Das sagt Julian Reichelt zum Job-Gerücht bei Servus TV

Über eine Nicht-Meldung und ihre Geschichte

Seit seinem Ausscheiden aus der Chefredaktion von Bild wird fleißig darüber gerätselt, wie es für Julian Reichelt beruflich weitergehen könnte. Eine der heißesten Spekulationen aus der Gerüchteküche: Er könnte beim umstrittenen Unternehmer Dietrich Mateschitz anheuern und den Nischensender Servus TV zu einem deutschsprachigen Fox News ausbauen. Nachdem der Investigativjournalist David Schraven das Gerücht per Twitter in die Welt setzte, äußert sich der Ex-Bild-Chef nun selbst dazu.

Es hat ein paar Wochen gedauert bis das am meisten im Berliner Springer-Hochhaus verbreitete Gerücht über die Zukunft von Julian Reichelt auch in Bottrop angekommen war. Von dort aus gelangte es am Dienstagabend an die Öffentlichkeit. David Schraven twitterte:

Der Tweet hat seine Brisanz. Der in Österreich beheimatete Sender gehört zur Red Bull Media Group, hinter der der Unternehmer Dietrich Mateschitz steht. Mateschitz, laut Forbes-Schätzungen 27 Milliarden US-Dollar schwer, besitzt über eine Reihe unterschiedlicher Medien, denen – wie auch ihm persönlich – immer mal wieder Rechtspopulismus vorgeworfen wurde. Dass Reichelt bei Mateschitz anheuern und für ihn ein „deutsches Fox News“ aufziehen könnte, macht seit einigen Wochen die Runde. Vor allem in der Redaktion von Bild wurde das Gerücht ordentlich hochgekocht, bevor es sich offensichtlich verselbstständigte.

Durch Schravens Tweet bekam die Spekulation nun einen seriösen Anschein. Schraven ist nicht nur Investigativjournalist, sondern auch Gründer des Recherchebüros Correctiv. Unter anderem spürt das stiftungsfinanzierte Projekt Fake-News für Facebook auf und entscheidet dabei auch über glaubwürdige und unglaubwürdige Informationsquellen.

Auch deshalb nehmen viele Twitter-Nutzer die mit einem Fragezeichen versehene Tatsachenbehauptung als seriös wahr. Das Ergebnis. Bis Mittwochnachmittag wurde der Tweet über 1000 mal mit „Gefällt mir“ markiert und mehr als 100 mal retweetet, auch von Journalisten wie der Falter-Chefredakteur Florian Klenk.


Berichte, Analysen, Wortlautprotokolle: Kein Medium war näher dran an den Vorgängen bei Axel Springer und dem Compliance-Verfahren rund um Julian Reichelt. Unsere gesamte Berichterstattung haben wir in der Akte Julian Reichelt gebündelt. Hier erfährst du mehr.


Für einige Medien war der Tweet Anlass genug für eine Berichterstattung. Am Mittwoch schickte die Österreichische Presse-Agentur APA eine Meldung über den Ticker, die so schließlich in zahlreichen Medien (u.a. ORF) landete. Auch Fachdienste wie Meedia, Werben und Verkaufen oder Die Presse waren sich nicht zu schade, das Gerücht für den schnellen Klick weiterzuverbreiten.

Zuvor hatte bereits die österreichische Tageszeitung Standard einen Artikel mit der Überschrift „Deutscher Faktenchecker twittert über Servus TV als möglichen Job für Ex-Bild-Chef Reichelt“ veröffentlicht. Sie reicherte den Text mit Nicht-Aussagen von Servus TV sowie Axel Springer an und fügte noch eigene Spekulationen hinzu („Infos sollen aus dem bisherigen Umfeld von Reichelt stammen.“)

Julian Reichelt dementiert Gerücht über Wechsel zu Servus TV – Einigung mit Springer

Tatsächlich hieß es aus dem Umfeld Reichelts bereits in den vergangenen Wochen, dass an dem Gerücht nichts dran sei, es nicht einmal Gespräche gegeben habe. Gerüchte werden als „Blödsinn“, „Quatsch“ oder auch „Bullshit“ bezeichnet. Und auch Reichelt dementiert nun offiziell.

