Sie war eine der ersten Branchen, die sich der digitalen Transformation stellen musste. Sie war eine der ersten Branchen, die Disruption erlebt hat, neue Geschäftsmodelle erarbeitete und schnell realisieren musste. Und trotzdem tut sich die Medienbranche schwer mit organisatorischen Veränderungen.
Viele regionale und mittelständische Medienhäuser – sowohl in der Publikums- als auch in der Fachpresse – sind in einer verkrusteten, teils sogar toxischen Unternehmenskultur verhaftet. Der Wille zu systematischen und organisatorischen Entwicklungs- und Change-Prozessen fehlt, insbesondere da die Widerstände in den Führungsetagen zu groß sind.
Der Medienblogger Markus Kaiser betreibt einen eigenen Blog zum Thema Medieninnovationen und hat das Deutsche Institut für Change-Prozesse und digitale Geschäftsmodelle gegründet. 2019 nannte er drei Gründe für die schwache Veränderungsfähigkeit der Branche:
► Der Veränderungsbedarf war in der Vergangenheit gering, eine Change-Kultur sei deshalb grundsätzlich nicht vorhanden. Das gilt vor allem für regionale Tageszeitungen.
► Die Redaktionen agierten weitgehend autonom und seien beratungsresistent.
► Innerhalb der Redaktionen seien die Strukturen hierarchisch
Diese Gründe sind aus meiner Sicht alle nicht falsch. Ich möchte sie allerdings um eine These ergänzen:
Die Ursache für die schlecht gemanagten Change-Prozesse liegt meines Erachtens auch im Geschäftsmodell der Medien. Denn: Es ist ausschließlich auf Außenwirkung gerichtet.
Die zentralen KPIs in einem Medienhaus sind immer noch die Reichweite als Nachweis der Relevanz und als Voraussetzung für Vertriebs- und Werbeerlöse. Das gilt auch für neue Produkte wie Podcasts, Akademien oder Events.
Warum macht der nach außen gerichtete Fokus den Change-Prozess so schwer? Meines Erachtens aus (mindestens) drei Gründen:
Erstens: Change-Prozesse sind mittel- und langfristig wirksam
Die meisten Medien unterliegen einem kurzfristigen Rhythmus. Insbesondere bei Online-Medien und Tageszeitungen geht es darum, in Echtzeit über das aktuelle Geschehen zu berichten, es zeitnah einzuordnen und zu kommentieren. Im Gegensatz dazu unterliegen Change-Management-Prozesse eher einer mittelfristigen Zeitplanung. Die gängigen Change-Modelle gehen von mehreren aufeinander folgenden Phasen aus:
► Diagnose des Change-Bedarfs: Wie ist die Ausgangslage?
► Analyse der Prozesse und gegebenenfalls der Organisation: Wo liegt das Problem?
► Zielformulierung und Konzeption: Was genau wollen wir erreichen?
► Umsetzung: Wie erreichen wir unser Ziel?
► Bewertung und Kontrolle der Ergebnisse: Wie weit sind wir gekommen?
An dieser mehrstufigen Methodik wird deutlich: Ein Change-Prozess dauert mehrere Monate, je nach Umfang und Ausrichtung auch Jahre. Die Veränderung einer Unternehmenskultur beispielsweise üblicherweise eineinhalb bis zwei Jahre. Verglichen mit dem schnelllebigen, meistens auf umgehende „Lieferung“ ausgerichteten Geschäftsmodell der Medienbranche, wird klar: Es gibt große Unterschiede. Das Geschäftsmodell der Medien und die Systematik von Change-Prozessen passen nicht gut zusammen.
Zweitens: Fixierung auf extrovertierte Persönlichkeiten
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