Macht dir Journalismus auch manchmal schlechte Laune?

Hallo Medieninsider!

Im Lese-Letter dieser Woche erfährst du:

► Wieso zwei investigative Journalisten jetzt auf konstruktiven Journalismus setzen

► Wie es nach bald einem Jahr am deutschen Markt bei der Podcast-Plattform Podimo läuft

► Dass zwei ehemalige Studenten ihr für unter einer Million US-Dollar gegründetes Medien-Start-up demnächst für 75 Millionen US-Dollar verkaufen könnten

► Wie sich die TikTok-Alternative Triller in Stellung bringt


Keine Lust mehr auf schlechte Laune

Investigative Recherche ist eine der Königsdisziplinen im Journalismus. Einen investigativen Journalisten kümmert nicht, was bereits öffentlich ist. Er deckt auf, was im Verborgenen bleiben soll. Auf große Recherchen folgen große Geschichten, Reporter werden zu Legenden. Das ist die eine Seite der Medaille. 

Auf der anderen Seite ist der Job des investigativen Reporters meistens unglamourös, unglaublich kompliziert, er kann sogar deprimierend sein. Man recherchiert niedrigen Instinkten nach, kriminellen Machenschaften, ist von lauter Misstrauen umgeben. Investigativer Journalismus führt zu oft zu schlechter Laune, finden Felix Rohrbeck und Christian Salewski. Die beiden sind selbst erfahrene und ausgezeichnete Investigativ-Reporter und sagen:

Weil es den beiden oft genug selbst so gegangen sei, haben sie Flip gestartet: Ein Medienprojekt, bei dem sie investigativen mit lösungsorientierten Journalismus verknüpfen wollen.

Im Interview verraten sie unter anderem, wie sie das anstellen wollen, weshalb sie sich selbst nicht als Vertreter des konstruktiven oder positiven Journalismus verstehen.

„PR-Bullshit und Marketing-Blabla reichen uns nicht.“

Wir sprechen auch darüber, weshalb sie sich für Flip lieber in einem kleinen Team selbstständig machen, als ihr Konzept bei bisherigen Arbeit- und Auftraggebern umzusetzen – wo wir wieder beim Thema wären, dass Journalismus ganz schön deprimierend sein kann. 

Das gesamte Interview kannst du als Medieninsider hier nachlesen


Zwischen Podcast-Pionier und Nischenplattform

Nach Lösungen sucht auch das Start-up Podimo – dabei geht es weniger um Journalismus als vielmehr um die Finanzierung von Podcasts. Mit denen lässt sich im Werbegeschäft zwar bereits ordentlich Geld verdienen, allerdings sei das bei den wenigsten der Fall, meint Nicolaus Berlin

„Content muss honoriert werden.“

Er verantwortet das Deutschland-Geschäft der aus Dänemark stammenden Plattform, die einen speziellen Ansatz verfolgt: Podcaster sollen an den Umsätzen beteiligt werden.

Im November ist Podimo seit einem Jahr am Markt – ein guter Anlass, um sich noch einmal genauer mit dem Start-up und seinem Vorhaben zu befassen.

Als Medieninsider erfährst du:

► Wie Podcaster am Erfolg von Podimo partizipieren sollen 

► Wie sich Podimo gegenüber dem umfassenden Wettbewerb positioniert und behaupten will

► Welche Formate Nicolaus Berlin und sein Team beim Ausbau fokussieren und wie ihr derzeitiges Publikum aussieht

► Wie Publisher auf die Plattform blicken und Podimo weiter wachsen will

Den gesamten Artikel kannst du hier nachlesen


Mehr News & Entdeckungen aus der Woche

Insider steht offenbar vor Übernahme von Morning Brew

In den USA bahnt sich eine interessante Übernahme an. Wie Wall Street Journal und Recode übereinstimmend berichten, steht Insider Inc., das Unternehmen hinter Business Insider und 100-prozentige Tochter von Axel Springer, vor der Übernahme von Morning Brew. Das Start-up hat sich wie Business Insider auf Wirtschaftsnachrichten für Millennials spezialisiert, allerdings von vornherein härtere Themen fokussiert und sich auf Newsletter als Ausspielweg konzentriert. 

Der gleichnamige und kostenlose Haupt-Letter, der an sechs Tagen in der Woche erscheint, zeichnet 2,5 Millionen Abonnenten – ein attraktiver Funnel für Business Insiders Abo-Angebot. Laut Medienberichten ist Morning Brew in diesem Jahr auf dem Weg, die Umsatzmarke von 20 Millionen US-Dollar zu knacken. Das Unternehmen wurde 2015 von den damaligen Studenten Alex Lieberman und Austin Rief gegründet – weniger als eine Million US-Dollar sollen sie dafür eingesammelt haben. Laut WSJ könnte der Insider-Deal nun 75 Millionen US-Dollar wert sein.

