Hallo Medieninsider!
Was dich in dieser Woche im Lese-Letter erwartet:
► Produktchef Johannes Hauner erklärt die Paid-Strategie der Süddeutschen Zeitung
► Kolumnist Dietmar Schantin erklärt, dass Erfolg im Paid Content nicht nur eine Frage der Preisstrategie, sondern auch der Arbeitskultur ist
► Innovationsexpertin Anita Zielina erklärt, weshalb die Zukunft des Journalismus die Produktentwicklung ist
► Huawei baut Redaktion in Berlin auf, das Handelsblatt baut Stellen ab
► Axios steht vor der Profitabilität, Quartz vor dem Verkauf
Es hat schon etwas Zynisches, dass Journalismus immer dann profitiert, wenn es gesellschaftlich brenzlig wird. In den USA hat es Donald Trump gebraucht, um das Digitalgeschäft der New York Times anzuheizen, in Deutschland stieg mit Ausbreitung der Pandemie zur Mitte des Jahres nicht nur die Sorge um Wirtschaft und Gesellschaft, sondern auch die digitalen Auflagenzahlen der Medien, wie wir bereits in unserem INSIGHT festgehalten haben.
In Zeiten der Unsicherheit sind valide Informationen ein begehrtes Gut.
Für Medien ist es aber auch eine Zeit der Extreme, wie in den vergangenen Monaten auch die Süddeutsche Zeitung zu spüren bekommen hat. Auch sie muss weiter sparen, was den Verlust von Arbeitsplätzen bedeutet. Gleichzeitig erfreut sie sich wachsender Beliebtheit, was an den 150.000 Digital-Abonnements deutlich wird, die der Verlag für August verkündete – eine Verdopplung im Vergleich zum Vorjahr.
Das steigende Informationsbedürfnis und die Zahlungsbereitschaft helfen dem Journalismus zwar noch nicht über die allgemein wirtschaftliche Krise hinweg. Sie stimmen aber optimistisch, wie SZ-Produktchef Johannes Hauner deutlich macht. Im Interview mit Medieninsider sagt er:
„Wir haben zum ersten Mal deutlich gesehen, dass Paid Content funktioniert, und zwar in dem Selbstverständnis, wie wir es uns lange gewünscht haben.“
Er glaubt daran, dass die steigende Zahlungsbereitschaft durch die Pandemie keine vorübergehende ist:
„Auch bei Donald Trump und der New York Times war es nicht einfach ein kurzfristiger Nachfrageschub, sondern einer, der nachhaltig für Veränderungen gesorgt hat. Paid Content braucht diese Transformationsmomente.“
Johannes Hauner hat sich mit mir ausführlich darüber unterhalten, wie die SZ auf die Pandemie reagiert hat, um die steigende Nachfrage für sich zu nutzen. Er sagt auch, wie der Corona-Boost in den vergangenen Monaten in der Spitze in Zahlen aussah. Er erklärt, welche weiteren strategischen Änderungen aus seiner Sicht dazu geführt haben, dass sich die Zahlen innerhalb eines Jahres verdoppelt haben, und geht auch darauf ein, wieso sich die SZ im Vergleich zum Wettbewerb deutlich günstiger verkauft.
Weitere Details zur Strategie der Süddeutschen Zeitung und des Produktteams von Johannes Hauner kannst du als Medieninsider hier nachlesen.
Fünf wichtige Voraussetzungen für Erfolg im digitalen Abogeschäft
Der Aufbau eines digitalen Abogeschäfts ist keine reine Frage der Preisstruktur, sondern auch der Arbeitskultur. Dass diese sich radikal ändern muss, davon ist Dietmar Schantin überzeugt.
Der Transformationsexperte hat in seiner aktuellen Kolumne fünf wichtige Voraussetzungen für Erfolg im digitalen Abogeschäft zusammengestellt.
Seine Fragen und Hinweise sind nicht immer angenehm. Sie sind es aber wert, mal durchdacht zu werden.
Interview: Weshalb es ein internationales Netzwerk für Produktmanager braucht
In dieser Woche hat eine neue Initiative meine Aufmerksamkeit erregt – die News Product Alliance. Ein 30-köpfiges Team aus Produkt-Expertinnen und Experten hat sich zum Ziel genommen, ein internationales Netzwerk für sich und ihre Kollegen aufzubauen. Die Message auf ihrer Homepage:
„The Future of News is Product.“
Starker Satz, dachte ich mir. Liegt die Zukunft von News nicht erst einmal im Journalismus?
Das habe ich eine der Initiatoren der Alliance gefragt: Anita Zielina, die nach ihrer Karriere beim österreichischen Standard, stern und NZZ in die USA gewechselt ist und nun als Director of Strategic Initiatives an der Craig Newmark Graduate School of Journalism arbeitet. Ihre Antwort:
„Journalismus und Produkt hängen sehr eng zusammen. In den vergangenen Jahren ist klar geworden, dass sich Qualitätsjournalismus besser verkauft, wenn man sich Gedanken darüber macht, in welcher Form man ihn erzählen will.“
Die Alliance will einen Ort schaffen, an dem sich das Berufsbild der Produktentwicklung selbst entwickeln kann, denn:
„In vielen Organisationen arbeitet oftmals nur ein einziger Produktmanager, dem der Austausch mit Kollegen fehlt.“
Welche konkreten Gedanken hinter der Alliance stecken, weshalb die Initiatoren sie selbst als „agiles Produkt“ verstehen und inwiefern Produktentwicklung sich auch mit ethischen Fragen auseinandersetzen muss, hat mit Anita Zielina im Interview erklärt. Als Medieninsider kannst du die vollständige Fassung hier nachlesen.
