Das Elite-Medium Politico treibt seine internationale Expansion mit großen Schritten voran. Nur im Heimatmarkt des Eigentümers Axel Springer zeigt man sich auffällig zögerlich. Der Grund: Beim Start in Deutschland steht sich der Konzern selbst im Weg – und dann ist da noch Gabor Steingart. Doch jetzt zeichnet sich eine Lösung ab.
Die Räume im Springer-Hochhaus sind bereits eingerichtet und bieten Platz für Dutzende Redakteure, doch die Schreibtische sind seit Wochen weitgehend leer. Die Deutschlandredaktion von Politico ist zuletzt sogar noch kleiner geworden. Nach dem Weggang des bisherigen Chefs Florian Eder wechselte kürzlich ein weiterer Redakteur des rund fünfköpfigen Teams zur Süddeutschen Zeitung. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil Politico nicht irgendein Medium von Axel Springer ist.
Wie Politico zur wichtigsten Medienmarke im Springer-Portfolio wurde
Auch wenn die Medienmarke der breiten Masse kein Begriff sein dürfte, ist sie im Mediengeschäft eine der aufstrebendsten weltweit. 2007 von Robert Albritton gegründet wurde Politico innerhalb kürzester Zeit zu einem der bedeutendsten Player im politischen Washington. Das Erfolgsrezept: Politico betreibt nicht nur sein Newsportal für Polit-Fanatiker, sondern dahinter ein lukratives Fachangebot für Polit-Profis. Die so genannten Pro-Briefings richten sich innerhalb spitzer Zielgruppen an Entscheider aus dem Politik- und Lobbybetrieb, die dort mit hochdosierten Informationen versorgt werden. Dafür geben sie Tausende Dollar aus. Nachdem Springer gemeinsam mit Politico ein Joint-Venture in Brüssel hochzog, setzte der deutsche Medienkonzern 2021 zur Übernahme an. Mit einer kolportierten Milliarde US-Dollar ist es die teuerste in der Geschichte des Springer-Konzerns. Politico ist damit essentieller Bestandteil von Mathias Döpfners Vision eines transatlantischen Medienkonzerns.
Das Geschäft liegt in der internationalen Expansion. Neben weiteren Fachbriefings erschließt Politico mehr und mehr Märkte, zieht gerade in bemerkenswertem Tempo eine hochkarätige Redaktion in Großbritannien auf – nur ausgerechnet im deutschen Heimatmarkt mangelt es bislang an Entschlossenheit. Der Launch von Politico Deutschland ist bereits vor Monaten zur Hängepartie geworden. Dabei steht sich der Konzern vor allem selbst im Weg. Und das hat – natürlich – auch mit Eitelkeiten zu tun.
Dass aus dem Korrespondenten-Standort Berlin noch keine vollwertige Redaktion mit deutschsprachigem Angebot geworden ist, wurde in den vergangenen Monaten immer wieder strategisch begründet. Der Fokus solle wegen der einfachen Wachstumsmöglichkeiten zunächst erst einmal voll und ganz auf englischsprachige Märkte liegen. Neben Großbritannien expandiert Politico gerade im US-Bundesstaat Kalifornien.
Der Wettbewerb wartet nicht
Was erst einmal plausibel klingt, ist in Wahrheit viel komplexer. Der Fokus auf den englischsprachigen Markt, so hatte es in den vergangenen Monaten aus Konzernkreisen immer wieder geheißen, komme vor allem aus Washington. Die Politico-Zentrale in den USA hat sich nach der Übernahme das operative Management für Europa einverleibt. Dort betrachtet man das hiesige Geschäft anders. Es gibt aber Kräfte im Springer-Konzern, die für eine schnellere Expansion stehen, besonders in Deutschland. Die Gründe sprechen für sich: Neben Frankreich, wo es bereits einen französischsprachigen Ableger gibt, ist die Bundesrepublik einer der wichtigsten Mitgliedsstaaten der EU, als viertgrößte Industrienation ist sie auch in der Weltpolitik ein Schwergewicht. In keinem demokratischen Parlament sitzen mehr Abgeordnete als im Deutschen Bundestag, entsprechend groß ist der darauf einwirkende Lobby-Apparat. Um die Zielgruppe muss man sich also nicht sorgen – um die Marktanteile hingegen schon.
So startete der Tagesspiegel bereits früh, mit seinen Backgrounds die hochqualifizierte Nische zu besetzen. Dessen ehemaliger Herausgeber Sebastian Turner verspricht sich vom Geschäft so viel, dass er sich nach seinem Ausscheiden mit derselben Idee mit Table Media selbstständig gemacht hat. Dessen aggressives Vorgehen liegt auch darin begründet, möglichst viele Nischen zu besetzen, bevor Politico mitmischt. Auch weitere Medienunternehmen schielen auf Executive-Briefings. So arbeitet nach Medieninsider-Infos auch die FAZ an Vertical-Produkten. Die Süddeutsche Zeitung holte sich mit Florian Eder einen der Gründungsredakteure von Politico Europe und baut derzeit ebenfalls ein Produkt für die politische Zielgruppe.
Nach umständlicher Suche: Dieser Hauptstadtjournalist soll Politico Deutschland führen
Ein möglicher Start von Politico in Deutschland macht die Wettbewerber nicht nur nervös, er wird sogar gefürchtet. Zum einen wegen des internationalen Renommees, zum anderen wegen der Finanzkraft von Springer. Denn klar ist: Ein Start im Heimatmarkt hat dort eine hohe symbolische Bedeutung, ein Scheitern will man sich nicht leisten. Auch das ist ein Grund für die bisherige Zurückhaltung.
Aus Springer-Kreisen war in den vergangenen Monaten immer wieder zu hören, dass der Aufschlag sitzen müsse. Besonders CEO Döpfner soll auf einen journalistischen Hochkaräter an der Spitze des Deutschland-Ablegers pochen. Auch das soll ein Grund für den Abgang Eders gewesen sein. Während der ehemalige Welt-Korrespondent Politico in Brüssel mit aufbaute, soll der Name für den deutschen Markt nicht groß genug gewesen sein. Jedenfalls drückten Springer und Politico auf die Bremse, obwohl es Konzepte gab und Eder auch schon nach Personal für den Ausbau des Deutschland-Teams suchte.
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