Eine Recherche des Investigativ-Formats STRG_F von NDR und Funk über Henri Nannen hat den Stern aufgescheucht. Im Film ist zu sehen: Der Gründer des Magazins hat während des Zweiten Weltkriegs antisemitische Propaganda für die Nazis gemacht. Das Medienecho zu den Erzeugnissen des „Unternehmen Südstern“ der SS und Nannens Führungsrolle darin ist groß. Stern-Chefredakteur Gregor Peter Schmitz hat inzwischen angekündigt, den Namen Henri Nannen bei Preisen, der Journalistenschule und dem Impressum zu überdenken.
Um zu verstehen, welche Brisanz die Enthüllung von STRG_F tatsächlich hat und wie glaubhaft die angekündigte Transparenz des Stern ist, hat Medieninsider mit Historiker Tim Tolsdorff gesprochen. Er kennt die Geschichte des Stern gut. 2014 hat er mit seiner Dissertation aufgedeckt, dass Henri Nannen – anders als es der Gründungsmythos besagt – das Magazin gar nicht erfunden hat.
Medieninsider: Was ist überhaupt neu an der Recherche von STRG_F über Nannens NS-Vergangenheit?
Tim Tolsdorff: Ich habe Respekt vor der Arbeit des Recherche-Teams, das sich tief in die Materie und die Quellen eingegraben hat. Was den Neuigkeitswert angeht, teile ich die Einordnung der Reporter nicht überall. Neu ist, dass die Drastik dieser Südstern-Flugblätter gezeigt wird. Das war bisher nicht so bekannt. Interessant und neu ist auch die Aufarbeitung der Rolle des Illustrators Heinz Fehling, der später auch für den Stern arbeitete. Anderes ist lange bekannt, zum Beispiel die drastischen Methoden der Kampfpropaganda und dass Nannen da verantwortlich mitgemacht hat. Trotzdem gilt: Er hat damals fraglos moralische Schuld auf sich geladen. Schließlich wurden gleichzeitig Millionen von Juden in NS-Konzentrationslagern ermordet.
Warum sieht sich der Stern ausgerechnet jetzt zu einer größeren Reaktion genötigt?
Mein Eindruck ist, dass sich der Handlungsdruck in Hamburg und auch in Köln durch die vielen Berichte der vergangenen Tage deutlich erhöht hat. Und: Am 22. Juni steht die Verleihung des Nannen-Preises an, erstmals unter dem Dach von RTL. Da ist jetzt eine kurzfristige Positionierung nötig.
Sollte der Stern den Namen Henri Nannen jetzt tatsächlich überall streichen?
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