Streit statt Schlichtung: Verlage und die „Presseähnlichkeit“ der ARD

2018 beteuerten Verlage und öffentlich-rechtliche Sender, sich auf einen fairen Umgang im Netz geeinigt zu haben. Doch fünf Jahre später ist die Verstimmung so groß wie nie. In der gesamten Republik streiten Verlage mit ARD-Anstalten über die Ausgestaltung öffentlich-rechtlicher Angebote im Netz – mit teils außergewöhnlichen Mitteln. Wer streitet mit wem, und worum geht’s? Medieninsider kennt die Streitfälle im Detail.

Das Hamburger Abendblatt und die Hamburger Morgenpost trennt normalerweise mehr voneinander, als sie vereint. Da ist auf der einen Seite die besonnene Abozeitung für das bürgerliche Klientel. Auf der anderen Seite die eher linke, laute Boulevardzeitung. Die eine gehörte über Jahrzehnte zum Verlagshaus Axel Springer und ist heute einer der wichtigsten Titel der Funke Mediengruppe. Die andere wechselte bereits mehrfach den Besitzer und liegt seit 2020 nicht mehr in den Händen eines großen Verlagshauses, sondern in denen des Unternehmers Arist von Harpe. Beide Zeitungen buhlen um die Aufmerksamkeit im selben Markt, man gönnt und schenkt sich nichts. Umso bemerkenswerter ist es, dass Abendblatt und Mopo sich nun zusammengeschlossen haben und gemeinsam mit Springers Hamburg-Ausgabe der Welt eine Allianz bilden. Es ist ein gemeinsamer Gegner, der sie vereint. Die Verlage fühlen sich vom Norddeutschen Rundfunk bedroht.

Die nie eingekehrte Harmonie 

Es geht um eine Sache, von der man dachte, dass sie längst aus der Welt geschaffen sei. Diesen Eindruck konnte man zumindest 2018 nach einer Pressekonferenz gewinnen, die es so in der Medienpolitik noch nie gegeben hatte. Verlage, öffentlich-rechtliche Anstalten und die für Medienpolitik verantwortlichen Bundesländer saßen dabei an einem Tisch – nicht sich gegenüber, sondern nebeneinander. Und sie verkündeten die Lösung in einer langwierigen Streitfrage – nämlich wie sich die Online-Angebote von ARD, ZDF und Deutschlandradio von denen der Pressehäuser unterscheiden müssen. Denn: Mit Aufkommen des Internets trafen privatwirtschaftlich organisierte Verlage und die beitragsfinanzierten Sender auf neuem Terrain plötzlich aufeinander.

Um den privaten Medien keine zu große Konkurrenz zu machen, vereinbarte man, dass öffentlich-rechtliche Webseiten im Grundsatz nicht presseähnlich sein dürfen. Heißt: Die Anstalten sollen sich auf Video und Audio konzentrieren, während das geschriebene Wort das Geschäft der Verlage ist. Nicht nur der damalige BDZV-Präsident und Springer-Chef Mathias Döpfner freute sich über einen „Befreiungsschlag“. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sprach sogar von einem „historischen Moment in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“. Das Newsportal RND der Madsack Mediengruppe schrieb: „ARD und ZDF im Netz an die Kette gelegt.“

Geblieben ist von der Freude wenig.

Die beschworene Harmonie scheint niemals so wirklich eingekehrt zu sein. Fünf Jahre nach der historischen Pressekonferenz scheint die Uneinigkeit zwischen Verlagen und öffentlich-rechtlichen Anstalten so groß wie nie. Von Nord bis Süd, von Ost bis West wird sich gezofft. Die Streitfälle betreffen nach Medieninsider-Recherchen inzwischen fünf Anstalten in insgesamt neun Bundesländern. Und dabei geht es nur um die ARD. 

Ärger über NDR-Angebote in gleich drei Bundesländern

Die Verleger sehen bei den ARD-Anstalten keine Abkehr der bisherigen Praxis, im Gegenteil. Mopo-Verleger Arist von Harpe spricht bei den Hamburg-Seiten des Norddeutschen Rundfunks von einer „textbasierten Nachrichtenseite“. Das macht er nicht nur an der Wortlastigkeit der Beiträge fest, sondern auch daran, dass der NDR seine Beiträge selbst als „meistgelesene Artikel“ bezeichnet. Auch an Livetickern wie zuletzt zum Besuch von King Charles III. in Hamburg stört sich von Harpe. An diesen Stellen habe der Text Vorrang, zumal es im Vorspann auch noch geheißen habe: „Zum Nachlesen: Hier gibt’s die Highlights des Besuchs.“

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Volker Nünning
Volker Nünning
Volker Nünning ist freiberuflich von Bonn aus als Medienjournalist aktiv. Von 2005 bis Ende 2021 war er Redakteur der eingestellten Fachzeitschrift „Medienkorrespondenz“. Seine Themen: Öffentlich-rechtlicher und privater Rundfunk, Medienpolitik sowie Medienaufsicht.

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