Noch eine Top-Führungskraft verlässt Bild

Dein-Lese-Letter #36/20

Hallo Medieninsider!

Im Lese-Letter dieser Woche erwarten dich folgende Themen:

► Ein Abo ist schnell abgeschlossen – dafür nicht so einfach gekündigt. Medieninsider hat den Test gemacht
► Eine weitere Top-Führungskraft verlässt Bild
► Details zum „Nationalen Gesundheitsportal“ von Jens Spahn
► Clara Vuillemin von Republik.ch über den Aufbau eines journalistischen Start-ups


Als ich vor ein paar Jahren mal zu Besuch bei einem Streaminganbieter war, konnte ich meinen Augen kaum trauen. Nachdem mir der Produktverantwortliche über eine Stunde die Vorzüge seines Angebots erklärt und mir vom tollen Nutzererlebnis vorgeschwärmt hatte, kamen wir bei der Verabschiedung an einem Whiteboard mit Projektplanung vorbei. Oben auf der Agenda stand: Kündigung erschweren. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Anbieter die Kündigung mit nur wenigen Klicks im Nutzerprofil ermöglicht. Er erklärte sich: Es liefe natürlich alles prima, an der Abbruchrate wolle man dennoch weiter schrauben. Nunja. Den besagten Streamingservice gibt es heute nicht mehr, andere hingegen schon. Womöglich liegt das am Programm. 

Während viele Medienanbieter unentwegt daran arbeiten, den digitalen Abschluss eines Abos möglichst einfach zu gestalten, sieht es am anderen Ende der User Journey noch anders aus. Oft liegen die Hürden hoch, um Kunden womöglich doch noch von der Kündigung abzuhalten – oder um noch einmal den persönlichen Kontakt pflegen zu können, wie eine Erklärung gegenüber meinem Kollegen Levin Kubeth lautet.  

Er hat für Medieninsider zehn Abonnements gekündigt und beschrieben, was er dabei erlebt hat. In seinem Beitrag erfährst du auch, wie Nutzerfreundlichkeit und Publisherinteressen doch noch zusammengehen können. Den Artikel kannst du als Medieninsider hier nachlesen


Mehr News aus der Woche

Auch Sissi Benner verlässt Bild

Als Axel Springer vergangenes Jahr Sparmaßnahmen verkündete, erklärte Konzernchef Mathias Döpfner:

„Wir werden eher bei den Häuptlingen als bei den Indianern sparen. Wir verschlanken die Hierarchien.“

Nun verlässt mit Sissi Benner eine weitere wichtige Führungskraft Bild. Wie das Unternehmen nach Anfrage von Medieninsider per Pressemitteilung verkündete, wird sich die bisherige stellvertretende Chefredakteurin, in der Führungsriege verantwortlich für Unterhaltung und die Letzte Seite, zukünftig anderen Aufgaben widmen. Heute Vormittag hat sie ihr Ausscheiden intern verkündet. Reichelt, der sich in der Mitteilung mit lobenden und zugleich bedauernden Worten zitieren lässt, war nicht dabei. Benners Aufgaben übernehmen soll fortan kommissarisch Janina Kirsch

Benner steht in einer Reihe prominenter Abgänge von langjährigen Bild-Mitarbeitern. Vor zwei Wochen wurde der Wechsel der langjährigen Fotochefin Silke Brüggemeier zur dpa bekannt. Ende April ging Christian Stenzel, als Chief of Staff auch Stellvertreter des Chefredakteurs. Stenzel war 17 Jahre lang bei Bild. Im Januar wurde auch der Abgang von Martin Heidemanns bekannt. Der Co-Autor des Buchs Die Wulff-Affäre leitete zuletzt seit 2007 den investigativen Reporterpool. Im Oktober 2019 ging Politik-Chef Nikolaus Blome, ebenfalls Mitglied der Chefredaktion. Mit Unterbrechung war er 20 Jahre lang bei Bild.

Details zum „Nationalen Gesundheitsportal“ von Jens Spahn

Am Dienstag ging das Nationale Gesundheitsportal der Bundesregierung online. Mit der Plattform will das Bundesgesundheitsministerium Falschinformationen und Verschwörungstheorien etwas entgegensetzen. Jens Spahns Ansage:

„Wer Gesundheit googelt, soll künftig zuerst bei uns landen.“ 

Damit tritt die Bundesregierung auch in den Wettbewerb mit privatwirtschaftlichen Medienanbietern. Medieninsider hat das Gesundheitsministerium um Auskunft nach den Ressourcen für das neue Informationsangebot gefragt – und Antworten erhalten. Wie die redaktionelle Zusammensetzung aussieht, welche Agentur das Projekt im Auftrag des Staates umsetzt und wie viel Budget das Ministerium für den Betrieb einplant, kannst du als Medieninsider hier nachlesen.

