Ben Smith, vielbeachteter Journalist und noch Medienkolumnist der New York Times, hat seinen Beruf gut gewählt. Denn ein PR-Talent ist er nicht. Die Nachricht, dass der Journalist die weltbekannte Redaktion verlässt, um gemeinsam mit Bloomberg-CEO Justin Smith (Foto links) ein neues Nachrichtenunternehmen aufzubauen, schlug hohe Wellen der Aufmerksamkeit. Ben Smith nutzt sie und reitet auf ihr durch zahlreiche Medien, um über das „Project Coda“ zu sprechen. Doch der Erkenntnisgewinn bleibt gering. Es wird viel geredet, aber nichts gesagt.
„Klar, wir können gerne sprechen“, schreibt Ben Smith als Antwort auf eine Interviewanfrage. Dann dauert es zwei Stunden, bis er wieder schreibt: „Ruf mich jederzeit an. Ich kann ein paar Minuten sprechen“. Für das Gespräch gibt es einen spannenden Anlass. Der international renommierte US-Journalist und Medienkolumnist der New York Times hat angekündigt, den Titel zu verlassen – nach nicht einmal zwei Jahren. Er will gründen und hat dafür einen ebenso kompetenten Partner: Justin Smith, der ebenfalls am Dienstag bekannt gab, seinen Posten als CEO von Bloomberg zu räumen.
Die Personalien sind beachtlich, entsprechend groß die Euphorie. „Ein willkommenes Zeichen, dass Spitzenkräfte im Nachrichtenbereich mehr unternehmerische Initiative zeigen“, schrieb The Information-Gründerin Jessica Lessin bei Twitter. Journalismus-Professor Jeff Jarvis glaubt, die Smith’s können „großartige Sachen“ zusammen machen.
Das Interesse an Ben und Justin Smith wird nicht nur bei Twitter deutlich. Nachdem zuerst das Wall Street Journal und die New York Times berichtet haben, legen zunächst mehrere US-Medien nach, auch nach Deutschland schwappt die News schnell über. Hier erregte Ben Smith zuletzt große Aufmerksamkeit durch seine Recherchen über die Unternehmenskultur des in die USA expandierenden Axel-Springer-Konzerns. Sein Artikel mit umstrittenen Äußerungen Mathias Döpfners setzte den CEO erheblich unter Druck, ebenfalls trugen Smith‘ Recherchen zum Rauswurf von Bild-Chef Julian Reichelt bei. „In nur zwei Jahren bei der New York Times ist es dem Journalisten Ben Smith gelungen, mit Medienberichterstattung überdurchschnittlich viel Aufsehen zu erregen“, schreibt der Spiegel. Jetzt aber soll etwas Neues folgen.
Während sich der scheidende Bloomberg-CEO Justin Smith mit Aussagen zurückhält, nutzt Ben Smith die Welle der Aufmerksamkeit. Eine Vielzahl der berichtenden Medien reichert ihre Storys mit eigenen Zitaten von ihm an. Der große Auftritt – ob kalkuliert oder nicht – ist perfekt. Die Smiths sind das Medienthema des noch jungen Jahres. Allerdings: Viel hängen bleibt nicht. Wirklich etwas zu erzählen gibt es nämlich nicht.
So hochkarätig das Gründer-Duo auch ist und so groß das Interesse an ihren Personen, so kryptisch klingt bislang aber auch ihr Vorhaben. Entstehen soll ein „globales News-Start-up“, eines das Journalismus mache für die weltweit „200 Millionen Menschen mit Hochschulbildung, die in englischer Sprache lesen“. Eine Zielgruppe, die von niemandem wie ein Publikum behandelt werde, so Smith gegenüber seinen Kollegen der weltweit renommierten und gelesenen New York Times. Das ist erklärungsbedürftig.
Medieninsider erreicht Ben Smith am späten Dienstagabend deutscher Zeit. Er hat bereits eine Vielzahl von Gesprächen hinter sich, viele Artikel über ihn sind bereits erschienen. „Ein aufregender Tag“, erzählt er. Nicht überall stimmen die veröffentlichten Informationen miteinander überein. Das mag daran liegen, dass die Journalisten eigene Informationen in ihre Texte einfließen lassen, womöglich aber auch daran, dass Smith im Gespräch nicht immer ganz bei der Sache ist. So zumindest trägt es sich im Gespräch mit Medieninsider zu. Immer wieder ist der Journalist hörbar abgelenkt, im Hintergrund klimpert die Tastatur, ab und zu entfernt sich die Stimme vom Hörer. Clare Malone vom New Yorker machte offensichtlich ähnliche Erfahrungen. Das Ergebnis: Es wurde viel geredet, gesagt wurde wenig.
Was über das „Project Coda“ (so der Arbeitstitel laut WSJ) bekannt ist und was Ben Smith darüber und über seinen Abschied von der New York Times sagt:
Auf die Frage, weshalb der die New York Times nach nicht einmal zwei Jahren, in denen er viele Scoops hingelegt hat, wieder verlässt, sagt er:
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