Disney Company  richtet sich auf Zukunftsmarkt Streaming aus

Nach dem Eintritt in den Streamingmarkt baut Walt Disney nun seine Konzernstruktur um. Zukünftig werden Fernseh- und Filmgeschäft mit den Online-Videodiensten in der neuen Sparte Media and Entertainment Distribution gebündelt – womit auch das Werbegeschäft besser mit Disney+ verknüpft wird. Das Streamingangebot wie auch ESPN+ und Hulu erhalten damit eine neue Bedeutung in der Konzernhierarchie. Der US-Unterhaltungskonzern steht wegen der Coronakrise massiv unter Druck, fuhr im zweiten Quartal dieses einen Verlust von 4,7 Milliarden US-Dollar ein. Weitere Infos zur Neuausrichtung findest du beispielsweise hier bei der Tagesschau.  

Facebook will gegen Holocaust-Leugner und Impfgegner vorgehen

Facebook will nach mehreren Jahren der Diskussion nun gegen Inhalte vorgehen, die den Holocaust verharmlosen oder leugnen. Das Unternehmen kündigte nun an, die Inhalte künftig zu blocken. Die Umstellung der Systeme und Schulung von Mitarbeitern werde aber noch etwas Zeit beanspruchen. In Ländern wie Deutschland, in denen die Leugnung des Holocaust illegal ist, unterdrückt Facebook entsprechende Inhalte bereits – allerdings erst nach Hinweis. 

Vorgehen will Facebook auch gegen Impfgegner. Wie das Unternehmen ebenfalls mitteilte, werden künftig keine Anzeigen mehr angenommen, die sich gegen Impfungen aussprechen. Das Unternehmen wolle aber weiterhin Anzeigen zulassen, Maßnahmen von Regierungen kritisieren oder hinterfragen. 

YouTube testet Shopping-Funktion

E-Commerce boomt, Video-Content auch – das ruft YouTube auf den Plan, das wiederum den coronabedingten Einbruch im Werbemarkt spürt. Wie der Nachrichtendienst Bloomberg berichtet, testet Googles Videoplattform derzeit eine Shopping-Funktion. Dem Bericht zufolge beläuft sich der Test derzeit auf die Funktion, in Videos gezeigte Produkte zu taggen und über eine Shopify-Integration zu verknüpfen. 

Die Key-Facts aus der Online-Studie von ARD und ZDF

Die Onlinestudie von ARD und ZDF erschien einen Tag nach dem Leseletter in der vergangenen Woche, aber mit interessanten Ergebnissen. Hier in aller Kürze:

► Der Internetzugang dringt in die älteren Generationen ab 60 Jahre vor. 94 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahren nutzen jetzt das Internet, also 66 Millionen Menschen (2019: 63 Millionen).

► 65 Prozent der Menschen nutzen Online-Mediatheken von Fernsehsendern oder ihre Angebote via YouTube, 47 Prozent steuern Streamingservices an.

► In der Audionutzung steht Musik an erster Stelle. Musikstreamingdienste werden von mindestens 35 Prozent wöchentlich genutzt, Musik via YouTube von 31 Prozent. 19 Prozent hören Live-Radio, 12 Prozent hören Podcasts. Hier ein genauerer Blick: Bei den 14 bis 29-Jährigen, sind es bereits 24 prozent, bei den 30 bis 49-Jährigen 14 Prozent. 

► Bei der täglichen Nutzung von Social Media rückt Instagram an Facebook vorbei: 15 Prozent der Bevölkerung nutzen täglich Instagram (2019: 13 Prozent), Facebook hingegen kommt nur noch auf 14 Prozent und verliert damit deutlich im Vorjahresvergleich (2019: 21 Prozent). In der Wochennutzung bleibt Facebook weiter an der Spitze, verliert aber ebenfalls fünf Prozentpunkte.

Mehr Details zur Studie findest du hier.


Lesetipp

Hast du schon von Triller gehört? Dabei handelt es sich um eine weitere Influencer-Plattform, die in der Berichterstattung bislang vor allem in den USA aufgetaucht ist – nicht nur, weil sie von dort kommt, sondern weil sie auch für Aufsehen in der Debatte über die Zukunft TikToks in den USA gesorgt hat. 