Umfrage: So ist das Nutzungsverhalten bei Podcasts

Gemischtes Hack ist nicht nur bei Spotify, sondern auch allgemein der meistgehörte Podcast in Deutschland. Das ergibt eine Pilotstudie der Unternehmensberatung Goldmedia, die rund 10.000 Menschen online nach ihrem Podcastkonsum befragt hat. Davon waren rund 2.200 aktive Podcast-Hörer.

Demnach erreichte das Spotify-Exklusivformat im Juli 1,1 Millionen Hörer und damit mehr als Podcasts, die auch auf anderen Plattformen erreichbar sind. Auf Platz zwei des Rankings liegt das Coronavirus-Update des NDR mit Christian Drosten (1,04 Millionen Hörer), gefolgt von Fest & Flauschig (820.000 Hörer) sowie Zeit Verbrechen mit 680.000 Hörern. Schon ab Platz 8 sinken die Hörerzahlen unter 200.000.

Als beliebteste Plattform zum Hören von Podcasts gaben die Befragten Spotify an – mit 38,1 Prozent Marktanteil klar führend. 12,3 Prozent gaben an, Formate am liebsten via YouTube zu konsumieren, 9,8 Prozent nutzen die Podcast-App von Apple. 

Abgefragt wurde auch die Werbeakzeptanz: So gaben knapp 69 Prozent der Befragten an, Werbeformen etwas oder gar nicht störend zu finden. Am unbeliebtesten ist die Audiowerbung mitten im Podcast. 

Die Ergebnisse der Studie kannst du bei Goldmedia nachlesen.

Streit um Gesetzesänderung in Australien: Facebook droht Medien zu beschneiden

Der US-Konzern Facebook droht in Australien damit, keine Links auf Nachrichtenseiten mehr auf Facebook und Instagram zuzulassen, sollte die Regierung das geplante Gesetzesvorhaben verabschieden, das an ein Leistungsschutzrecht erinnert. Das Vorhaben würde der Beziehung mit dem Australischen Nachrichten- und Mediensektor schaden und nicht helfen, so Facebook.

Vor zwei Wochen hatte sich schon Google mit einem offenen Brief an die Australische Bevölkerung gewandt. Darin warnte der Konzern, dass das Vorhaben der Australischen Wettbewerbsbehörde (ACCC) die Suchergebnisse zugunsten von Medien verzerre und Nutzerdaten weitergegeben werden könnten.

Die Australische Regierung will mit einem verpflichteten Verhaltenskodex regeln, dass…
► … Google und Facebook mit News Publishern „in gutem Glauben“ Verträge über Zahlungen aushandeln – entweder individuell oder mit einer Gruppe an Medien. Gibt es kein Ergebnis, soll das ACCC die Vertragsinhalte festlegt.
► … dass die beiden Tech-Riesen den Medienunternehmen 28 Tage im Voraus über sie betreffende Algorithmenänderungen informieren.
► … den Medien klare Informationen über die Beschaffenheiten und Zugänge der von Google und Facebook gesammelten Daten an die Hand gegeben werden. Damit möchte die ACCC kleinen und lokalen Medien helfen, denen der Vorteil von Nutzerdaten möglicherweise nicht bewusst sein könnte.

Während Google eher die letzten beiden Punkte kritisiert, betont Facebook fast ausschließlich den ersten. Die Zahlungen würden den finanziellen Wert, den Facebook den Verlagen jetzt schon einbringe, ignorieren. Man habe bei Facebook außerdem gehofft, dass man Facebook News auch nach Australien bringen könne. Der australische Finanzminister Josh Frydenberg kritisierte Facebooks Verhalten: „Australien macht Gesetze, die unser nationales Interesse fördern. Wir reagieren nicht auf Nötigung oder hartnäckige Drohungen, wo immer sie auch herkommen.“

TikTok verrät erstmals Nutzerzahlen

Das Soziale Netzwerk Tiktok hat erstmals ausführlicher Nutzerzahlen genannt. In der Klage gegen die US-Regierung erwähnt das zur chinesischen Firma Bytedance gehörende Unternehmen, dass es im Juli weltweit über 689 Millionen monatlich aktive Nutzer hatte, davon knapp 92 Millionen in den USA. Das ist ein enormer Anstieg für Tiktok. Noch im Januar 2018 hatte die Plattform knapp 55 Millionen monatliche Nutzer weltweit. 

