Umbau bei Bild: Wenn drei sich streiten, freut sich die Vierte 

„Eigentlich wollte sie dieses Jahr lernen, Drehbücher zu schreiben. Nun muss sie das Skript für die wichtigste Boulevardzeitung Europas neu schreiben.“ So begleitete gestern Pioneer-Chefredakteur Michael Bröcker die Berufung von Marion Horn als neue Vorsitzende Chefredakteurin von Bild. Man kann auch sagen: Horn spielt nun die Hauptrolle in einem Film, wie nur Axel-Springer-CEO Mathias Döpfner ihn schreiben kann. 

Die Nachricht am gestrigen Donnerstag hatte es in sich – und kam für so ziemlich alle überraschend. Im regulär angesetzten Allhands-Meeting hatten Mitarbeiter Informationen zum neuen Abfindungsprogramm erwartet, das Springer kürzlich ankündigte. Betriebsräte und Verlag hatten die Konditionen gerade mit ihren Unterschriften besiegelt. Man dachte, jetzt geht’s ans Eingemachte. Ging es auch, nur anders. 

Auf den Bildschirmen der Teams-Konferenz erschienen lediglich Geschäftsführer Claudius Senst und eine Frau, die viele zwar noch kannten, mit der aber niemand gerechnet hatte – Marion Horn. Senst stellte sie als ihre neue Chefin vor. Als erste Frau bei Bild, die den Titel Vorsitzende der Chefredaktion trägt. 

Die bisherige Chefredaktion wusste bis gestern Mittag von ihrem Schicksal: nichts. Würzbach hatte noch am Morgen die 10-Uhr-Konferenz geleitet. Drei Stunden später wurde sie gemeinsam mit ihren Chefredakteurskollegen zum Gespräch in die Vorstandsetage gerufen. Vorstand und Verlagsleitung informierten sie unmittelbar vor dem Allhands-Meeting, dass dieses ohne sie stattfinden würde – dass Bild nun ohne sie stattfinden würde. Es fielen keine großen Worte. Die Sache war in wenigen Minuten durch.

Vorstandschef Döpfner hat bei Bild neue Tatsachen geschaffen. Die Frage lautet nur: Warum? Und warum jetzt?

Auch wenn sie kurz waren, findet sich eine erste Antwort darauf in den Statements, die am Mittwoch verkündet wurden. In der Beschreibung Horns wurde deutlich, was man zuletzt vermisst hatte. Man lobte den „klaren Wertekompass“ der ehemaligen BamS-Chefin genauso wie die „journalistische Exzellenz, Führungsstärke und Leidenschaft für guten Boulevardjournalismus“. Im Allhands wie auch in seiner begleitenden Mail an die Mitarbeiter erklärte Geschäftsführer Senst zudem, Bild brauche „Klarheit und Verlässlichkeit in der Führung und Verantwortung“. Bei Boie, Strunz und Würzbach bedankte er sich hingegen „für ihren großartigen und langjährigen Einsatz“. Döpfners Worte fielen noch knapper aus: „Für ihren Einsatz und ihre Leistungen danke ich ihnen sehr.“ Der Vorstandsvorsitzende fand zum Abschied nicht einmal mehr ein paar nette Adjektive.

Überhaupt hat man sich keine Mühe mehr gegeben, der Sache ein gesichtswahrendes Ende zu verleihen. Springer hat nicht einmal Anstalten gemacht, der Personalrochade einen Spin zu verpassen. Niemand wird auf eine vermeintlich höhere Position befördert oder weggelobt. Die Abberufung der Chefredaktion kommt einer unehrenhaften Entlassung gleich. In der Redaktion fällt das besorgniserregend auf. Ein Mitglied: „Jetzt sind drei ehrbare Kollegen auf unwürdigste Weise geschasst worden, ohne dass eine Regelung für sie gefunden war. Die Führung des Hauses wirkt erratisch und lässt schon lange jede Empathie und Weitsicht vermissen.“ 

Das zeigt, dass das Verhältnis der Protagonisten ein gestörtes war. Beobachter aus dem Haus bestätigen das. Im Springer-Hochhaus ist man sich zuletzt nur noch mit Misstrauen begegnet. 

