Die Welt wird werktags dünner und streicht Samstagsausgabe

Ausgabe #28/21

Hallo Medieninsider!

Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche im Lese-Letter unter anderem erwartet:

► Watson hat weiterhin ein Problem, für das es keine Lösung gibt

► Warum Journalismus ohne Haltung undenkbar ist

► Einschnitte im Print: Wie die Welt zukünftig noch erscheint

► Welche Tools du als Journalist kennen, aber nicht nutzen solltest


Watson: Ein Problem, zwei Sichtweisen, keine Lösung

Kinga Rustler, Chefredakteurin Watson.de Foto: Hanna Klein / Montage: Medieninsider
Kinga Rustler, Chefredakteurin Watson.de Foto: Hanna Klein / Montage: Medieninsider

Das Portal Watson ist eine Ausnahmeerscheinung im Markt der Millennial-Medien. Anders als Bento vom Spiegel oder Noizz von Bild ist es noch da. Anders als Ze.tt von Zeit Online ist es noch eigenständig und anders als BuzzFeed gehört es noch dem, der es aufgebaut hat: dem Medienkonzern Ströer.

Der hat das Portal unter Führung von Chefredakteurin Kinga Rustler zu einem Reichweitenmedium mit News-Charakter ausgebaut. Im Februar hat Marvin über den Preis für das Wachstum berichtet: Unzufriedenheit innerhalb der Redaktion wegen des großen Arbeitsdrucks und eine hohe Fluktuation. Wie sieht es fünf Monate später aus? 

Gerade hat Chefredakteurin Kinga Rustler im Interview mit Meedia neue Strategien verkündet und erklärt, Reichweitenrekorde zu jagen – währenddessen fragt man sich in der Redaktion, wie es weitergehen soll. Die Probleme sind nämlich nicht beseitigt. Im Gegenteil:

Die Abgänge in der Watson-Redaktion reißen nicht ab, mittlerweile ist es auch an der Redaktionsspitze einsam geworden. Mit den Einstellungen kommt Watson nicht hinterher, die Redaktion arbeitet unterdessen am Limit. Marvin hat noch einmal nachgefasst. Wie es derzeit um die Stimmung bei Watson steht, kannst du als Medieninsider hier lesen


Directors‘ Club Mediathek:

► Arist von Harpe über seine Motive für den Kauf der Hamburger Morgenpost, Paid-Content-Pläne und neue Ideen für die Vermarktung. Zum Video und zur Zusammenfassung

► Katrin Gottschalk, Produktchefin und Vize-Chefredakteurin der taz, über Transformation und eine papierlose Zukunft. Zum Video und zur Zusammenfassung.

► Holger Stark, Investigativchef und Vize-Chefredakteur der Zeit über Pressefreiheit, investigative Recherche und die Rolle der Medien zur Bundestagswahl. Zum Video


Warum Journalismus ohne Haltung undenkbar ist

Neutralität, Haltung, Meinung: Auch wenn die Spielregeln eigentlich klar sind, sind die Übergänge im Spannungsfeld des Journalismus oft fließend. Wie viel Haltung und Meinung braucht der Journalismus und wie neutral kann er sein?

Die Fragen zu beantworten, ist für keine Redaktion leicht – und die Nutzerschaft alles andere als eine Hilfe, wie die jüngste Ausgabe des Digital News Report des Reuters Institutes noch einmal vor Augen geführt hat. In meiner aktuellen Kolumne setze ich mich mit dem Dilemma der Medien auseinander und beschreibe, weshalb Haltung nicht wegzudenken ist. Den Artikel kannst du als Medieninsider hier lesen.



