Die Redaktion protestiert wie selten zuvor, sogar die Meinungschefin wirft hin: Die Welt am Sonntag veröffentlicht eine ausführliche Wahlempfehlung für die AfD von Elon Musk. Der Umgang der Führungsriege mit dem Gastbeitrag wirft Fragen nach der redaktionellen Integrität auf.
Streit über politische und wissenschaftliche Perspektiven in der Corona-Berichterstattung, Shitstorms wegen fragwürdiger Expertenmeinungen zum Thema Transgender, immer wieder polarisierende Kolumnenbeiträge oder TV-Duelle mit Populisten: Bei der Welt ist man viele Kontroversen gewohnt. Und wer trotz zahlreicher Aufreger der vergangenen Jahre geblieben ist, ist hart im Nehmen geworden. Doch immer dann, wenn neue Grenzen ausgelotet wurden, scheint die Überschreitung dieser bereits in Planung. So und so ähnlich beschreiben Redakteure im Gespräch mit Medieninsider, was sie dieser Tage wieder in ihrer Redaktion erleben. Pünktlich zu Weihnachten brannte der Baum. Der Grund: wieder ein Gastbeitrag, dieses Mal geschrieben von einem der einflussreichsten Menschen der Welt.
An diesem Wochenende veröffentlicht die Welt am Sonntag einen Artikel von Elon Musk, dem CEO von Tesla, Eigentümer von X (vormals Twitter), Unterstützer von Donald Trump und Berater des zukünftigen US-Präsidenten. Sein Thema: Warum nur die AfD Deutschland retten kann. Bei dem Text handelt es sich um Ausführungen zu einem Tweet, mit dem er im Dezember für Schlagzeilen gesorgt hatte.
Only AfD can save Germany https://t.co/8TNZVEZGh5
— Elon Musk (@elonmusk) December 22, 2024
Es ist ein Beitrag, von dem viele in der Redaktion bis zuletzt gehofft hatten, dass er nach tagelangen Diskussionen in hitzigen Konferenzen und Krisentreffen zwischen Chefredaktion und Redaktionsvertretern doch nicht erscheinen würde. Denn für viele ist ein Punkt erreicht, an dem nicht nur Grenzen überschritten werden, sondern an dem sowohl journalistische Prinzipien als auch Werte von Unternehmensgründer Axel Springer verraten werden.
Wie außergewöhnlich die Kritik ausfällt, wird in einem Schreiben deutlich, das Medieninsider vorliegt. Verfasst hat es der Redaktionsausschuss, der sich im vergangenen Jahr gegründet hatte, um für die redaktionelle Unabhängigkeit der Welt einzutreten. Das Gremium war eine Reaktion auf die geleakten SMS von Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner, der mithilfe des Schwesterblatts Bild die FDP stärken wollte.
Redaktion warnte vor „als Gastbeitrag getarnte Wahlwerbung“ für die AfD und geht auf Distanz
In dem Schreiben übt der Ausschuss Kritik an der Chefredaktion, positioniert sich stellvertretend für die Redaktionsmitglieder und fasst vor einer finalen Redaktionskonferenz am Freitagvormittag noch einmal die über die Weihnachtsfeiertage geführten Diskussionen zusammen.
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