Hallo Medieninsider!
Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche im Lese-Letter unter anderem erwartet:
► dpa-Chefredakteur Sven Gösmann skizziert, wie die Agentur zukünftig arbeiten will
► Die Bundesregierung befürwortet ein Spotify für Journalismus – will nur keine zusätzlichen Mittel dafür locker machen
► Der Digital News Report zeigt, wie Deutschlands Online-Nutzer ticken
► Google verschiebt die Abschaffung von Third Party Cookies bei Chrome
► Wieso Katapult-Gründer Benjamin Fredrich jetzt auch Journalisten ausbilden will
► Weshalb US-Medienanalyse Jacob Donelly den Börsengang von BuzzFeed skeptisch sieht
Sven Gösmanns drei Phasen der Pandemie – und was zukünftig bleiben wird
Am morgigen Donnerstag wird die dpa bekannt geben, wie sie geschäftlich durch das Corona-Jahr 2020 gekommen ist. Mit Chefredakteur Sven Gösmann habe ich bereits den Blick nach vorne gewagt.
In unserem Interview geht es weniger ums Geschäft als vielmehr um die Fragen: Wie will sich die dpa zukünftig organisatorisch aufstellen, was nehmen Gösmann und seine Redaktion aus der Pandemie mit und wie definieren sie das New Normal? Oder wird doch schnell wieder alles wie früher?
Hier ein paar Aussagen aus dem Interview, das du als Medieninsider hier in vollständiger Länge lesen kannst. Gösmann sagt, die Pandemie habe er in drei Phasen erlebt:
„Da war zuerst die Euphorie darüber, dass wir dieses dezentrale Arbeiten und alles, was damit verbunden ist, so gut hinbekommen und die Nachrichtenagentur weiterhin funktioniert. Mit einer teilweisen Rückkehr im Sommer kam die Hoffnung, dass diese Notsituation bald wieder vorbei sein wird, gefolgt von der Phase des winterlichen Missvergnügens.“
Und:
„Wir haben begonnen, uns ernsthafte Gedanken über das zukünftige Arbeiten innerhalb der dpa zu machen.“
Mitarbeiter sollen zukünftig mehr Entscheidungsfreiheiten über den Arbeitsort bekommen. Für den Zusammenhalt der Organisation heißt das aber:
„Wir benötigen vielleicht den Konferenzraum nicht mehr, wohl aber Begegnungsflächen und -anlässe.“
Durch neue Regeln und Strukturen will die dpa auch für jüngere Generationen attraktiver werden. Diese, sagt Gösmann, habe andere Vorstellungen und Werte als er und andere aus älteren Generationen.
„Wer Wert auf Weisungen legt und sie mit anekdotischer Evidenz begründet, wird da nicht mehr weit kommen.“
Im Interview führt Gösmann seine Gedanken weiter aus, spricht darüber, wie sich sein persönliches Denken und Empfindlichkeiten gewandelt haben. Das Gespräch ist kein Leistungsnachweis, wohl aber ein klares Zielvorhaben. Das gesamte Stück kannst du als Medieninsider hier lesen.
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So ticken Deutschlands Online-Nutzer
Der Digital News Report, den das Reuters Insititute for Journalism an der Universität Oxford jährlich veröffentlicht, ist die umfassendste Längsschnittanalyse zur digitalen Nachrichtennutzung und deshalb eine der wichtigsten Veröffentlichungen für alle, die sich ein Bild darüber machen wollen, wie die Online-Bevölkerung tickt.
Vergangene Woche erschien der Report 2021 und mit ihm eine spezielle Auswertung für den deutschen Markt. Dafür hat das Hans-Bredow-Institut Anfang des Jahres rund 2000 Menschen mit Internetzugang nach ihren Gewohnheiten gefragt. Der Report hält ein paar interessante Erkenntnisse parat. Kurz zusammengefasst:
► Fernsehen bleibt für viele der Hauptinformationskanal, gefolgt vom Internet. Der Anteil der Online-Nutzer, die sich ihre Informationen ausschließlich online besorgen, steigt aber deutlich an.
► Der Anteil des Nachrichtenkonsums in sozialen Netzwerken ist rückläufig, vor allem Facebook verliert weiter an Relevanz. Die direkte Nutzung von journalistischen Medien konnte hingegen hinzugewinnen.
► Politische Ränder sind bei den Interaktionen mit News Social Web aktiver als die Mitte.
► Podcasts wachsen langsamer, Spotify und YouTube dominieren, Apple Podcasts ist als Plattform hingegen eher irrelevant.
► Trotz des Corona-Booms ging die Zahlungsbreitschaft für Online-News leicht zurück. Bei den jungen Online-Nutzern war sie am schlechtesten.