Mehr News & Entdeckungen aus der Woche

zusammengetragen von Florian Boldt

Welt reduziert täglichen Umfang und streicht Samstagsausgabe

Axel Springer strukturiert die Print-Erzeugnisse der Welt-Gruppe um: Die täglich gedruckte Zeitung wird von regulär 24 Seiten um ein Drittel auf 16 Seiten reduziert. Die Samstagsausgabe wird komplett gestrichen und durch eine Erstfassung der Welt am Sonntag ersetzt. Damit soll die WamS zukünftig zwei Mal erscheinen. Einsparungen in der Redaktion gingen laut Springer mit der Umstrukturierung nicht einher. Allerdings ist davon auszugehen, dass die neue Struktur unterm Strich zu geringeren Druckkosten führt. Mehr Informationen findest du hier bei Axel Springer oder Horizont

Beirat Junge Digitale Wirtschaft: Rücktritt nach Aufregung um Forderung nach „Disziplinierung der Presse“ 

Investor Christoph Gerlinger ist nach der Aufregung um ein Positionspapier aus dem Beirat Junge Digitale Wirtschaft des Bundeswirtschaftsministeriums ausgetreten. Gerlinger ist einer der drei Autoren des Papiers, in dem sie die Bundesregierung dazu aufforderten, die Pressefreiheit zu beschneiden. Die Mitautoren Alex von Frankenberg, Geschäftsführer des High-Tech-Gründerfonds, und Amorelie-Gründerin Lea-Sophie Cramer distanzierten sich von dem Papier. Von Frankenberg räumte via Twitter ein, dass es sich dabei um „eine falsche und nicht aktuelle Version“ handele. Cramer teilte via LinkedIn mit, dass sie die Positionen nicht teile. Es seien „Einzelne in einer Form über das Ziel hinausgeschossen, die inakzeptabel ist.“ Prüfungsmechanismen hätten versagt.

Im Positionspapier forderte der Beirat unter anderem die „Disziplinierung der Presse zu sachlicher, richtiger und vollständiger Information“. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ließ die „umgehende Entfernung“ von der Seite des Bundeswirtschaftsministeriums anordnen. Wer für Formulierung und Veröffentlichung verantwortlich ist, bleibt nach den Distanzierungen zunächst unklar. Mehr zum Thema erfährst du im HandelsblattDeutsche Startups hat die Geschehnisse mit Stellungnahmen zusammengefasst, du findest sie hier.

Im abgelaufenen Geschäftsjahr steigerte die Nachrichtenagentur ihren Umsatz leicht von 93,0 auf 93,9 Millionen Euro. Auch der Gewinn stieg von 1,3 auf 1,6 Millionen Euro. Mit Blick auf die gesamte Unternehmensgruppe vermeldete die dpa eine Umsatzsteigerung von 142,5 auf 143,9 Millionen Euro. Beigetragen haben dazu unter anderem positive Entwicklungen der Tochterunternehmen news aktuell und dpa-infocom. Den vollständigen Geschäftsbericht kannst du hier nachlesen. Hier hat Chefredakteur Sven Gösmann im Medieninsider-Interview verraten, wie die dpa die vergangenen Monate erlebt hat.

ARD-Journalisten protestieren gegen Kürzung der Politmagazine

Zahlreiche Autoren, Journalisten und Mitarbeiter der ARD-Politmagazine fordern in einem offenen Brief, die geplanten Kürzungen der Magazine Panorama, Report München, Report Mainz, FAKT, Kontraste und Monitor zu überdenken. Die Magazine seien „mit ihren Recherchen in einer Zeit der Desinformation und Fake-News, in der die Feinde der Demokratie Rückenwind spüren, ein wichtiges Gegengewicht.“ Die Entscheidung der ARD-Programmdirektion unter Direktorin Christine Strobl soll noch in dieser Woche fallen. Der offene Brief wurde an mehrere Medien gesendet, Übermedien hat ihn veröffentlicht. Du findest ihn hier.

