Die Macher des Karla Magazin haben sich innerhalb weniger Wochen mehr als 100.000 Euro für neuen Lokaljournalismus organisiert. Im Interview teilen Anna Kulp, Nik Volz und Michael Lünstroth ihre Erfahrungen beim Crowdfunding. Sie berichten, wie sie sich auf die intensive Zeit vorbereitet haben, was gut funktioniert hat und was weniger.
Medieninsider: Es sah für einige Zeit so aus, als würdet ihr euer ambitioniertes Funding-Ziel nicht erreichen. Nach ein paar Tagen der Aufmerksamkeit ging es nur langsam voran. War euch das von Beginn an klar oder gab es zwischendurch auch mal ernsthafte Zweifel?
Anna: Bei mir gab es keine Momente des grundsätzlichen Zweifels. Wir hatten ja gute Gründe dafür, das Crowdfunding aufzusetzen. Aber natürlich haben wir uns gefragt, ob es klappen wird oder nicht. Dementsprechend gab es auch unruhige Momente, in denen wir uns darauf besinnen mussten, weshalb wir uns das Ziel von 80.000 Euro Funding-Summe gesetzt haben. Wir wurden darauf vorbereitet, dass es während der Phase ein Tal der Tränen geben wird. Wenn man es erreicht, muss man aufpassen, nicht in unüberlegten Aktionismus zu fallen. Uns hat es geholfen, dass wir unsere Kampagne von Beginn an geplant hatten.
Wann war dieses Tal der Tränen erreicht und wie groß war es?
Nik: Unser Crowdfunding war auf vier Wochen angelegt. Vier Wochen, in denen sich entscheidet, ob ein Projekt realisiert werden kann oder nicht, ist eine wahnsinnig kurze wie intensive Zeit. Der erste Buzz war nach fünf bis sechs Tagen vorbei. Die Zahlen gerieten ins Stocken und zwischenzeitlich hat es auch keinen Spaß mehr gemacht, das Dashboard zu aktualisieren. Ich denke, das ist ganz normal. Unser Funding hat die Besonderheit, dass wir sehr aufs Lokale konzentriert sind. Deshalb haben wir früh damit begonnen, vor Ort zu reagieren, um möglichst schnell wieder aus dem Tal herauszukommen. Innerhalb von vier Wochen zählt jeder Tag.
War der Verlauf so weit so normal? Oder war auch damit zu rechnen, dass so ein Projekt überhaupt erst gegen Ende Fahrt aufnimmt, weil Leute zunächst vorsichtig sind?
Nik: Wir hatten die Phase eigentlich genau so abstrahiert. Uns war wichtig, den ersten Moment nicht zu verpassen und die Leute direkt mitzunehmen. Deshalb begann unsere Kampagne auch vor dem Startschuss für das Crowdfunding. Es war wichtig, vorher Social-Media-Kanäle aufzubauen, um nicht bei null anzufangen. Insgesamt hat die Vorbereitung auf das Crowdfunding vier Monate in Anspruch genommen.
Was habt ihr unternommen, um die Flaute-Phase wieder zu beenden?
Nik: Wir haben auf analoges und digitales Marketing gesetzt. Im Digitalen haben wir unsere Kanäle nicht nur genutzt, um Reichweite aufzubauen, sondern auch gezielt Anzeigen geschaltet. So haben wir unseren Bekanntheitsgrad in der Stadt erhöht und Leute haben uns auch bei unseren Aktionen auf der Straße wahrgenommen. Im Verlauf der Kampagne haben wir eine Plakatkampagne gestartet. Das über vier Wochen zu strecken, wäre übrigens zu teuer geworden.
Das klingt alles nach geplanten Maßnahmen. Wann und wo war Flexibilität und zusätzliche Kreativität gefragt?
Michael: Als das Tal der Tränen erreicht war, haben wir uns natürlich gefragt, was wir zusätzlich machen können. Wir haben dann eine Besonderheit unserer Crowdfunding-Plattform stärker in den Fokus gerückt: Unser Funding wurde über die Plattform der Hertie-Stiftung abgewickelt, die den Erfolg nicht nur nach der Summe bemisst, sondern auch nach der Anzahl der Menschen, die teilgenommen haben. Bei besonders gutem Abschneiden spendete die Hertie-Stiftung zusätzlich ein Preisgeld. Wir haben festgestellt, dass sich viele Menschen für Karla interessierten, aber nicht gleich bereit waren, ein Jahresabo abzuschließen. Wir haben die Möglichkeiten zur Unterstützung daraufhin um Einzelspenden erweitert und sie mit einem konkreten Nutzen versehen – beispielsweise konnte man mit fünf Euro symbolisch einen Recherche-Kaffee spenden oder 20 Euro für das Budget für freie Autoren. Diese Form des Marketings war nicht geplant. So konnten wir die Zahl der Unterstützer:innen aber erhöhen, was uns wiederum im Crowdfunding-Wettbewerb der Hertie-Stiftung geholfen hat. Der erste Platz bekam immerhin 25.000 Euro, sodass uns netto auch 55.000 Euro an Spenden gereicht hätten.
Das Ziel habt ihr erreicht. Am Ende sind inklusive des Hertie-Zuschusses mehr als 100.000 Euro zusammengekommen. Wie viele Leute haben letztlich mitgemacht und wie viele davon sind jetzt Abonnenten?
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