Während Media Pioneer seine Flotte erweitert, gehen zahlreiche Crewmitglieder von Bord. Die Abgänge vom Volontär bis zu den Chefredakteuren wirken wie Fahnenflucht – und dann kippt auch noch eine wesentliche Verabredung mit Gesellschafter Axel Springer. Fünf Jahre nach der Gründung steht Gabor Steingarts Start-up am Scheideweg.
Es gibt viele schöne Orte, die sich im Oktober für eine motivierende Strategieklausur mit Mitarbeitern eignen. Pellworm ist keiner davon. In diesen Tagen ist es besonders stürmisch auf der Nordseeinsel, auf die sich Gabor Steingart sonst gerne privat zurückzieht. An diesem Wochenende aber hat er die Crew seines Start-ups Media Pioneer in sein Domizil geladen. Es soll um die Pläne für das kommende Jahr gehen, um die Zukunft. Und gerade deshalb passt der Ort wieder ganz gut: Denn die Zukunft scheint derzeit ähnlich turbulent wie das Wetter.
Es ist die erste Strategieklausur seit der Gründung von Media Pioneer, die zugleich als handfestes Krisentreffen bezeichnet werden kann. Denn in den vergangenen fünf Jahren lief es trotz Gegenwind insgesamt recht gut für Steingart und sein Team. Sogar mehr als das: Kurz nach seinem überraschenden Rauswurf bei der Handelsblatt Media Group legte Steingart nicht nur eine schnelle Comeback-Story hin. Mit seinem morgendlichen Newsletter zeichnete er innerhalb kürzester Zeit für viele sogar eine Vision für modernen Journalismus. Aktuell, unterhaltsam, einordnend und meinungsstark auf der einen Seite. Offenbar ressourcenarm, agil und digital auf der anderen. Steingart schaffte mit seinem Morning Briefing als Newsletter und Podcast die Grundlage für ein Medienunternehmen der neuen Art, das auch in der Branche viele elektrisierte – nicht zuletzt Axel Springer.
2019 stieg der Medienkonzern mit 36 Prozent ein, um mit Steingart nicht nur ein Redaktionsschiff zu bauen, sondern um an einer der seltenen journalistischen Erfolgsstorys in Deutschland mitzuschreiben. Steingarts Erzählung vom unabhängigen Journalismus in neuem Gewand verfing und zwar rasant: Schon zwei Jahre nach Gründung zeichnete der Fachverlag Oberauer Media Pioneer als „Start-up of the Year“ aus, zahlreiche Chefredakteure und Medienmanager wurden vorstellig, um von Steingart und seinen „Pioneers“ zu lernen. Doch nun, drei Jahre später, scheint die Euphorie verflogen. Während auf der großen Bühne noch „Zukunft kommt von Zuversicht“ propagiert wird, zeichnet sich hinter den Kulissen ein anderes Bild. Hier könnte es längst heißen: Zukunft kommt von Ungewissheit.
Steingart baut Flotte aus, Crew begeht Fahnenflucht – wer jetzt das Ruder übernimmt
Steingarts Start-up steht am Scheideweg – und das, obwohl dieses und das kommende Jahr erneut ganz im Zeichen des Aufbruchs stehen sollten. Gerade erst hat Media Pioneer – bekannt für aufmerksamkeitsstarke Inszenierungen – seinen Redaktionsbus auf Deutschlandtour geschickt. Während in einer Werft bei Köln am zweiten Redaktionsschiff geschweißt wird, bezieht das Start-up ganz in der Nähe seines Hauptsitzes an Land weitere Büroräume. Nicht mehr einstöckig, sondern auf zwei Ebenen sollen die „Pioneers“ zukünftig arbeiten. Doch während Media Pioneer seine Flotte erweitert und damit Voraussetzungen für weiteres Wachstum schafft, gehen zahlreiche Crewmitglieder von Bord und ihre Abgänge wirken wie Fahnenflucht.
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