Medieninsider bekamen an diesem Wochenende eine der wichtigsten Mediennachrichten des Jahres mit großem Abstand zuerst zu lesen. Der Vorstand wird umfassend umgebaut. Stephanie Caspar wird ausscheiden, und ganz im Zeichen der Diversität rücken gleich zwei Frauen ins Top-Management nach.
► Von extern stößt im Mai Ulrike Handel, zuletzt CEO der Werbeagentur Dentsu, zur Führungsriege dazu.
► Intern befördert Axel Springer zum Juli Niddal Salah-Eldin, die erst im vergangenen Jahr die Leitung der FreeTech Academy übernommen hat.
Unternehmenskultur, Internationalisierung, Talentförderung – und die Sache mit den „Häuptlingen“ und „Indianern“
Während Handel das National-Media-Ressort (Bild, Welt) von Jan Bayer (geht in die USA) übernimmt, wird für Salah-Eldin ein neuer Posten geschaffen: Mit Talent & Culture sollen zwei wichtige Zukunftsthemen direkt von oben gesteuert werden.
Auf die neue Frau im Vorstand kommen mindestens fünf große wie zugleich notwendige Aufgaben zu:
► Vor allem das vergangene Jahr bei Bild hat gezeigt: Außendarstellung und Innenleben bei Axel Springer stehen nicht in Einklang miteinander. Besonders in den Redaktionen herrschen noch andere Umgangsformen und Ansichten als auf Konzernebene. Doch auch insgesamt gilt: Während sich die einen Progressivität wünschen, schieben andere Panik, von der ‘Wokeness’ übermannt zu werden.
► Hinzu kommt: Durch die Internationalisierung des Konzerns prallen weitere Kulturen aufeinander. Nirgends wurde das deutlicher als in der Debatte über die Essentials mit ihrem klaren Israel-Bekenntnis. Besonders in den ausländischen und nicht-publizistischen Sparten kommen politische Richtlinien nicht so gut an.
► Auch die Ausbildung bei Springer steckt in ihrer bislang größten Transformation. Journalismus und Tech sollen zusammenfinden. Erst im September hat Salah-Eldin Springers Kaderschmiede übernommen. Nun dürften Aufgaben noch einmal umverteilt werden. Die Organisation der Ausbildung darf nicht in Selbstorganisation enden.
► Ebenfalls eine Herausforderung: Classifieds- und Mediengeschäft verdienen Geld, während Ausbildung und Unternehmenskultur nicht unbedingt direkte Umsätze erzielen. In einem Unternehmen, das den Kulturwandel noch nicht gelernt und nach Rendite gierende Investoren hat, ist der Faktor nicht zu unterschätzen.
► In den USA wird investiert, in Deutschland wird kaum noch Geld locker gemacht, wenn nicht an anderen Stellen gespart wird. Hier die Stimmung zu wahren, fällt auch unter das Stichwort Unternehmenskultur. Zudem widerspricht die Erweiterung des Vorstands einem zentralen Satz von CEO Mathias Döpfner nach Bekanntwerden neuer Sparrunden 2019:
„Wir werden eher bei den Häuptlingen als bei den Indianern sparen.“
Salah-Eldin ist 36 Jahre alt, vor nicht allzu langer Zeit Mutter geworden, die erste schwarze Frau im Vorstand eines deutschen Medienkonzerns. Sie steht für Verjüngung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, übers Geschlecht hinausgehende Diversität. Kurzum: für Themen, bei denen (nicht nur) Springer großen Nachholbedarf hat.
Ihre größte Herausforderung wird sein, gegen Vorbehalte anzutreten – auch gegenüber ihrer eigenen Person. Unter Insidern und Konzernkennern hat die Personalie durchaus polarisiert. Das dürfte auch daran liegen: Salah-Eldin ist auf ihrem Weg in den Vorstand in den Express-Lift gestiegen, während andere auf den Paternoster gesetzt haben.
Für so manchen Geschmack hat sich die Managerin, die ihre Springer-Karriere 2014 als Social-Media-Managerin bei Welt begann und zügig strategische Rollen übernahm, für einen Vorstandsposten noch nicht verdient genug gemacht. Jenen, die sie überholt hat, wird die Managerin unter Beweis stellen müssen, keine politische Berufung gewesen zu sein. Man kann davon ausgehen, dass Salah-Eldin dafür bereits einen Plan hat. Und falls nicht, dass sie zügig einen haben wird. Denn nur so kommt man oben auch tatsächlich an.