Ich habe die 64 Seiten Deutschland-Bericht gelesen, damit du es nicht mehr musst. Die Zusammenfassung mit Kennzahlen kannst du als Medieninsider hier lesen.
Kein Extra-Geld für ein Spotify für Journalismus
In regelmäßigen Abständen legt die Bundesregierung im Auftrag des Deutschen Bundestages ihren Medien- und Kommunikationsbericht vor, um über „Fortschritte bei der Verwirklichung einer trag- und zukunftsfähigen Medien- und Kommunikationsordnung“ zu informieren. Klingt sperrig, ist es auch.
Trotzdem wichtig: Es geht dann um das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, Wettbewerbsnovellen oder das Telemediengesetz – und in der jüngsten Ausgabe um das immer wieder und viel diskutierte Vorhaben einer „medienübergreifenden Plattform“, sprich: einem Spotify für Journalismus.
Ich habe mir den aktuellen Bericht, der von einem mehr als 190-seitigen Gutachten begleitet wird, durchgelesen. Die Bundesregierung befürwortet eine medienübergreifende Plattform (die in der Praxis viele Skeptiker hat), aber: Wirklich Geld freimachen will sie dafür nicht. Die Details sowie eine Einschätzung von Medienwissenschaftler Christopher Buschow kannst du als Medieninsider hier lesen.
Mehr News & Entdeckungen aus der Woche
zusammengetragen von Florian Boldt
ARD könnte Polit-Magazine kürzen
Die ARD überlegt offenbar, seinen Polit-Magazinen ab 2022 weniger Sendezeit einzuräumen, berichtet Übermedien. Demnach könnten Panorama, Report München, Report Mainz, FAKT, Kontraste, und Monitor dann nur noch auf jeweils 11 Sendungen jährlich kommen. Von bisher 90 würden die Sendetermine auf 66 sinken. Als Ersatz für die wegfallenden Sendungen sollen die Redaktionen dann je zwei Dokumentationen pro Jahr produzieren. Die ARD wollte die Überlegungen bisher nicht kommentieren. Mehr zum Thema findest du bei Übermedien.
Audio- und Drehbuchautoren kritisieren die ARD
Die ARD steht von gleich zwei Produzentenseiten unter Druck. Mehrere hundert Audio-Autoren und -Regisseure kritisierten die Anstalt in einem offenen Brief für nicht angemessene Honorarregelungen. Die ARD sei „kulturvergessen“ und stelle die kulturelle Grundversorgung damit in Frage. Auch der Verband Deutscher Drehbuchautoren und die Initiative Kontrakt 18 fordern eine Anpassung der Arbeitsbedingungen. Deutschland sei nicht auf Höhe der internationalen Standards und den Kreativen würde zu wenig vertraut, schrieben die Autoren in einem offenen Brief an ARD-Programmdirektorin Christine Strobl. Während die ARD den Audio-Autoren bereits Gesprächsbereitschaft signalisierte, steht eine Reaktion auf die Drehbuchautoren noch aus. Weitere Hintergründe findest du im Tagesspiegel und in der Süddeutschen Zeitung.
Katapult baut eigene Journalistenschule auf
Katapult will Journalisten zukünftig selbst ausbilden. Benjamin Fredrich kündigte in einem Blogbeitrag an, eine eigene Journalistenschule in Greifwald zu gründen. Damit wolle er unter anderem gegen das Ost-West-Gefälle in der journalistischen Ausbildung ankämpfen. Die ausgebildeten Journalisten sollen dann den entstehenden Bedarf decken, der dem Katapult-Gründer vorschwebt: Schon Ende Mai hatte Fredrich im Medieninsider-Interview geäußert, nach dem Start des Lokal-Ablegers für Mecklenburg-Vorpommern weitere Projekte in den übrigen Bundesländern zu planen. Den Katapult-Blogbeitrag findest du hier.
RTL Group: Verkauf in Belgien, Fusion in den Niederlanden
Die RTL Group trennt sich von ihrem belgischen Tochterunternehmen. Das wallonische Medienhaus Groupe Rossel und die flämische DPG Media kaufen RTL Belgium für 250 Millionen Euro. Der Deal soll im Laufe des vierten Quartals abgeschlossen werden, vorbehaltlich der Zustimmung der Aufsichtsbehörden.
Auch in den Niederlanden steht die RTL Group vor einer Neuausrichtung. Dort fusioniert RTL Nederland mit John de Mols Talpa Network. Das Unternehmen bringt unter anderem seine TV-, Radio-, Print- und Digital-Aktivitäten in die zusammengeführte Gruppe ein und wird mit 30 Prozent an RTL Nederland beteiligt. Der Deal soll in der ersten Jahreshälfte 2022 abgeschlossen werden. Talpa war bereits bis 2011 mit 26,3 Prozent an der niederländischen RTL-Tochter beteiligt. Hier findest du mehr Informationen zu RTL Nederland, hier zu RTL Belgium.