  • du sparst zwei Monatsbeiträge
  • sofortiger Zugriff auf alle unsere exklusiven Artikel und den wöchentlichen Lese-Letter
  • Teilnahme an allen digitalen Veranstaltungen sowie Zugriff auf Tickets für Vor-Ort-Netzwerk-Events
  • Rabatt auf weitere Medieninsider-Produkte
  • verlängert sich automatisch, monatlich kündbar
  • sofortiger Zugriff auf alle unsere exklusiven Artikel und den wöchentlichen Lese-Letter
  • Teilnahme an allen digitalen Veranstaltungen sowie Zugriff auf Tickets für Vor-Ort-Netzwerk-Events
  • Rabatt auf weitere Medieninsider-Produkte
  • Lade dein Konto mit 2 Credits zu 19 € auf, mit denen du neben diesem noch
    einen weiteren Artikel lesen kannst
  • keine automatische Verlängerung, keine Mitgliedschaft, keine Teilnahme an Medieninsider-Events
  • Erwirb für Mitarbeiter deines Unternehmens Lizenzen für eine rechtssichere Nutzung
  • Zentrale Verwaltung der Nutzer durch einen Admin
  • Eine Rechnung pro Jahr für alle Lizenzen zusammen

Diese Angebote berechtigen nicht zur Nutzung der Artikel in Pressespiegeln (o. Ä.).
Klicke hier zum Erwerb von passenden Nutzungslizenzen.

Wenn dir der Artikel gefällt, dann teile ihn in sozialen Netzwerken, aber nicht als PDF innerhalb deiner Organisation. Dafür ist eine Lizenz notwendig.

Mehr zum Thema

Was Gabor Steingarts umstrittener Bettelbrief verschweigt

0
Der Pioneer-Kapitän ist mit Hannah Arendt auf Irrfahrt. Axel Springer verkündet kurz vor Weihnachten Hiobsbotschaften. Der WDR zahlt den Münster-Tatort-Darstellern Hunderttausende. Das und mehr diese Woche im Lese-Letter.

„Premium-Gruppe“ baut Personal ab

0
Wie konkret Politico, Business Insider und Welt zusammenwachsen sollen, wissen Axel Springers Manager nach eigenen Angaben noch nicht. Was sie aber wissen: Es soll mit weniger Mitarbeitern geschehen. Das kündigt die Geschäftsführung in einer internen E-Mail an. Der Betriebsrat kritisiert die Pläne scharf.

Marion ruft an 

0
Will sich eine Bild-Kollegin etwas antun? In großer Sorge wendet sich eine Journalistin an Chefredakteurin Marion Horn. Was sie aus dem Gespräch schildert, passt so gar nicht zu Springers angeblichen Kulturwandel. Eine Recherche, die der Konzern gern verhindert hätte.
Marvin Schade
Marvin Schadehttps://medieninsider.com
Marvin ist Co-Gründer und Founding Editor von Medieninsider und hat sich damit einen kleinen Traum erfüllt. Vor der Gründung war er mehrere Jahre für den Branchendienst Meedia in Hamburg und Berlin tätig, arbeitete kurz beim Focus Magazin und zuletzt für Gabor Steingarts Morning Briefing.

DEINE MEINUNG IST GEFRAGT

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Hier Namen eintragen

WERBUNG

Wie Tidely Medienunternehmen hilft, die Finanzen im Überblick zu behalten

0
Tidely hilft kleinen und mittelgroßen Firmen dabei, einen Überblick über die Finanzdaten zu halten – und Pläne ständig anzupassen. Denn eine Liquiditätsplanung ist essentiell für jedes Unternehmen.