Wenn ein deutsches Unternehmen für die gelungene Transformationen vom traditionellen Mediengeschäft hin zum Digitalunternehmen steht, ist das Axel Springer, womit – seit einiger Zeit auch auch ganz offiziell – Mathias Döpfner gemeint ist. Auf der digitalen mediatech hub conference sprach Medienunternehmer und Noch-Tagesspiegel-Herausgeber Sebastian Turner mit dem Springer-CEO über die Transformation des großen europäischen Medienkonzerns und erklärte dabei sein Erfolgsrezept.
Einer der zentralen Sätze des Gesprächs über die Transformation eines Medienhauses fiel quasi im Nebensatz: „Ich kann die Priorität von Technologie beurteilen, die Probleme aber nicht selber lösen“, merkte Döpfner an. Er kommentierte damit die zwischenzeitlich ausgefallene Internetverbindung, sprach zugleich aber eines der Kernprobleme für ihn als Medienmanager (und Musikwissenschaftler) an, die er mit zahlreichen Medienhäusern teilen dürfte.
„Ein Journalist, der nicht weiß, was technologisch geht und den Entwickler nicht anhört und beteiligt, wird kein zukunftsfähiges Produkt entwickeln.“
Die Lösung: Die Kompetenzen von außen ins eigene Haus holen. Springer habe das früh getan, betonte der Manager, weshalb man eine „erhebliche Kulturlernerfahrung“ bereits hinter sich habe. Während Technologie und IT-Experten vor Beginn der Transformation als „unter ferner liefen“ galten, räume man ihnen heute eine größere Bedeutung und damit auch Anerkennung ein. „Während wir früher immer gesagt haben, der Journalistenclub trägt deshalb seinen Namen, weil die Journalisten, Autoren und Denker an der informellen Hierarchie des Hauses an der Spitze stehen, so ist unser Neubau gewisser Weise nicht ohne Grund zuerst von den Techies bezogen worden.“
Um Wandel herbeizuführen, reicht Symbolik nicht aus. Das weiß auch Döpfner. Mit Stephanie Caspar habe man das Thema direkt im Vorstand verankert, einen CTO direkt darunter aufgehängt, erklärt er. Mit der Gründung der Free Tech Academy, in der man die Ausbildung von Tech-Spezialisten und Journalisten „in engster Weise“ organisieren wolle, sei eine vierte Stufe in der Evolution zum Medien- und Technologieunternehmen gezündet worden.
Vom Verlag zum Technologie-Konzern in vier Schritten:
- Neuaufstellung des Unternehmens: Bei seiner Übernahme des Vorstandspostens sei Axel Springer ein Sanierungsfall gewesen, das Geschäftsmodell rein analog. „Technologie war etwas, das wir nur aus den Druckereien kannten.“
- Implementierung einer Digitalisierungs- und Internationalisierungsstrategie: „Wir hatten das nicht im Haus. Wir mussten uns die kritische Masse an Technologie-Know-how zukaufen und haben es im Wesentlichen in diesen dezentralen, zugekauften Unternehmen sich entwickeln lassen“, so Döpfner. Zäsur war hier wohl der Verkauf eines Großteils des Print-Portfolios von Axel Springer, der Kapital für Investitionen (u.a. Business Insider, eMarketer, Politico) frei machte.
- Zugekaufte Kompetenzen implementieren und organisch wachsen lassen: Symbolisch, so Döpfner, stehe dafür Upday, der international gewachsene News-Aggregator, den Axel Springer für Samsung entwickelt und umgesetzt hat. „Wir haben die Chance bekommen, genutzt und ausschließlich aus eigenen Ressourcen so hingestellt, dass Samsung gesagt hat: Ja, machen wir.“
- Weitere Aufwertung von Technologie und Entwickler-Kompetenz: Dabei setzt Springer nun auf den eigenen Ausbildungsapparat, aber auch die Einstellung „Hunderter Entwickler“. Dabei gehe es darum, Talente „in einer frühen Phase in jede Produktentwicklung“ einzubinden.