Bundeskartellamt geht auch gegen Apple vor
Nach Verfahren gegen Facebook, Amazon und Google hat das Bundeskartellamt nun auch ein Verfahren gegen Apple eröffnet. Nach den neuen Vorschriften für Digitalkonzerne prüft die Bonner Behörde nun Apples „marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb“. Die Wettbewerbshüter kündigten zudem an, sich in einem möglichen weiteren Verfahren mit „konkreten Verhaltensweisen“ genauer zu beschäftigen. Es lägen „verschiedene Beschwerden gegen potenziell wettbewerbsgefährdende Praktiken vor“. Die vollständige Mitteilung des Bundeskartellamts findest du hier.
Buzzfeed plant Börsengang in den USA
Buzzfeed steht vor dem Gang an die US-Technologiebörse Nasdaq. Der Start soll noch 2021 erfolgen, voraussichtlich im vierten Quartal. Dafür fusioniert Buzzfeed mit dem schon börsennotierten Unternehmen 890 Fifth Avenue Partners. Dabei handelt es sich um ein sogenanntes SPAC, ein Mantel-Unternehmen, das mit dem an der Börse eingesammelten Geld andere, nicht börsennotierte Unternehmen aufkauft. Zudem strebt Buzzfeed die Übernahme des Digital-Unternehmens Complex Networks für 300 Millionen US-Dollar an. Als Bewertung des neuen Unternehmens ist ein Wert von 1,5 Milliarden US-Dollar angestrebt. Mehr dazu erfährst du bei CNBC.
Google verschiebt Cookie-Aus in Chrome auf 2023
Google verschiebt das Ende von Werbe-Trackern Dritter in Google Chrome auf 2023. Die sogenannten Third Party Cookies sollen nun in einer zweistufigen Phase aus dem Browser entfernt werden. Werbetreibende und Publisher haben bis Ende 2022 Zeit, datenschutzfreundlichere Verfahren zu entwickeln, ehe der Support Mitte 2023 endet. Ursprünglich hatte Google schon ein Ende der Werbe-Tracker für Anfang 2022 angepeilt. Google Chrome ist der meistverbreitete Browser der Welt. Allein in Deutschland kommt Chrome auf 47,7 Prozent Marktanteil, weltweit auf 68,3 Prozent. Mehr dazu erfährst du in einem Blogpost von Google-Manager Vinay Goel. Hier hat Onlinemarketing.de Reaktionen aus der Tech-Szene gesammelt.
Aus dem Personalticker:
► Lothar Keller leitet neues RTL-Nachrichtenmagazin
► Rudolf Thiemann bleibt VDZ-Präsident
► Handelsblatt: Jens Küsters wird Direktor für Digitale Entwicklung
Lesetipp
Der Börsengang von BuzzFeed ist ein bemerkenswerter Schritt, mit dem Gründer Jonah Peretti versuchen wird, das Unternehmen auf ein neues Level zu heben. Bisherige Strategien, beispielsweise die internationale Expansion, gingen nicht wirklich auf. Peretti will aus der Konsolidierungsphase der Digital-Only- und Millennial-Medien als Gewinner hervorgehen. Erst übernahm BuzzFeed die unprofitable HuffPost, jetzt will er durch einen Börsengang an frisches Kapital, um im gleichen Zug das Entertainment-Network Complex zu übernehmen.
Perettis Pläne haben Skeptiker. Einer von ihnen ist Jacob Donelly, Gründer des US-Mediendienstes A Media Operator. er hält die Bewertung von 1,5 Milliarden US-Dollar für eine Enttäuschung, weil das Unternehmen damit so viel Wert ist wie 2015. Er hält auch die Investorenpräsentation Perettis für überheblich und sagt mit Blick auf das Wachstumsszenario BuzzFeeds:
„Ich kaufe es einfach nicht ab.“
Donelly hält die Pläne für das Umsatzwachstum angesichts der vergangenen Jahre über überambitioniert und glaubt, dass BuzzFeed – das er auf dem Weg zu einer Holding sieht – sie auch durch weitere Zukäufe kaum erreichen wird. Der Grund:
„BuzzFeed muss kleinere Unternehmen finden, die eine Marge von 20-30% ewirtschaften.“
Auch von Perettis auf steigenden Reichweiten basierender Wachstumsstrategie hält Donelly wenig. Sein Urteil zu alledem:
„Ein Geschäft zu führen ist schwer. Ich weiß das. Peretti weiß das. Jeder weiß das. Aber wir müssen in einer Welt der Realität leben, nicht der Fantasie.“
Donellys vollständige Analyse findest du hier.
Viele Grüße sendet dir
Marvin