Wie lässt sich investigativer Journalismus nachhaltig finanzieren? Beim Recherchekollektiv Dossier aus Österreich hat man sich darüber sehr spät Gedanken gemacht. Erst vor etwa zwei Jahren haben die Journalisten, die bereits seit 2012 gemeinsam recherchieren, ein passendes Geschäftsmodell gefunden – mit der Gründung eines gedruckten Magazins.
Anfang des Jahres aber klaffte eine Finanzlücke auf, überraschend brach die Querfinanzierung durch einen externen Rechercheauftrag weg. Die Existenz war gefährdet.
Im Interview spricht Peter Sim, seit fast von Beginn an dabei, wie sich die Redaktion mit einem Hilferuf durch Crowdfunding über Wasser halten konnte und darüber, was das Team nun anders machen will.
Medieninsider: Herr Sim, Sie sind in Ihrer Redaktion der Fachmann für Datenjournalismus. Blick auf die eigenen Zahlen: Schafft es Dossier, seine bisherige Existenz zu sichern?
Peter Sim: Die schnelle, aber sehr positive Antwort ist: ja. Wir haben in den vergangenen Wochen ums Überleben gekämpft, weil uns im Januar eine wichtige Einnahmequelle weggefallen ist. Wir haben uns dazu entschieden, das unseren Nutzern zu kommunizieren und damit vor einer Woche begonnen. Das Ziel: Wir hatten auf 1000 neue Abo-Abschlüsse gehofft, die diese Finanzlücke wieder füllen sollten, sodass Dossier in bisheriger Form weiter existieren kann.
Sie haben das Ziel von insgesamt 3000 Abos innerhalb eines einzigen Tages erreicht, anschließend warben Sie um weitere 1000 Abos. Weshalb?
Wir waren von der Resonanz und dem schnellen Ergebnis überrascht. 3000 Mitgliedschaften sichern uns die Existenz, sodass wir unser nächstes Magazin machen können. Das heißt aber nicht, dass unsere Lage rosig ausschaut, weshalb wir unser Vorhaben mit 1000 weiteren Mitgliedern auf wirtschaftlich stabilere Beine stellen wollen.
Dossier ist mittlerweile neun Jahre alt. Wie genau ist Ihre finanzielle Schieflage plötzlich entstanden?
Als wir Dossier gegründet haben, gab es eine Idee, aber kein Geschäftsmodell, sogar im Gegenteil: Es gab mehr Vorstellungen darüber, wodurch Dossier nicht finanziert sein soll. In Österreich hängt beispielsweise viel an Werbeanzeigen von öffentlichen Institutionen, auch von privatwirtschaftlichen Anzeigen wollten wir nicht abhängig sein. Die österreichische Presseförderung ist schlecht konstruiert, war für uns also auch keine Option. Wir landen also schnell bei direkten Umsätzen aus der Leserschaft, die sich aber nicht von heut auf morgen aufbauen lassen. Wir haben unsere Recherchen also mit Seminaren in der Journalistenausbildung querfinanziert oder mit externen Rechercheaufträgen, beispielsweise für den Stern oder die BBC. Im Januar brach uns ein großer Auftrag weg. Zuletzt hatten wir regelmäßig den investigativen Teil der ORF-Sendung Gute Nacht Österreich geliefert. Die wurde im Januar abgesetzt, was uns in diese Schieflage gebracht hat.
Ist das ein Zeichen dafür, dass Sie das Geschäft aus Mitgliedschaften zu sehr vernachlässigt haben?
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