Aufsicht auf Augenhöhe: RBB-Kontrolleure sollen mehr verdienen

Vorschlag des Rechnungshofs Brandenburg könnte Gremienaufsicht bei ARD und ZDF verändern

Der RBB-Skandal hat gezeigt: Die Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Anstalten werden ihren Aufgaben nicht mehr gerecht – und womöglich können sie es auch gar nicht. Während das Rundfunksystem immer größer und komplexer wird, sind die Kontrolleure noch so aufgestellt wie vor Jahren. Senderchefs, die Hunderttausende Euro pro Jahr verdienen und Milliarden bewegen, stehen Ehrenamtlern mit Aufwandsentschädigungen gegenüber. Nun fordert der Landesrechnungshof Brandenburg Änderungen, die zu einem Paradigmenwechsel in der Aufsicht über ARD und ZDF führen könnten.

Rund 27,5 Millionen Euro. So viel können die Intendanten von ARD, ZDF und Deutschlandradio ausgeben – pro Tag. Das ist der Durchschnitt des Gesamtetats des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der sich in diesem Jahr erstmals auf zehn Milliarden Euro belaufen wird. Der größte Teil stammt aus dem Rundfunkbeitrag. Hinzu kommen Einnahmen aus Werbung, Sponsoring, Merchandising oder Zinsen.

23 Euro. So viel bekommt der RBB-Verwaltungsratsvorsitzende im Schnitt pro Tag dafür, dass er die Arbeit der Intendantin und des Rests der Anstalt kontrolliert. Das sind umgerechnet 700 Euro im Monat. Der Vorsitzende ist damit der Spitzenverdiener unter den Kontrolleuren. Sein Stellvertreter erhält 500 Euro im Monat, alle anderen Mitglieder des Gremiums 400 Euro. Das Sitzungsgeld beträgt 75 Euro. Die Kontrolle der öffentlich-rechtlichen Anstalten ist kein Nebenjob, sondern ein Ehrenamt.

Im Jahr 2022 hat diese Art der ehrenamtlichen Kontrolle beim RBB versagt. Die Affäre um die ehemalige Intendantin Patricia Schlesinger und den damaligen Verwaltungsratsvorsitzenden Wolf-Dieter Wolf stürzte den Sender in eine schwere Krise. Eine ganze Reihe von Unregelmäßigkeiten und Merkwürdigkeiten in der damaligen Geschäftsführung kamen ebenso ans Licht wie Versäumnisse in den Kontrollgremien: Dass es etwa bei Rechnungen im Sender kein durchgängiges Vier-Augen-Prinzip gab. Oder dass Entscheidungen intransparent getroffen wurden, wie etwa die Einführung eines finanziellen Bonussystems für Führungskräfte. Wegen des Verdachts der Untreue und Vorteilsannahme ermittelt die Staatsanwaltschaft unter anderem gegen Schlesinger und Wolf. Beide bestreiten die Vorwürfe.

Die Grenzen der Gremien sind schnell erreicht

Dass die Situation so eskalieren konnte, liegt zum einen an den genannten Protagonisten. Der RBB-Skandal hat aber auch die Frage aufgeworfen, ob die Gremien ihren Kontrollaufgaben überhaupt gewachsen sind.

Durch die fortschreitende Digitalisierung werden die Aufgaben immer vielfältiger, die Entscheidungen immer komplexer. Während die Anstalten ihre Organisationsstrukturen reformieren und anpassen, ist die Struktur der Aufsichtsgremien seit Jahren nahezu unverändert.

Jede Anstalt hat zwei Gremien: einen Verwaltungsrat, der die Finanzen überwacht, und einen Rundfunkrat, der vor allem für die Programmaufsicht zuständig ist. Beim ZDF ist dies der Fernsehrat, beim Deutschlandradio der Hörfunkrat. In den Gremien, die vor allem das Programm kontrollieren, sitzen Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur und Kirche. Es geht gewissermaßen um ein Abbild einer pluralen Gesellschaft. 

Mit 30 Mitgliedern ist der Rundfunkrat des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) derzeit der kleinste. Fast zweieinhalbmal so groß ist der Rundfunkrat des Südwestrundfunks (SWR). Mit 74 Mitgliedern ist er das größte Aufsichtsgremium im öffentlich-rechtlichen Senderverbund.

Die Verwaltungsräte, die die wirtschaftliche Kontrolle ausüben, sind kleiner: Sie bestehen aus sieben bis 18 Personen, die überwiegend von den Rundfunkräten gewählt werden. Hier müssen die Mitglieder zumindest Fachkompetenz nachweisen, etwa betriebswirtschaftliche oder juristische Kenntnisse. Allerdings ist dies längst nicht bei allen Anstalten gesetzlich vorgeschrieben.

Paradigmenwechsel bei der Aufsicht über ARD und ZDF?

Der Fall Schlesinger zwingt die verantwortlichen Politiker in Berlin und Brandenburg zum Handeln. Eine Novellierung des RBB-Staatsvertrages wurde bereits angekündigt. Die neue Berliner Landesregierung aus CDU und SPD will laut Koalitionsvertrag die Aufsichtsgremien des RBB professionalisieren. Nicht nur in Berlin stehen Veränderungen an. Beide Länder müssen sich entscheiden, ob sie noch schärfere Regeln wollen, als sie im vierten Medienstaatsvertrag vereinbart wurden. Auf den haben sich alle 16 Bundesländer bereits geeinigt. Ab Anfang 2024 sollen einheitliche Regeln für die Aufsichtsgremien der Rundfunkanstalten gelten.

Die Gremien müssen dann „personell und strukturell in der Lage sein, die ihnen jeweils zugewiesenen Aufgaben umfassend zu erfüllen“. Die Mitglieder der Aufsichtsgremien müssen über „ausreichende Kenntnisse“ etwa in den Bereichen Wirtschaftsprüfung und Betriebswirtschaft verfügen. Regelmäßige Fortbildungen für Rundfunkrats- und Verwaltungsratsmitglieder werden ebenso vorgeschrieben wie eine angemessene personelle Ausstattung der Gremienbüros.

Schluss mit Ehrenamt: Rechnungshof will bessere Bezahlung für RBB-Kontrolleure

Klar ist: Es wird Geld kosten. Einen ersten Eindruck davon, wie viel das sein könnte, hat jetzt der Landesrechnungshof Brandenburg gegeben. Auch er fordert, die Aufsichtsstrukturen beim RBB deutlich zu verändern. In einem Prüfbericht vom 1. Juni, der Medieninsider vorliegt, heißt es: „Die komplexe Organisation des RBB, das zu überwachende Finanzvolumen und die Aufgaben des Verwaltungsrates erfordern eine fachlich kompetente Besetzung auf Augenhöhe mit der Geschäftsleitung“. Es gehe um „Qualifikation, Sorgfalt und zeitliche Ressourcen“. Die Mitgliedschaft im Verwaltungsrat sei kein Ehrenamt. Vielmehr handele es sich um ein Nebenamt, das „adäquat vergütet werden“ müsse. Und hier schlägt der Landesrechnungshof nun Erstaunliches vor.

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Volker Nünning
Volker Nünning
Volker Nünning ist freiberuflich von Bonn aus als Medienjournalist aktiv. Von 2005 bis Ende 2021 war er Redakteur der eingestellten Fachzeitschrift „Medienkorrespondenz“. Seine Themen: Öffentlich-rechtlicher und privater Rundfunk, Medienpolitik sowie Medienaufsicht.

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