Mehr zu den Zahlen findest du im Twitter-Thread des Social-Media-Experten Martin Fehrensen.


Interview mit Clara Vuillemin

Aus Fehlern lernt man, heißt es immer so schön. Was in unserer Branche ab und an vergessen wird: Man lernt nur, wenn man über diese Fehler auch spricht. Clara Vuillemin hat das getan und teilt ihre Erfahrungen sogar mit anderen. 

Zum Start von Medieninsider habe ich mit der Co-Gründerin von Republik.ch über den Aufbau und die Entwicklung eines journalistischen (und rein leserfinanzierten) Start-ups gesprochen. Vuillemin spricht offen über Fehleinschätzungen, die zur existenzbedrohlichen Lage zu Beginn des Jahres beigetragen haben. Sie erklärt auch, was sie unternommen haben, um das Aus des Magazins abzuwenden und wie es gelungen ist, schließlich sogar kostendeckend zu werden. Trotzdem sagt sie:

„Es wird sicherlich noch einige Jahre so sein, dass die Existenzfrage noch nicht geklärt ist.“

„Wir kämpfen jeden Tag damit, ein gutes Onlinemagazin zu machen, und genauso mit uns selbst, weil sich gewisse Routinen noch nicht eingestellt haben.“

Eines der größten Probleme nach dem Start, sagt sie, war der eigene Anspruch. Das erfolgreiche Crowdfunding zu Beginn des Projekts habe den Druck aufs Team erhöht:

„Wir waren an vielen Stellen überfordert, auch damit, gleichzeitig alles neu denken zu wollen.“

Eines der wichtigsten Learnings daraus:

„Es muss und kann nicht gleich zu Beginn alles perfekt sein.“

Im Interview spricht Vuillemin auch über das Mitgliedschaftsmodell von Republik.ch, bei dem Mitgliedern zwar ein Regelpreis vorgeschlagen wird, sie ihn dennoch flexibel bestimmen dürfen. Sie sagt:

„Das System wird nicht ausgenutzt. Über 90 Prozent unserer Nutzer zahlen den regulären Preis oder sogar mehr.“

Im ausführlichen und offenen Interview erfährst du als Medieninsider mehr über das Geschäftsmodell von Republik.ch, Vuillemin erklärt auch, wie sie und ihr Team nun die Bekanntheit der Marke steigern wollen.

Hier geht es zum Interview.


Klicktipp

Vor einem Jahr hat Zeit Online mit Darüber spricht der Bundestag die parlamentarischen Reden seit 1949 grafisch analysierbar gemacht. Ein ähnliches Projekt hat nun auch das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) gestartet. Mit dem cOWIDplus Viewer will das IDS die sprachlichen Spuren der Coronakrise in deutschsprachigen Onlinemedien analysierbar machen. Dafür werden die RSS-Feeds von 13 deutschsprachigen Medien wöchentlich durchsucht, darunter die FAZ, der Spiegel und der österreichische Standard

Durch das IDS-Projekt lässt sich die Häufigkeit der Nennung von Begriffen in den Medien untersuchen. Beispiel: Wie oft wurden Begriffe wie Lockdown und Ausgangsbeschränkung erwähnt? Die Analyse zeigt:

Mit dem cOWIDplus Viewer lassen sich vermutete Trend nun empirisch festigen. Über das Suchfeld können beliebige Wörter – auch coronaunabhänige – verglichen werden. 

Hier findest du den cOWIDplus Viewer und hier einige Beispiele und weiteres zur Methodik

Hab noch eine schöne Woche! 
Viele Grüße senden dir 

Marvin und Levin aus der Medieninsider-Redaktion

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Marvin Schade
Marvin Schadehttps://medieninsider.com
Marvin ist Co-Gründer und Founding Editor von Medieninsider und hat sich damit einen kleinen Traum erfüllt. Vor der Gründung war er mehrere Jahre für den Branchendienst Meedia in Hamburg und Berlin tätig, arbeitete kurz beim Focus Magazin und zuletzt für Gabor Steingarts Morning Briefing.

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