Mehr News & Entdeckungen aus der Woche
Huawei baut Redaktionsteam in Deutschland auf
Der Technologiekonzern und Smartphonehersteller Huawei baut offenbar eine Redaktion in Berlin auf. Laut einem Bericht der Welt am Sonntag kursiert derzeit eine Stellenausschreibung für die Position eines Chefredakteurs. Die Echtheit wurde der WamS vom chinesischen Unternehmen mit Nähe zur Staatsregierung Chinas bestätigt. Zu den Aufgaben gehören die „Strategie zur Erstellung von Inhalten“ sowie die Suche nach „qualitativ hochwertigen Content-Partnern“ und der Aufbau eines Redaktionsteams in Berlin.
Spotify macht Podcasts interaktiver
Der Streamingdienst Spotify arbeitet daran, Podcasts interaktiver zu gestalten. Dazu testet da Unternehmen die Funktion Polls, mit der Podcast-Hosts Umfragen in ihre Streams einbauen können. Nutzer sollen während des Hörens auf die Umfragen reagieren können. Ähnlich wie bei Instagram soll das Ergebnis der Umfrage direkt nach Teilnahme auch zu sehen sein. Podcaster können pro Folge aber nur eine Frage stellen – Anwendung findet der Tests bei den Podcasts The Rewatchables, Incredible Feats with Dan Cummins und Crime Countdown.
Personalabbau bei Handelsblatt Media Group
Die Handelsblatt Media Group plant nach Angaben von kress.de den Abbau von mindestens 60 Stellen – davon 30 in den Redaktionen von Handelsblatt und WirtschaftsWoche, 30 in anderen Abteilungen, so der Bericht, nach dem vor allem „nicht schreibende“ Positionen in Grafik oder Layout wegfallen sollen. Auch das Handelsblatt leidet unter der Coronakrise – vor allem das Eventgeschäft ist betroffen –, während das digitale Abogeschäft anzieht.
Axios strebt trotz Krise Profitabilität an
Axios, das von den Ex-Politico-Journalisten Jim VandeHei, Mike Allen und -Manager Roy Schwartz gegründete Unternehmen, das sich vor allem auf Newsletter konzentriert, ist mitten in der Wirtschaftskrise kurz davor, schwarze Zahlen zu schreiben. Das berichtet das Wall Street Journal unter Berufung auf mit Interna vertrauten Personen.
Ende 2020 könnte ein Umsatz von 58 Millionen US-Dollar (+30% ggü. Vorjahr) stehen, von denen die Hälfte aus dem Geschäft mit gesponserten Newslettern stammt. Statt stellen abzubauen will Axios sogar von 200 auf 225 Mitarbeiter wachsen, zudem will das Unternehmen ins lokale Newsletter-Geschäft expandieren. Möglich macht das auch eine Finanzierungsrunde Ende vergangenen Jahres in Höhe von 57 Millionen US-Dollar, die noch unangetastet sei, wie es heißt.
Lesetipp: Vergangenes Jahr traf das Handelsblatt VandeHei zum Interview und sprach mit ihm über die Axios-Strategie, eine mögliche Deutschland-Expansion und darüber, weshalb Axios keine Paywall einsetzen wird.
Quartz steht offenbar vor Verkauf
Quartz steht zwei Jahre nach der Übernahme des japanischen Medienunternehmens Uzabase offenbar erneut vor dem Verkauf, wie ebenfalls das Wall Street Journal berichtet. Dem Bericht zufolge gelingt es Uzabase nicht, das Quartz-Geschäft zu stabilisieren, hinzu kommen weitere negative Auswirkungen durch die Coronakrise. Im ersten Halbjahr 2020 brach der Umsatz von 11,6 Millionen US-Dollar auf 5 Millionen US-Dollar im Vergleich zum Vorjahr ein. Bereits 2019 ging der Jahresumsatz um 22 Prozent auf 27 Millionen US-Dollar zurück. Zuletzt hatte Quartz bereits 80 Stellen abgebaut.
Neues aus dem Personalticker
► Miriam Hollstein wechselt in die Funke Zentralredaktion
► Laura Teberl übernimmt Video-Team der SZ
► Björn Schumacher steigt bei Ströer auf
► Neue Geschäftsführung bei der Hamburger Morgenpost
► Neue Rolle: ze.tt-Vize Mark Heywinkel bleibt bei Zeit Online
Lesetipp
Dass Donald Trump nicht nur US-, sondern auch Social-Media-Präsident ist, ist keine Neuigkeit – dennoch sind folgende Beobachtungen beeindruckend wie auch besorgniserregend. Andreas Rickmann, Director Growth bei Bild, hat sie gemacht. Er hat Trumps Facebook-Aktivitäten der vergangenen sieben Tage (TV-Duell + Corona-Infektion) analysiert und festgestellt:
► Dass Trump in den vergangenen 7 Tagen 699 Posts mit 281 Videos abgesetzt hat. Reichweite: 450 Millionen Views. In den Wochen zuvor postete der Präsident etwa 30 mal am Tag.
► Am 30. September, Tag des TV-Duells mit Joe Biden, hat Trump 150 Videos gepostet. Reichweite: 112 Millionen Views, 15 Millionen davon stammten von Nicht-Trump-Followern.
► Sein Dankesvideo unmittelbar nach Bekanntwerden seiner Covid-Infektion ging noch viraler als seine 150 Videos am 30. September. 40,6 Millionen Views stammten von Nicht-Trump-Followern.
► Trump vs. Biden: Trump kam in sieben Tagen auf 30 Millionen Kommentare und mehr als 11 Millionen Shares. Biden auf 579.000 Kommentare und 419.000 Shares.
Weitere Beobachtungen Rickmanns und sein Fazit findest du in seinem Twitter-Thread.
Hab noch eine schöne Woche!
Viele Grüße sendet dir
Marvin