Gegenüber Medieninsider teilt er mit:

„Ich kann bestätigen, dass ich nach Österreich gehe. Allerdings nur in den Ski-Urlaub.“

Wie Schraven auf die Idee kam, das Gerücht in die Öffentlichkeit zu tragen, hat er nicht offengelegt. Gegenüber Medieninsider teilte er am Dienstagabend telefonisch mit, dass man das eben so höre. Er antwortete, dass es sich bei seinem Tweet um keine Correctiv-Informationen handele und erklärte, jetzt auf dem Sofa zu liegen.

Während damit offenbleibt, wie Julian Reichelt seine berufliche Zukunft gestalten wird, sind zumindest an anderer Front klare Verhältnisse geschaffen worden. Nach Informationen von Medieninsider aus mehreren Quellen haben sich der geschasste Bild-Chef und Axel Springer vor einigen Wochen über die Aufhebung des Anstellungsverhältnisses geeinigt.

Eine offizielle Bestätigung gibt es dafür nicht. Springer teilte bereits am 23. November auf Nachfrage mit, sich zu vertraglichen Fragen nicht äußern zu wollen. Auch Reichelt lehnte eine Stellungnahme ab. Damit bleiben Details zu Abfindung und Wettbewerbsperre vorerst unklar.

Reichelt war am 18. Oktober als Chefredakteur von Bild abberufen worden. Als Grund gab der Vorstand an, von Reichelt belogen worden zu sein. Der Chefredakteur habe trotz Nachfragen die Verquickung von Privatem und Beruflichem dementiert. Gemeint war damit eine persönliche Beziehung zu einer Redakteurin von Bild.

Reichelts persönliche Beziehungen zu Mitarbeiterinnen waren erst im Frühling Bestandteil eines Compliance-Verfahrens, in dem ihm Machtmissbrauch vorgeworfen wurde. Danach kam der Vorstand zum Schluss, dass zwar Reichelt Fehler begangen habe, die eine Trennung aber nicht rechtfertigten.

Wenn dir der Artikel gefällt, dann teile ihn in sozialen Netzwerken, aber nicht als PDF innerhalb deiner Organisation. Dafür ist eine Lizenz notwendig.

Mehr zum Thema

Alexander Kissler (li.) und Tim Thorer (re.) gehen zu Nius von Julian Reichelt. Foto: Nius

Nius: Ex-Bild-Mann Tim Thorer wird Mitglied der Chefredaktion, Alexander Kissler kommt von der NZZ

0
Thorer übernimmt offenbar die Aufgaben von Sebastian Vorbach, der Julian Reichelts Portal im Sommer verlassen hat.
Lese-Letter Marvin Schade

Darum verkauft Axel Springer sein Classifiedsgeschäft

0
In dieser Woche befassen wir uns im Lese-Letter ausführlich mit der Aufspaltung des Axel-Springer-Konzerns und beleuchten die Entwicklungen aus unterschiedlichen Perspektiven.

Umbau in Aufsichtsrat und Vorstand: Mathias Döpfner ordnet sein Reich neu

0
Nach der Einigung mit KKR über die Aufspaltung des Medienkonzerns baut Axel Springer seine Führungsstruktur umfassend um. Nach Informationen von Medieninsider verlassen bis auf CEO Mathias Döpfner alle bisherigen Mitglieder den Vorstand. Auch der Aufsichtsrat und weitere wichtige Managerposten werden neu besetzt.
Marvin Schade
Marvin Schadehttps://medieninsider.com
Marvin ist Co-Gründer und Founding Editor von Medieninsider und hat sich damit einen kleinen Traum erfüllt. Vor der Gründung war er mehrere Jahre für den Branchendienst Meedia in Hamburg und Berlin tätig, arbeitete kurz beim Focus Magazin und zuletzt für Gabor Steingarts Morning Briefing.

1 ERGÄNZUNG

  1. Ich fürchte dieses Gerücht hat nur Servus TV unnötige Aufmerksamkeit gebracht. Spekulationen und Desinformationen scheinen bei Servus TV ja Geschäftsmodell zu sein, aber von einem Investigativjournalisten, der gegen Desinformation kämpft, hätte ich mehr erwartet.

DEINE MEINUNG IST GEFRAGT

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Hier Namen eintragen