Dass sich Springer im Jahr 2020 in der Lage sieht, eigene Kompetenzen systematisch aufzubauen, liege daran, dass es bei um nachhaltige Synergien gegangen sei. „Es ist manchmal erschütternd, wie lange das dauert.“
Nicht erst seit vergangener Woche ist klar, dass Transformation Zeit braucht. Angesichts des Fortschritts der allgemeinen Digitalisierung gilt diese in der Medienbranche als knapp. Aufgeholt werden könnte noch, wenn nun „massive Aufwertung der Technologie“ und eine „Beschleunigung der Prozesse“ stattfinde, so Döpfner. Besonders in der Produktentwicklung gelte die Maxime „better done than perfect“, nachgebessert werden könne immer noch.
Döpfner sieht bei Subventionsdiskussion das letzte Wort noch nicht gesprochen
Neben der Zeit gilt in vielen Häusern auch das Geld als zu knapp. Vor allem die Vertriebsnetze für Printjournalismus produzieren Kosten und bedrohen die Wirtschaftlichkeit, betonen Verlage immer wieder. Diskutiert werden deshalb Subventionen. Etablierte Medienhäuser spekulierten hier vor allem auf staatliche Zuschüsse für das Vertriebsgeschäft. Entschieden hat man sich im Bundeswirtschaftsministerium allerdings für finanzielle Hilfen bei Digitalisierungsprojekten, was auch direkte Förderungen von Journalismus bedeutet. 220 Millionen Euro sollen dafür in den kommenden Jahren ausgeschüttet werden.
Diese Form der Förderung lehnt Döpfner ab: „Man bietet uns etwas an, nach dem wir nicht gefragt haben und das wir auch nicht brauchen.“ Geld für Innovationen würden die Verlage selbst aufbringen können. Der Staat solle gezielt dort eingreifen, wo aus wirtschaftlichen Gründen der Rückzug drohe. Das letzte Wort ist für Döpfner noch nicht gesprochen: „Wir versuchen die Politik davon zu überzeugen, von dieser digitalen Innovationsförderung Abstand zu nehmen und sich auf die Zustellung zu konzentrieren.“
Micro-Publishing: Wenn Döpfner noch mal 21 wäre…
Für Döpfner stellt sich damit automatisch nicht die Frage danach, ob bei der Innovationsförderung des Bundes neben etablierten Verlagen auch neue journalistische Projekte außerhalb der klassischen Industrie profitieren sollten (an vielen Stellen wurde das gefordert). Über die Entwicklungen gesprochen haben er und Turner trotzdem, vor allem über den Trend des Micro-Publishings, der zurzeit noch besonders in den USA zu beobachten ist.
Podcasting oder Newsletter-Tools ermöglichen Autoren und Journalisten durch einfachere Monetarisierungsmodelle oder direkte Nutzer-Umsätze eigene Geschäfte aufzubauen. Ob Döpfner, würde er heute in den Journalismus einsteigen, sich auch als Micro-Publisher versuchen würde? „Natürlich ist es für jeden kreativen Kopf eine riesige Verlockung, es einfach mal selbst zu versuchen. Wäre ich jetzt 21, würde ich es bestimmt auch probieren.“
Dass sich das Micro-Publishing in bestehenden Mediensystemen etabliert, steht für den Springer-CEO offenbar außer Frage. „Ich glaube, das hier ein Trend entsteht, der vollkommen unaufhaltsam und sehr attraktiv ist.“ Aber: „Ich glaube nicht an die komplette Spotifyisierung des journalistischen oder buchverlegerischen Inhalts.“ Für die Zukunft erwarte er eine gewisse „Bi-Poliarität“, einen Mix aus kleinen und großen Angeboten.
Eine mögliche Ablösung des bestehenden Verlegertums sieht er aber nicht. Verlage hätten weiterhin eine wichtige Funktion, beispielsweise: „Autoren zu fördern, sie durch Krisen durchzutragen oder ihnen Recherchemöglichkeiten zu geben, die eine Privatperson im Eigenverlag nicht leisten kann.“ Die Frage, ob die Entwicklung nicht auch stattfindet, weil Verlage diese Leistungen in Teilen eben nicht mehr erbringen, blieb leider aus.