Wem gehört Medien-Deutschland? Dieser Frage ist ein Rechercheteam der Global Media Registry und Medieninsider viele Monate nachgegangen. Nun wurden die Ergebnisse des Media Ownership Monitors Deutschland vorgestellt und mit einem hochkarätigem Panel diskutiert.
Nach rund dreißig Ländereditionen in aller Welt ist der Media Ownership Monitor jetzt auch dort verfügbar, wo es vor fast zehn Jahren seinen Ursprung hatte. Entwickelt wurde dieses Transparenzinstrument von der deutschen Sektion der internationalen Pressefreiheitsorganisation Reporter ohne Grenzen.
Ziel ist es, Medienbesitz weltweit öffentlich sichtbar und für die allgemeine Bevölkerung verständlich zu machen. Dazu zählen Informationen über die persönlichen, politischen und wirtschaftlichen Interessen der Eigentümer genauso wie eine Betrachtung der Medienkonzentration in jedem Land.
Bei der Vorstellung des Media Ownership Monitors für Deutschland am 11. September 2024 in der Telefónica Hauptstadtrepräsentanz wurde die Frage „Medienvielfalt in Deutschland – nur geträumt?” diskutiert. Die Teilnehmer des Panels:
► Dr. Eva Flecken, Direktorin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) und Vorsitzende der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) der Medienanstalten,
► Claus Grewenig, Vorstandsvorsitzender des Verbands Privater Medien (VAUNET) und Chief Corporate Affairs Officer, RTL Deutschland,
► Rudi Hoogvliet, Staatssekretär für Medienpolitik und Bevollmächtigter des Landes Baden-Württemberg beim Bund,
► Olaf Steenfadt, Gründer und Geschäftsführer Global Media Registry, die den Media Ownership Monitor international betreut.
Selbstwahrnehmung versus Fakten
Auch in Deutschland dokumentiert der MOM globale Trends wie länderspezifische Besonderheiten, die selbst einige Medienexperten überraschen dürften. So gibt es eine Reihe von Defiziten, was die Transparenz von Medienunternehmen, die gesetzlichen Rahmenbedingungen und die Medienvielfalt insgesamt angeht. Die Selbstwahrnehmung der Medienbranche beruht dabei oft auf Behauptungen, bei denen tatsächlich messbare Kriterien fehlen.
► So konnte zum Beispiel kein Beleg dafür gefunden werden, dass die föderale Struktur ein Garant des Medienpluralismus ist, auch wenn das oft als Argument angeführt wird. Tatsächlich sind weite Teile der Branche hochgradig konzentriert und dieser Trend scheint sich noch zu verschärfen.
► Eine weitere Besonderheit ist die Marktdominanz öffentlich-rechtlicher Medien, die weltweit ihresgleichen sucht.
Wem aber gehören ARD, ZDF und Deutschlandradio eigentlich, wie und von wem werden diese Eigentümerrechte wahrgenommen, und wie ist es um die Vielfalt innerhalb dieser massiven Säule des deutschen Mediensystems bestellt? Auch hier verzeichnet der MOM zwar vollmundige Bekenntnisse und selbstverständliche Annahmen, aber kaum verfügbare, gar nachprüfbare Daten.
Konzentration, kaum fassbar
Sowohl bei öffentlich-rechtlichen, wie auch kommerziellen Medien ist es übliche Praxis – in Deutschland und weltweit – Inhalte zu teilen und mehrfach zu verwerten. Das geschieht zunehmend über Redaktionsnetzwerke und Mantelprogramme, Wiederholungen und Programmaustausch. Eine besondere Rolle spielt hier aber auch die Deutsche Presse Agentur (dpa), eine Gemeinschaftseinrichtung aller relevanten Massenmedien.
Im MOM heißt es dazu:
„Was dpa als irrelevant einstuft, hat es schwer, Aufmerksamkeit zu erzielen. Die Agentur fungiert als Gatekeeper – und etliche Zeitungen produzieren aus Spar- oder Effizienzgründen tägliche Zeitungsseiten fast ausschließlich aus dpa-Material.”
Wie sich das auf den Medienpluralismus auswirkt, ist bisher kaum erfasst und schwer messbar.
