Wer seinen Content an junge Zielgruppen ausspielen will, kommt an TikTok nicht vorbei. Für Publisher ist das klassische Plattform-Dilemma größer als üblich. Die Entscheidung für TikTok heißt, sich in Abhängigkeit einer Plattform mit chinesischem Hintergrund zu begeben. Hinzu kommt: Wirkliche Anreize, wie großzügige Förderprogramme, gibt es bei TikTok nicht. Dafür deuten Recherchen von Medieninsider auf die Möglichkeit hin, dass Mitarbeiter manuellen Einfluss auf Reichweiten nehmen können – was den Umgang mit der Plattform noch einmal schwieriger macht.
Wenn sich im Netz eine neue Plattform durchsetzt, stellt sich für Publisher früher oder später die Frage, ob und wie sie auf der Suche nach neuen (meist jungen) Zielgruppen dort stattfinden. Oft geht es dabei um das Wertvollste, das sie besitzen: ihren Content. Die Plattformen haben nämlich ein Ziel: das Internet möglichst zu zentralisieren, um Nutzer ebenso möglichst lange zu halten. Bei keiner Plattform ist die Frage nach dem Für oder Wider so umstritten wie derzeit bei TikTok.
TikTok ist die wohl mächtigste Social-Media-App der Stunde, weil ihr scheinbar etwas einfach gelingt, womit sich andere so schwer tun: Sie erreicht junge Menschen.
► Weltweit zählt TikTok nach eigenen Angaben eine Milliarde Nutzer und hat dafür nur halb so lange gebraucht wie Facebook. Im deutschen Markt sollen es rund 20 Millionen sein. Einschätzungen zufolge sind mehr als zwei Drittel der Nutzer jünger als 24 Jahre.
► Innerhalb dieser Zielgruppe dringt TikTok in bislang unangefochtene Domänen vor. Viele junge Leute tippen ihre Suchanfragen bei TikTok anstatt bei Google ein.
Wo viel Licht ist, da ist auch viel Schatten. So erfolgreich TikTok ist, so stark steht die Plattform auch in der Kritik. Nur einige Punkte:
► TikTok wird immer wieder Zensur vorgeworfen. So unterdrückt die Plattform laut Medienberichten pauschal Kommentare mit Stichworten zur sexuellen Orientierung. Im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine stand TikTok im Verdacht, russische Propaganda zu unterstützen.
► Der TikTok-Algorithmus fördere Abwärtsspiralen, konfrontiere anfällige Nutzer konsequent mit negativen Inhalten – von PainTok ist die Rede.
► Auch wenn der chinesische Konzern immer wieder die Eigenständigkeit der Plattform betont, wird eine Nähe zur Regierung befürchtet. In den USA steht auch ein Verbot der App zur Debatte.
Eine App, die einerseits den Bedürfnissen der jungen Generation entspricht, andererseits ein gestörtes Verhältnis zur Presse- und Meinungsfreiheit hat. Das Schema ist nicht neu, noch vor einigen Jahren fand man es auch bei den Plattformen des Facebook-Konzerns (heute Meta) vor, auch über Youtube wird regelmäßig heftig debattiert. Die Nähe TikToks zu einer (kommunistischen) Regierung macht das Dilemma für Publisher aber perfekt und hebt den Konflikt auf ein neues Level.
Wie viel Interesse hat TikTok an News-Inhalten?
Für Publisher ist der Umgang mit TikTok höchst problematisch. Die Plattform ist eine Black Box, ihre Kriterien und das Vorgehen beim Ausspielen von Content sind intransparent. Die Reichweiten sind volatil, es ist schwer nachvollziehbar, wann ein Inhalt viral geht und wann nicht. Hinzu kommt: Das Unternehmen legt offenbar keinen großen Wert auf nachrichtliche Inhalte, sie braucht sie eigentlich nicht.
TikTok gilt in erster Linie als Unterhaltungsplattform. Aktualität spielt auf der Plattform kaum eine Rolle, wie Amelie Weber von der Funke-Gruppe jüngst im Q&A bei Medieninsider unterstrich.
„Der Algorithmus spielt die Videos noch Wochen später aus.“
Die Prioritäten spiegeln sich auch in der Aufstellung des Partnership-Managements wider. News-Partnership-Manager wie bei Facebook oder Google sucht man bei TikTok vergebens. Dafür relevant: Entertainment, Lifestyle, Sports (inklusive Gaming) oder Fashion. Mit anderen Worten: Wenn Publisher attraktiv für die Plattform sind, heißen sie eher Voque oder Bunte.
Video-„Heating“: Die Frage nach dem manuellen Reichweitenpush für bestimmte Videos
Darüber hinaus setzt die Plattform für Publisher keine monetären Anreize. Die Aktion #LernenMitTikTok, die das Unternehmen 2020 startete, umfasste zwar auch Partnerschaften mit (News-)Publishern (zB. Spiegel TV oder Rheinische Post), zielte aber vielmehr auf die Creator Economy ab und wurde auch nicht verlängert. Der allgemeine Fonds, über den TikTok Creators vergütet, fällt in Relation gering aus. Um eine ordentliche Umsatzbeteiligung oder Lizenzmodelle zu fordern, fallen Publisher wieder zu wenig ins Gewicht.
TikTok schafft erst Anreize für Publisher, wenn sie sich für die Plattform entschieden haben. Allerdings nur in Form von Reichweite und das auf offenbar problematische Weise. Diesen Anschein erwecken Recherchen von Medieninsider über ein spezielles Content-Management-System.
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