News aus Bikini Bottom: Wie dieser Fisch in sozialen Netzwerken die Erfolgswelle reitet

Auf der Suche nach jungem Publikum experimentieren Publisher bei Instagram oder TikTok und setzen dafür teilweise eigene Formate auf. Zugleich begegnen ihnen auf den Videoplattformen neue Konkurrenten – wie der Nachrichtenfisch der Bikini Bottom News. Mit der Hommage an die Kultserie Spongebob Schwammkopf erzielen manche Accounts Millionenreichweiten.

Wer den Zugang zu jungen Altersgruppen sucht, um sie mit Nachrichten zu versorgen und an die eigene Marke zu binden, kommt an Plattformen wie Instagram oder TikTok nicht vorbei. Der Aufwand dafür ist allerdings beachtlich. Wer die sozialen Medien und ihre Funktionsweisen ernst nimmt, experimentiert mit eigenen Formaten, die sowohl Plattformlogiken als auch Interessen junger Nutzer bedienen. Dafür gibt es verschiedene Strategien: So fokussiert sich der WDR-Kanal nicetoknow auf TikTok nahezu monothematisch auf die Berichterstattung zu schulrelevanten Inhalten und überschreitet damit regelmäßig die Millionengrenze an Aufrufen. Funk, das ebenfalls dem öffentlich-rechtlichen Kosmos entstammt, arbeitet mit Frage-Formaten oder Dokumentationen. Auch die Tagesschau, die als traditionelle Nachrichtenmarke regelmäßig beachtliche Reichweitenerfolge erzielt, passt ihre Inhalte auf die Plattformen und jungen Zielgruppen an. Doch Erfolg bei Instagram und TikTok muss man sich leisten können und wollen. Regelmäßig stellen Publisher ihre Aktivitäten auf den Prüfstand – es ist eine Kosten-Nutzen-Frage.

Umso bemerkenswerter sind Beispiele, die vor Augen führen, dass Erfolg zwar Kreativität erfordert, aber auch ohne den Einsatz großer Budgets gelingen kann – wie Formate rund um einen Fisch zeigen. 

News-Fisch von Spongebob Schwammkopf lässt Fiktion und Realität verschwimmen

Dabei handelt es sich um eine Hommage an das Nachrichtenformat aus der Kultserie Spongebob Schwammkopf. Allerdings trägt der News-Anchor, ein in Anzug und Krawatte gekleideter Fisch, keine „Breaking News“ aus der Unterwasserwelt vor, sondern ganz reale Nachrichten.

Aus dem News-Fisch wächst ein ganzer Schwarm

Erstmals aufgefallen ist das Format im Zuge der Recherchen für unsere monatlichen TikTok-Charts, für die wir die erfolgreichsten Videos deutschsprachiger Publisher erheben. So kommt der Kanal @sprechenderfisch dort bereits auf 75.000 Follower und hat damit ein größeres Publikum als die Kanäle von Funke, Bunte oder RTL Exclusiv. Erfolgreich ist der Account mit Alltagsthemen wie Gesundheit oder Mobilität.

Bemerkenswert: Beim News-Fisch aus Bikini Bottom handelt es sich längst um einen Schwarm. Unterwegs ist er auch bei Instagram, wo offenbar der englischsprachige Account @realtalkingfish mit 1,3 Millionen Abonnenten der erfolgreichste ist. Für die Nachricht über den Tod einer Koch-Influencerin gab es 12,9 Millionen Views. Ebenfalls überraschend: Dieser Kanal existiert erst seit März 2023 und hat damit innerhalb eines Jahres mehr als eine Millionen Abonnenten generiert.

So wählt der deutschsprachige News-Account seine Inhalte aus

Wie bei TikTok ist ein deutschsprachiger News-Fisch auch bei Instagram zu finden. Dort zählt @Bikini Bottom News bereits mehr als 49.000 Follower. Inhalte, die Wellen schlagen: Die Kollision eines Autos innerhalb einer Waschstraße. Das bislang erfolgreichste Video erreichte über eine Millionen Views und generierte 60.000 Likes. Auch die Berichterstattung über Schimmelpilzsporen in Ketchup erzielte mehr als 630.000 Aufrufe und 21.000 Likes. Das Publikum: Laut Plattformstatistik sind ein Großteil der Zuschauer zwischen 18 und 34 Jahre alt, 82,1 Prozent sind Männer. Auch dieser Account existiert erst seit September 2023.

Gegenüber Medieninsider hat der Betreiber des Accounts ein paar Fragen beantwortet. Erreichen konnten wir ihn nur über Direktnachrichten bei Instagram. Die Idee, sagt er, sei zufällig bei einem Gespräch mit einem Freund entstanden. „Wir haben uns über die früheren Zeiten unterhalten, welche Kinderserien wir gerne geguckt haben und fanden diesen Nachrichtenfisch ziemlich witzig.“ Mit dem „Nostalgie-Faktor“ begründet er auch den Erfolg. „Die Serie kennt fast jeder aus seiner Kindheit, gleichzeitig spricht sie auch heute die jüngere Generation an.“ Dadurch eigne sie sich, schreibt er weiter, das Format mit Themen wie Nachrichten und Politik zu verknüpfen.

Wer sich tatsächlich hinter dem Account verbirgt, möchte der Betreiber nicht verraten. Gleichzeitig stellt er klar: Die deutschsprachigen Konten bei Instagram und TikTok seien nicht miteinander verbunden, werden also offenbar von unterschiedlichen Personen betrieben. Das ist auch deshalb schlüssig, weil es zahlreiche weitere Accounts gibt.

Seit dem Jahreswechsel hat das Konto im Schnitt drei Videos pro Woche veröffentlicht. Dabei setzt der Account auf die Vorleistung anderer Redaktionen. Auf Nachfrage, wie die Kuratierung und Anpassung der Nachrichten im Detail aussieht, antwortet der Fisch-Account: „Die Quellen stammen aus den gängigsten Nachrichtensendern, die mir direkt bei Google angezeigt werden. Die Texte werden von dort herausgeschrieben, zusammengetragen und verändert. Die Artikel wähle ich aus, indem ich sie mir durchlese und dann entscheide, ob sie spannend sind und bei meinem Publikum gut ankommen würden.” Zum Konzept gehört auch die möglichst simple Bebilderung. Bildsprache spielt bei den Bikini Bottom News eine untergeordnete Rolle.

Was gut bei Algorithmus und Publikum wirkt, ist jedoch nicht automatisch journalistisch einwandfrei. Quellenangaben oder weiterführende Informationen gibt es keine. Damit bleibt nur schwer nachvollziehbar, woher die Informationen stammen und ob sie richtig wiedergegeben worden sind.

In Zeiten von Fake News ist der Umgang mit unverifizierten Nachrichtenquellen mit besonderer Vorsicht zu genießen. Trotzdem können die News aus Bikini Bottom eine Inspiration sein für jene, die nach neuen Wegen suchen, junges Publikum an Nachrichten heranzuführen. Die nostalgische und unterhaltsame Art der Präsentation kann auch ein Mittel gegen die so genannte Nachrichtenmüdigkeit sein, die der jüngste Digital News Report des Reuters Instituts dokumentiert hat.

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Simon analysiert Internet-Phänomene und ist immer auf der Suche nach neuen, medialen Trends – vor allem auf Bewegtbild-Plattformen. Mit Linguistik- und Data-Science-Studium im Gepäck ist er entweder in der Analyse-Abteilung bei RTL und WDR zu finden oder schreibt Texte im Bereich Daten-Journalismus.

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