Reaktionen auf die Causa Süddeutsche Zeitung

Die Nachricht, dass Alexandra Föderl-Schmid vergangene Woche gesucht wurde, war ein Schreck, der noch immer anhält. Man kann nur erleichtert und froh darüber sein, dass sie gefunden wurde und hoffen, dass sie sich nun so schnell wie möglich erholen wird – in Ruhe und unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Das wünsche ich ihr als Chefredakteur von Medieninsider und Autor dieses Artikels, aber auch das ganze Team von Medieninsider. 

Die Suche nach der stellvertretenden Chefredakteurin der Süddeutschen Zeitung hat viele Reaktionen ausgelöst – von eiligen Medienberichten, die schlimmste Befürchtungen transportierten, bis hin zu gut wie auch schrecklich böse gemeinten Kommentaren in sozialen Netzwerken. Vor allem dort wurde auch über die Gründe des Verschwindens spekuliert und in weiten Teilen eine „Kampagne“ oder eine „Hetzjagd“ als Erklärung ausgemacht. Grund dafür waren Funde, die vergangene Woche vom selbsternannten „Plagiatsjäger“ Stefan Weber sukzessive hervorgeholt wurden. Webers Untersuchung wurde offenbar teilweise vom Portal Nius finanziert, das den „Plagiats-Skandal“ groß inszenierte.

Die Reaktionen waren auch deshalb bemerkenswert, „weil wir nichts wissen über die Umstände, die zum Handeln der SZ-Vizechefin führten“, wie Stefan Niggemeier am Wochenende im Übermedien-Newsletter formulierte, ohne die Art der Berichterstattung zu verharmlosen. „Es ist naheliegend, Zusammenhänge herzustellen, die von außen vielleicht offensichtlich erscheinen, aber daraus einen direkten Schuldvorwurf zu konstruieren, ist auch eine Grenzüberschreitung.“

Im Zusammenhang mit der Diskussion in den sozialen Netzwerken wie auch in einigen Medienberichten wurden in den vergangenen Tagen auch Recherchen von Medieninsider erwähnt, die wir Ende vergangenen Jahres veröffentlicht hatten. Dadurch sind wir automatisch nicht mehr der klassische Medienbeobachter, weshalb du am Ende dieses Artikels auch Hinweise auf Artikel in weiteren Medien findest. Weil auch du als unser Leser und Mitglied möglicherweise über die Nennung von Medieninsider in dem Zusammenhang gestolpert bist, wollen wir noch einmal auf unsere Arbeit eingehen. 

Keine „Plagiate“, kein „Skandal“, keine „Vorwürfe“ – aber eben die Frage nach Standards im Qualitätsjournalismus

Am 18. Dezember 2023 haben wir als Medienmagazin, das kontinuierlich die Entwicklungen in der Medienbranche beobachtet, über Auffälligkeiten in Artikeln der jüngeren Vergangenheit von Föderl-Schmid berichtet. Aufgrund von Textpassagen, die offenbar aus fremden Quellen übernommen worden waren, ging es dabei um die Frage nach journalistischen Standards bei der Süddeutschen Zeitung. Wir haben berichtet, wie wir es immer tun: ausführlich, auch kritisch, aber sachlich. Selbstverständlich bildeten wir Föderl-Schmids Erläuterungen auf unsere Fragen ebenso ab. Formulierungen wie „Plagiate“, „Vorwürfe“ oder einen „Skandal“, wie sie später in anderen Medien zu lesen waren, haben wir in unserem Bericht nicht nur bewusst ausgespart, wir haben uns anschließend auch klar davon distanziert. 