Triller, das ursprünglich mal als App zur Bearbeitung von Musikvideos gestartet ist, wittert die Chance, im Zuge der TikTok-Übernahme – oder eher im Falle der Nicht-Übernahme – zum neuen relevanten sozialen Netzwerk der jungen Zielgruppe zu werden. Dafür schöpft das Unternehmen seit einiger Zeit aus dem Vollen, wie unter anderem Taylor Lorenz gerade für die New York Times aufgeschrieben hat. 

Triller wirbt TikTok-Influencer mit attraktiven Summen und Sponsoren-Deals (Autos von Mercedes Benz, Beherbergung in stattlichen Villen) nicht komplett ab, lockt sie aber immer weiter auf die eigene Plattform. Dazu hat das Unternehmen einige der bekanntesten sogar ins Management-Board geholt

Triller erfährt aber auch sonst prominente und finanziell potente Unterstützung. Musikstars wie The Weeknd, Snoop Dogg, Marshmello oder Kendrick Lamar sind als Investoren dabei. Musiklabels unterstützen die App durch Lizenzverträge zur Verwendung von Songs. 

► Hauptanteilseigner von Triller  ist seit Herbst 2019 Proxima Media. Dahinter steht der Hollywood-Produzent Ryan Kavanaugh, der als Vermarktungsgenie für exzellente Kontakte bekannt, aber auch nicht unumstritten ist. 

► Die nächste Finanzierungsrunde ist schon geplant, eine Bewertung von einer Milliarde Dollar wird angestrebt. Erfolgen soll sie möglicherweise über einen Börsengang, wie gerade erst Reuters berichtete. Um den Weg abzukürzen, könnte Triller mit einer leeren Börsenhülle fusionieren. So genannte Special Purpose Acquisition Vehicles (SPAC) sind bereits mit Kapital ausgestattet und gelistet, suchen erst dann nach einem Unternehmen.

► Das Unternehmen nutzt die wachsende Sorge vor dem chinesischen Staat und seinem Einfluss – und erhält dafür natürlich Unterstützung aus der Trump-Familie die bereits Accounts dort bespielt.  

► Ein bisschen Trump schimmert bei Triller möglicherweise aber auch im Umgang mit Fakten durch. Noch herrscht Unklarheit über die tatsächliche Größe von Triller. Klar ist, dass das Unternehmen noch nicht mit den Nutzerzahlen von TikTok mithalten kann, auch nicht in den USA. Im August dieses Jahres vermeldete das Unternehmen aber Zahlen, denen Analyseunternehmen wie Apptopia widersprechen. Auch ehemalige Mitarbeiter werfen dem Unternehmen vor, falsche Zahlen genannt zu haben.

Wenn du mehr über Triller erfahren willst, kannst du den Artikel aus der New York Times hier nachlesen. Eine gute Zusammenfassung, die auch andere TikTok-Alternativen beinhaltet, habe ich zudem bei den Kollegen von OMR Daily gefunden. Sie ist aus August, aber immer noch weitgehend aktuell – du findest sie hier.

Hab noch eine schöne Woche! 
Viele Grüße sendet dir 

Marvin

Wenn dir der Artikel gefällt, dann teile ihn in sozialen Netzwerken, aber nicht als PDF innerhalb deiner Organisation. Dafür ist eine Lizenz notwendig.

Mehr zum Thema

Lese-Letter Marvin Schade

Was das Reichelt-Radio mit einem polnischen Studentenradio teilt

0
Im Lese-Letter diese Woche: Julian Reichelts Portal Nius soll jetzt auch Radio machen, Brian Morrissey schreibt über alte Gewohnheiten im Newsletter-Business und wir legen das Honorar und Produktionskosten der Carolin Kebekus Show offen.

Ein Newsletter ist noch kein Geschäftsmodell

0
Newsletter sind nach wie vor ein beliebtes Publishing-Tool. Nur sind sie kein Allheilmittel. Brian Morrissey erklärt, weshalb Newsletter allein kein Geschäftsmodell sind und welche Schwächen sie noch mitbringen.
Lese-Letter Marvin Schade

Warum man bei den Evros-Berichten des Spiegel nicht von „Relotius 2.0“ sprechen kann

0
Im Lese-Letter geht es heute um das neue Fälscher-Problem des Spiegel, die mediale Abdeckung der Proteste im Iran und die Zukunft von Newslettern.
Marvin Schade
Marvin Schadehttps://medieninsider.com
Marvin ist Co-Gründer und Founding Editor von Medieninsider und hat sich damit einen kleinen Traum erfüllt. Vor der Gründung war er mehrere Jahre für den Branchendienst Meedia in Hamburg und Berlin tätig, arbeitete kurz beim Focus Magazin und zuletzt für Gabor Steingarts Morning Briefing.

1 ERGÄNZUNG

DEINE MEINUNG IST GEFRAGT

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Hier Namen eintragen