir leben in einem Angestelltenland: 45 Millionen angestellten Beschäftigten stehen nur vier Millionen Selbstständige (Unternehmer und Solopreneure) gegenüber.
Offensichtlich sucht ein Großteil der Arbeitnehmer:innen ein festes Arbeitsverhältnis mit Zugehörigkeit zu einem Unternehmen. Das verspricht soziale und finanzielle Sicherheit. Dass in vielen Medienhäusern das Klima alles andere als familiär ist, dürfte nicht zuletzt mit Blick auf die Unternehmenskulturen der Branchen-Riesen Springer oder auch RTL/Gruner + Jahr hinlänglich bekannt sein. Das ist jedoch so heterogen wie die Medienbranche selbst: Neben eher konservativen Fachmedienhäusern, die vielfach tatsächlich familiengeführt sind und eine harmonieorientierte Unternehmenskultur pflegen, gibt es zahlreiche Beispiele für zu Tode gesparte Medienunternehmen, bei denen mit jeder Restrukturierung das Betriebsklima ein Stück mehr auf der Strecke geblieben ist.
Jedes Medienhaus sollte an diesem vermeintlich weichen Faktor „Betriebsklima“ arbeiten. Eine Atmosphäre des Wohlbefindens zu schaffen bedeutet nicht, dass sich alle ständig in den Armen liegen müssen. Es bedeutet Fairness, Fehlertoleranz und Freundlichkeit – also schlicht einen anständigen Umgang miteinander. Ein gutes Arbeitsklima mit positiven Beziehungen ist nicht einfach nur nett, sondern trägt erwiesenermaßen auch zur Leistungsfähigkeit aller und damit zum wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens bei.
Spätestens jetzt sollten auch Management-Hardliner überzeugt sein, die ansonsten nicht den größten Wert auf Stimmungsfaktoren legen. Um es neoliberal und etwas hässlich auszudrücken: Glückliche Kühe geben mehr Milch.
Flache Hierarchien
Neben der familiären Unternehmenskultur steht auch die flache Hierarchie ganz oben auf der Wunschliste. Mitarbeiter:innen erwarten möglichst kurze Entscheidungswege, niedrige bürokratische Hürden und einen hohen Gestaltungsspielraum bei ihren Aufgaben. Die berühmte lange Leine ist das Ideal; Micromanagement, lange Entscheidungswege und enge Führung haben ausgedient. Viele Medienunternehmen sind dabei, ihre Organisation agiler aufzustellen und damit auch ganze Hierarchieebenen zu streichen. Das bedeutet auch, dass es zukünftig weniger klassische Führungspositionen gibt. Und auf die verbleibenden Chefs kommt eine deutlich anspruchsvollere Aufgabe zu: Den Wandel zu managen und das Gleichgewicht zwischen Mitarbeiter:inneninteressen und Unternehmenserfolg zu halten erfordert einen anderen Führungsstil als früher: situatives Führen, abgestimmt auf die jeweils involvierten Persönlichkeiten und den Kontext. „One fits all“ hat ausgedient.
Fazit
Insgesamt kann man bei allen fünf Punkten eines feststellen: Es braucht starke und gut ausgebildete Führungskräfte, um ein Medienunternehmen attraktiv zu machen. Belegt wird dieser Zusammenhang durch eine Forsa-Umfrage, nach der Menschen nicht die Unternehmen verlassen, sondern ihre Chef:innen. Bemängelt wird vor allem fehlende Aufmerksamkeit, zu wenig Lob und die Tatsache, dass Vorgesetzte zu viele Dinge gleichzeitig tun und dadurch ständig gestresst sind. Jede:r Dritte denkt sogar über Kündigung nach, weil er beziehungweise sie nicht zufrieden mit der Führungskraft sind.
Nicht umsonst legen also viele Medienhäuser umfassende Entwicklungsprogramme für Führungskräfte auf, bei denen im Rahmen von Offsides, Workshops und Coachings die individuellen und kollektiven Führungsfähigkeiten geschult werden. Die Frage, wie Menschen eigentlich geführt werden wollen, steht dabei im Fokus. Gute Führung ist mindestens so wichtig wie flexible Arbeitsbedingungen, faire Gehälter und flache Hierarchien. Denn der alte Spruch stimmt immer noch: Der Fisch stinkt vom Kopf her.
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