Die Corona-Pandemie hat Redaktionen nicht nur journalistisch herausgefordert, sondern auch organisatorisch. Die Arbeit aus einem gemeinsamen Newsroom heraus war nicht mehr möglich, teilweise wurden Redaktionsräume komplett dicht gemacht. Darin steckt auch eine Chance: Die Dezentralisierung schafft die Gelegenheit, bisherige Strukturen aufzubrechen und die Arbeitskultur zu modernisieren, schreibt Dietmar Schantin in seiner neuen Kolumne.
Während die Corona-Pandemie in vielen Industrien und Branchen teilweise zum Stillstand geführt hat, hatte die Medienbranche Glück im Unglück. Durch die Möglichkeit, Newsrooms ins Home Office zu verlegen, konnten Medien ihrer Arbeit weiter nachgehen und dem steigendem Informationsbedürfnis gerecht werden. Viele Medien haben ihre physischen Newsrooms vorübergehend geschlossen, ohne konkrete Pläne für eine baldige Rückkehr. Die Tribune Company in den USA ging in ihrer Reaktion sogar einen Schritt weiter: Sie hat fünf ihrer Newsrooms komplett dicht gemacht und setzt voll auf mobiles Arbeiten.
Aus finanzieller Sicht ist der Schritt eine logische Folge. Welchen Sinn macht es, kostspielige Redaktionsräume zu unterhalten, wenn niemand sie benutzt? Dabei liegen die Nachteile einer zersplitterten Redaktion auf der Hand. Neben den potentiellen Auswirkungen auf die Qualität der Berichterstattung sind beispielsweise die fehlende soziale Interaktion, der fehlende spontane Austausch von Ideen am Kaffeeautomaten und die fehlende Erfahrung der positiven Energie, die jeder Newsroom hat, einige der Argumente gegen eine Virtualisierung einer Redaktion – sie und viele andere Dinge tragen zur Effizienz und Kreativität eines Newsrooms bei.
Es ist noch zu früh, abschließend zu beurteilen, wie sich geschlossene Newsrooms auf Redaktionen auswirken werden, eines scheint aber sicher: Der Newsroom wird sich verändern, die aufgesplittete oder virtuelle Redaktion wird ein Teil der neuen Normalität – und das ist nicht unbedingt eine schlechte Sache. Es setzt Medienmanager und Newsroom-Chefs unter Zugzwang, sich anders und besser zu organisieren. Teile des hybriden Arbeitens tragen zur Modernisierung bei und können langfristig übernommen werden.
Die Einrichtung des Arbeitsplatzes
Besonders geteilte Arbeitsplätze, beispielsweise von Seitenmanagern, CvDs oder Ressortleiter, bergen in Corona-Zeiten ein besonderes Risiko. Manche Medien nutzen die Gelegenheit, stationäre Arbeitsgeräte abzuschaffen und auf Docking Stations und Notebooks umzusteigen. Laptops wirken selbstverständlich, sind in vielen Medienhäusern aber noch keine Realität. Neben einigen Ausnahmen – beispielsweise im Layout, wo es leistungsfähigere Geräte benötigt – werden stationäre Rechner aber eigentlich nicht mehr benötigt. Dasselbe gilt für Software-Lösungen. Cloudbasierte Dienste können umständliche in-house VPN-Lösungen ersetzen.
Arbeitsbereich und Raumgestaltung
Einige Nachrichtenredaktionen sind dabei, ihre Mitarbeiter langsam wieder ins Büro zurückzuholen. Abstandsregeln führen aber dazu, dass weniger vor Ort sein können als üblich. Hygienekonzepte verändern die Innenarchitektur einer Redaktion, zentrale Desks und Konferenztische werden teilweise aufgelöst, das verändert Arbeitsgewohnheiten und Kommunikationspraktiken. Das führt auch zur Frage, welche Mitarbeiter wirklich physisch anwesend sein müssen – und damit zu Punkt 3.
Strategien für die Arbeitsorganisation im Newsroom und außerhalb
Welche kritischen Funktion müssen im Newsroom noch vertreten sein, welche können erst später (oder müssen gar nicht mehr) zurückkehren? Diese Fragen sind die womöglich wichtigsten, wenn es um die zukünftige Organisation von Newsrooms geht. Es gibt einige Aufgaben, die besser vor Ort erledigt werden können, insbesondere im agilen Nachrichtengeschäft.
Zoom oder ähnliche Konferenzsysteme füllen manche Lücken, schließen aber nicht alle. Ich glaube nicht, dass via Zoom größere Veränderungen innerhalb einer Redaktion umgesetzt werden können. Ein neues Team lässt sich beispielsweise nur sehr schwer komplett virtuell aufstellen, da der Aufbau von Vertrauen und sozialen Beziehungen absolut kritisch ist. Das Ist menschlich und notwendig.
Dasselbe gilt für Konferenzen: Der persönliche Austausch ist oft kreativer. Die derzeitige Ausnahmesituation ermöglicht Newsroom-Managern noch einmal darüber nachzudenken, welche Schlüsselfunktionen in der Redaktion wirklich erforderlich sind – beispielsweise der Chefredakteur, Ressortleiter und die Plattformverantwortlichen, möglicherweise noch andere wichtige digitale Verantwortliche.
Kommunikation
Darüber hinaus gewinnen digitale Kommunikationskanäle weiter an Bedeutung. Sie verbinden Redaktionsmitglieder und erhalten den kontinuierlichen Austausch. Mobiles und flexibles Arbeiten ist aber nicht nur eine Frage der Technik, sondern auch einer geordneten Kommunikationsstruktur. Messenger-Dienste bringen nichts, wenn vorher keine geordnete Struktur und Richtlinien definiert wurden. Sonst gibt es Wildwuchs von Systemen und Anwendungen, der zur Frustration bei den Mitarbeitern führen kann, da man nicht mehr weiß, auf welchen Kommunikationskanal was warum passiert und worauf man achten soll.
Es muss klar sein, wer für bestimmte Kanäle verantwortlich ist, und auch wer wann zu welchen (virtuellen) Meetings eingeladen wird. Vor allem muss sichergestellt werden, dass bei wirklich wichtigen Diskussionen niemand vergessen wird. Je größer die Redaktion desto wichtiger ist die Organisation, vor allem, wenn nicht jeder – wie beim Gang durch den Newsroom – einfach greifbar ist.
In der Corona-Pandemie gibt es für Redaktionen keine „One fits all“-Lösung. Wie sich der Newsroom verändert, hängt stark von seiner Größe und bereits bestehenden Strukturen ab. Erfolgreich werden kann in der neuen Arbeitswelt nur, wer offen ist für digitale Wege und Konzepte. Wer so weit noch nicht ist, sollte dringend handeln – die Normalität nach Covid-19 wird eine andere.
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Lesetipp
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