Marion Horn kehrte als Chefredakteurin zu Bild zurück, um nach Jahren der Unruhe bei Axel Springers Boulevardtitel wieder für klare Verhältnisse zu sorgen. Die nach außen sichtbaren Kennzahlen sprechen dafür, dass der Plan von Springer-CEO Mathias Döpfner aufgegangen ist. Nur: In der internen Mitarbeiterbefragung spiegelt sich der Erfolg nicht wider. Ein zentraler Wert fällt noch schlechter aus als zuvor. Und das hat wohl auch mit der neuen Chefin zu tun.
In den vergangenen 71 Jahren hat es bereits so einige Umschreibungen für Bild gegeben – zuckersüß war vermutlich noch nicht dabei. Dabei versucht Bild derzeit so einiges, um sich von seiner Schokoladenseite zu zeigen, vor allem als Arbeitgeber. Zu beobachten ist das am besten beim Instagram für Berufstätige: Linkedin. Dort dokumentierte der Bild-Account jüngst eine Nachbarschaftsaktion, bei der die Chefredaktion im Foyer des Medienkonzerns glasierte Donuts an Kollegen verteilte.
Freundlich, fürsorglich und erfolgreich statt fies, verbittert und verzweifelt. So will sich Bild nach turbulenten Jahren der Führungskrise und erneutem Restrukturierungsprogramm den eigenen Mitarbeitern, potenziellen Bewerbern und eben der Öffentlichkeit präsentieren. Verführerisch sollen aber nicht nur die Donuts sein. Bild hat in den vergangenen Monaten beachtliche Reichweiten hingelegt, Bild wächst gegen den Markt, Bild ist im Aufbruch. Dafür soll auch der Umzug stehen, den man jüngst mit vielen weiteren Fotos und Aktionen gefeiert hat.
Nach 16 Jahren im Axel-Springer-Hochhaus sitzt Bild jetzt im prestigeträchtigen Neubau auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Nun heißt es: Osten statt Westen, Berlin-Mitte statt Kreuzberg. Zukunft statt Vergangenheit. Die wolle man endlich hinter sich lassen, betont Chefredakteurin Marion Horn. In den alten Räumen sei es so gewesen, „als wenn die Probleme von gestern noch aus dem Teppich geatmet haben“.
Es ist eine dieser Aussagen Horns, bei denen sowohl etwas Paradoxes als auch Doppeldeutiges mitschwingt. So steht sie mit ihrer rund 20-jährigen Karriere bei Springers Boulevardtitel für einen großen Teil der Vergangenheit von Bild und ihren Erfolg in analogen Zeiten. Gleichwohl verließ Horn Axel Springer, bevor es in den vergangenen Jahren besonders turbulent wurde – auch, so die Legende, wegen des damaligen Bild-Chefs Julian Reichelt. Nun steht sie, als erste Frau als Vorsitzende der Bild-Chefredakteure, für den Kulturwandel und den Weg ins Zeitalter ‘digital only’.
Doch auch wenn in den neuen Räumen erst gar kein Teppich verlegt worden ist, scheinen sich manche Altlasten nicht so einfach abschütteln zu lassen. Auch nicht für Horn, die in dieser Woche vor einem Jahr an die Spitze von Bild zurückkehrte. Während sie die kommerziellen Zahlen als Erfolg verbuchen kann, sorgen andere für Kopfzerbrechen. Denn die Stimmung innerhalb der Belegschaft ist derzeit noch schlechter als zuvor.
Horn startete unter schwersten Bedingungen
Diese Angebote berechtigen nicht zur Nutzung der Artikel in
Pressespiegeln (o. Ä.).
Klicke hier zum Erwerb von passenden Nutzungslizenzen.
Kritische Medienberichterstattung ist in Deutschland und der Schweiz unter der Entwicklung der elektronischen Medien verkümmert. Der auzsführliche Bericht der Entwicklung bei Bild unter Marion Horn ist ein Lichtblick und weckt bei einem alten Springer-Mitläufer Hoffnungen – aber auch Erinnerungen. Ich habe 1962 bei Regio Bild München an der Schellingstrasse unter Fred Baumgärtel mein Volontariat absolviert und durfte noch unter Pepe Boenisch an der Kaiser Wilhelmstrasse in Hamburg Höhepunkte («Gott hat mitgebohrt»)erleben. Heute, nach 60 Jahren Karriere beim Ringier-Verlag in Zürich, lese ich noch jeden Tag Bild und stelle fest, dass es in der langen Geschichte grosse Ähnlichkeiten zur ersten Schweizer Boulevardzeitung Blick gibt, die 1959 mit Bild als Vorbild an den Start ging. Und ziehe die Bilanz: Früher war nicht alles besser – vieles wa schlechter. Heute ist einfach alles anders. That’s Life…
Zur mangelnden kritischen Berichterstattung:
Heute lese ich Ihren Artikel – Rentenrevolution – und was das alles kostet.
Wenn es um die Rente geht, lese ich in den letzten Jahren immer wieder- was das kostet.
Davon lese ich nicht einen Artikel wenn es um die Pensionen der Beamten geht. Ich verstehe nicht wie eine Gesellschaft es zulässt, Menschen so unterschiedlich im Alter zu versorgen.
Das die Politiker das nicht ändern ist schon schlimm genug. Das aber die Medien das nicht regelmäßig kritisch ansprechen, verstehe ich nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Harry Oborski