Fokus auf Führungsfragen und Unternehmenskultur 

Die Chefredaktion der SZ sah offenkundig davon ab, die Sache weiter zu verfolgen. Statt unsere Berichterstattung zum Anlass für eine breite Debatte über journalistische Standards zu nehmen, jazzten die Chefredaktion und weite Teile der Redaktion die Berichterstattung zu einem Angriff und einer „Verleumdung“ hoch – eine außergewöhnliche Reaktion. Für uns als Medienmagazin ging es deshalb bereits im vergangenen Jahr nicht mehr um die Frage nach handwerklichen Standards, sondern um ein völlig neues Thema: den Umgang der SZ-Chefredaktion mit Kritik und weiteren Fragen der Unternehmenskultur. Weil Medieninsider detailliert über eine interne Debatte berichtet hatte, ließ die Süddeutsche die Kommunikation ihrer Mitarbeiter durchleuchten. Die Aktion zielte darauf ab, Quellen aufzuspüren. Diesen Vorgang legten wir am 2. Februar offen, unmittelbar nachdem wir davon erfahren hatten. Das Vorgehen der SZ löste zahlreiche kritische Reaktionen von Medien und Verbänden aus. Auch für uns ist das ein eklatanter Missstand, den wir weiter thematisieren werden.

Debatten, die nun geführt werden müssen

Die Entwicklungen der jüngsten Tage, auch rund um die zwischenzeitliche Suche nach Alexandra Föderl-Schmid, werfen weitere Fragen auf, die Teil eines ohnehin offenen Debattenkataloges werden müssen:

► Wie reagieren Medienhäuser angemessen auf Kritik und stellen sicher, bei aufgeheizter Stimmung einen kühlen Kopf zu bewahren?

► Wie stärken sie ihre eigene Resilienz als Organisation, aber auch die ihrer Mitarbeiter?

►  Wie schaffen sie eine Kultur, in der Druck von oben nicht ungefiltert nach unten weitergegeben wird? 

► Welche (vertrauensvollen) Möglichkeiten können sie für Mitarbeiter schaffen, sodass sie bei Problemen und Missständen gar nicht erst den Weg nach außen suchen?

► Welche Methoden können Medienhäuser entwickeln, um Probleme am Kern aufzuarbeiten, anstatt nur ihre Symptome zu bekämpfen?

► Welche Möglichkeiten können Medienunternehmen schaffen, Standards und Qualität bei steigendem Druck zu sicherzustellen?

► Wie lernt jeder einzelne, nicht in voreiligen Aktionismus zu verfallen und vor allem bei anhaltenden Entwicklungen innezuhalten?

Beiträge und Analysen anderer Medien zur Causa SZ

Es sind in den vergangenen Tagen viele gute, differenzierte Beiträge und Analysen zu vielen der in diesem Artikel genannten Themen erschienen. Hier ist eine Auswahl:

►  Stefan Niggemeier schreibt bei Übermedien über die Fähigkeit des Innehaltens – vor allem bei zu wenigen Informationen (zum Artikel)

►  Christian Meier und Stefan Winterbauer rekapitulieren in ihrem Podcast Medien-Woche die Causa Süddeutsche und arbeiten differenziert die Rollen der Beteiligten heraus  (zum Podcast)

►  Barbara Tóth schreibt beim Falter über Lehren aus der Causa SZ – und mahnt unter anderem zu besserem Krisenmanagement in Redaktionen (zum Artikel)

Thomas Ribi schreibt zu den Plagiatsvorwürfen über einen „unverhältnismäßigen Sturm der Medien“ und beschreibt, welchen Anteil die Süddeutsche Zeitung daran trägt (zum Artikel)

Jan Fleischhauer stellt in seiner Focus-Kolumne den Umgang der SZ mit Kritik und das damit einhergehende Vorgehen gegen die eigenen Mitarbeiter in den Vordergrund (zum Artikel)

Daniel Moßbrucker beschreibt bei Netzpolitik, dass die Durchsuchung der Mitarbeiter-Kommunikation nicht so harmlos ist, wie die SZ darzustellen versucht (zum Artikel)

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Marvin Schadehttps://medieninsider.com
Marvin ist Co-Gründer und Founding Editor von Medieninsider und hat sich damit einen kleinen Traum erfüllt. Vor der Gründung war er mehrere Jahre für den Branchendienst Meedia in Hamburg und Berlin tätig, arbeitete kurz beim Focus Magazin und zuletzt für Gabor Steingarts Morning Briefing.

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