Mathias Döpfner spricht in der Causa Julian Reichelt von „Grenzüberschreitungen“ – meint damit aber weder seinen (Ex-)Chefredakteur noch sich selbst. Das Statement des Springer-CEOs enthält nichts anderes als Verbiegungen.
Gastkommentar von Bernd Ziesemer
Schuld sind immer die anderen. So kann man die Video-Botschaft zusammenfassen, mit der sich Mathias Döpfner in die Debatte um den Bild-Chefredakteur Julian Reichelt einschaltet. Da finden wir die „fast erpresserischen“ Mitarbeiter, die seinen Lieblingsjournalisten „weghaben“ wollen. Da veröffentlicht die New York Times einen „sehr einseitigen“ Bericht über die Affäre. Und da reißt jemand eine Passage aus einer „privaten SMS“ aus dem Zusammenhang, in der Döpfner die Bundesrepublik als zweite DDR darstellt. Der Vorstandschef des Springer-Verlags nennt das eine „Grenzüberschreitung“. Man muss sich das Wort auf der Zunge zergehen lassen: Nicht etwa sein Chefredakteur begeht Grenzüberschreitungen, wenn er den Frauen in der Bild-Redaktion nachsteigt (im Arbeitsrecht nennt man sie „Schutzbefohlene“); nicht Döpfner überschreitet Grenzen, wenn er solche Zustände über Jahre in seinem Reich zulässt. Nein, verantwortlich für Grenzüberschreitungen sind andere.
Ich bin seit 42 Jahren Journalist, unterrichte seit Jahren junge Journalisten (unter anderem in journalistischer Ethik) und sage es nicht leichtfertig: Ich kann mich an keinen anderen Verleger erinnern, der sich rhetorisch so verbogen hat, um seine eigene Verantwortung für Vorgänge in der wichtigsten Redaktion seines Verlags wegzuschieben. Döpfner gilt gemeinhin als Meister des geschliffenen Worts. Deshalb kann es kein Zufall sein, dass er bei der Schilderung der Vorgänge um Julian Reichelt nicht ein einziges Mal „Ich“ sagt, sondern immer nur „Wir“. Döpfner räumt keinen einzigen persönlichen Fehler ein. Allenfalls ein „Hinterher ist man immer klüger“ lässt sich der Vorstandschef entlocken.
„Ein Dokument der völligen Empathielosigkeit und persönlichen Eitelkeit“
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