Weitgehend unterschätzte Giganten der deutschen Medienlandschaft sind E-Mail-Portale wie t-online, GMX und Web.de, die es bei Reichweite und journalistischem Anspruch mittlerweile mit etablierten Redaktionen aufnehmen können.
Medien, Macht, Matriarchinnen
Der ‘Media Ownership Monitor’ beleuchtet darüber hinaus auch das unterschiedliche Verständnis von Transparenz großer Medienkonzerne, wenn es um die Rolle und Macht ihrer tatsächlichen Eigentümer geht. Besonders Betrachter aus dem Ausland mag zudem überraschen, dass hinter den meisten dieser großen deutschen Unternehmen jeweils (auch) eine Frau steht – und es sich in jedem dieser Fälle um ein Erbe handelt.
Der MOM bietet Dutzende ausführliche Profilseiten zu Medienmarken, den Firmen und Menschen dahinter. Darüber hinaus liefert er aber auch allgemeinverständliche Informationen zur Geschichte, Politik und Nutzung von Medien in Deutschland, die trotz digitaler Revolution noch immer stark von der Nachkriegsordnung der 1950er-Jahre geprägt sind – sei es bei der föderalen Regulierung, den Druck- und Verlagslizenzen der damaligen Zeit und dem öffentlich-rechtlichen System insgesamt.
Die Veröffentlichung des ‘Media Ownership Monitor’ Deutschland geschieht zeitgleich mit der Inkraftsetzung neuer europäischer Richtlinien, allen voran dem Medienfreiheitsgesetz (EMFA). Dieses enthält auch strengere Anforderungen an Mitgliedstaaten, Transparenz von Medienbesitz sicherzustellen und Vielfalt zu fördern.
Dafür ist jedoch ein Gesamtbild des Medienmarktes erforderlich und das scheitert nach wie vor, wenn Reichweiten der einzelnen Mediengattungen mit ganz unterschiedlichen Methodiken und Maßstäben – hier Einschaltquote, dort Auflage oder Klicks – abgebildet werden. Das ist zwar ein Problem überall auf der Welt, jedoch oftmals aufgrund mangelnder Ressourcen vermischt mit aus allerlei Gründen tolerierter Intransparenz. In Deutschland scheinen eher strukturelle Hemmnisse einen klareren Blick auf die Medienlandschaft zu verstellen.
Ein journalistisches Projekt als Ergänzung
Als Beitrag zur Medienkompetenz versteht sich der MOM als journalistisches Projekt und zivilgesellschaftliche Ergänzung der Arbeit von staatlichen und halbstaatlichen Akteuren, wie den zuständigen Aufsichtsbehörden. Er wird betrieben von Global Media Registry, einer gemeinnützigen Organisation, deren Ziel die Stärkung von Transparenz, Rechenschaftspflicht und Pluralismus im digitalen Informationsraum ist. Die deutsche Ausgabe hat das Team von Medieninsider, einem der wichtigsten Online-Fachmagazine über die deutsche Medienbranche, produziert. Sie wurde durch eine Spende der Deutschen Postcode Lotterie ermöglicht.
„Transparenz ist kein Selbstzweck, sondern unerlässlich, wenn es um das Vertrauen von Menschen in die Massenmedien geht. Wenn sich aber viele abkehren von etwas, das sie ‚Systempresse‘ nennen und behaupten, diese sei komplett von oben kontrolliert, dann ist das natürlich falsch, aber auch ein Riesenproblem. Unser MOM möchte deshalb eine einfach zugängliche und verständliche Informationsplattform anbieten,“ so Olaf Steenfadt, Geschäftsführer von Global Media Registry.
„Selbst uns als Medienfachdienst haben einige Erkenntnisse aus dem MOM überrascht, beispielsweise wie verschachtelt manche Beteiligungsstrukturen sind und dass wir auf der Suche nach den wirtschaftlich berechtigten Eigentümern der reichweitenstarken Medien immer wieder auf gleiche Personen oder Familien stoßen. Der MOM ist ein gutes Tool, um bei Konsumenten für eine bessere Medienkompetenz zu sorgen und wir sind stolz, als deutscher Partner für dieses international bedeutende Projekt ausgewählt worden zu sein,“ erklärt Matthias Bannert, Geschäftsführer von Medieninsider.
Die MOM Deutschland Seite ist ab sofort zweisprachig zugänglich unter: www.mediaownership.de