Luxemburg erweitert Pressehilfegesetz um Online-Medien

Online-Medien in Luxemburg erhalten künftig auch offiziell Fördergelder der Regierung. Das Parlament verabschiedete eine Gesetzesnovelle, mit der die seit 1976 geltende Pressehilfe erweitert wird. Übergangsweise hatte die Regierung Online-Medien bereits seit 2017 gefördert, zuletzt mit insgesamt 1,3 Millionen Euro jährlich. Künftig erhält jedes Medium einen Fixbetrag von 200.000 Euro pro Jahr. Zusätzlich zur „Innovationshilfe“ kommt ein Betrag von 30.000 Euro pro professionellem Journalisten. Das Volumen der Zuschüsse steigt von 7,1 Millionen Euro (2020) auf mehr als 10 Millionen pro Jahr. Bezüglich der Umsetzung und Förderhöhe gibt es auch Kritik. Mehr zum Thema erfährst du vom Luxemburger Wort. Schon im Juli 2020 stellte die luxemburgische Regierung hier den Gesetzesentwurf vor.

NRW-CDU hievt umstrittenen Verband in WDR-Rundfunkrat

Der nordrhein-westfälische Landtag hat fünf „gesellschaftlich relevante“ Organisationen in den neuen WDR-Rundfunkrat gewählt. Besonders umstritten ist die Wahl des Verbandes kinderreicher Familien. Der Verein sei erzkonservativ und habe Verbindungen zur katholischen Organisation Opus Dei und zur AfD, berichtet Der Spiegel.  Der Verband kinderreicher Familien sei durch die NRW-CDU um die Bewerbung gebeten worden. Den Beschluss des NRW-Landtags findest du hier, den Spiegel-Artikel kannst du hier nachlesen.

Axios denkt über Paid-Subscription nach

Das Newsletter-Medium Axios denkt darüber nach, das freie Angebot einzelner Verticals um Bezahlinhalte zu erweitern. Am Dienstag hängte Media Trends-Host Sara Fischer ihrem Newsletter eine Umfrage an. Mit den Antworten wolle man herausfinden, welchen Mehrwert ein entsprechendes Bezahlprodukt bieten müsste. Die Überlegungen betreffen derzeit wohl nur Fischers Fachnewsletter für Medienschaffende. In anderen Axios-Newslettern ist keine entsprechende Umfrage zu finden. Auch Anfrage hat sich das Unternehmen noch nicht geäußert. Bislang setzte das Medium ausschließlich auf Werbevermarktung.

Aus dem Personalticker:

► Nele Würzbach verlässt Bild

► Jamil Anderlini wird Politico Europe-Chefredakteur

► Schwarzwälder BoteConstantin Blaß neuer Chefredakteur

► Ex-BR-Intendant Ulrich Wilhelm nun um FAZ-Aufsichtsrat


Wie du helfen kannst, Medieninsider bekannter zu machen

Medieninsider soll innerhalb der Branche noch bekannter werden – und es wäre toll, wenn du dabei hilfst! So wie der Kollege Andreas Szabó:

Kleine Gesten reichen schon aus – wie ein Retweet bei Twitter oder das Teilen unserer Artikel in anderen Netzwerken! Damit zeigst du deiner Community, dass Medieninsider relevante Informationen verbreitet und hilfst deiner Community dabei, uns zu entdecken!


Lesetipp

Der Lesetipp ist in dieser Woche ein Hinweis auf einen Newsletter – und zwar auf den des Kollegen Sebastian Meineck. Im Oktober vergangenen Jahres hat der Journalist den Online-Recherche Newsletter gestartet, einmal im Monat gibt er darin hilfreiche Tipps für Online-Recherchen, verweist auf Datenbanken und nützliche Tools – und auch auf solche, die man unbedingt kennen, aber besser nicht nutzen sollte. 

In der jüngsten Ausgabe beispielsweise erklärt er, was hinter den Tools Fake Detail und Page Hacker steckt – Tools, mit denen sich simpel Chatverläufe und Websites ändern lassen, um Nutzer (oder eben auch Journalisten) zu manipulieren. 

Meinecks Newsletter ist kostenlos, hat aber auch ein Unterstützer-Modell. Die jüngste Ausgabe findest du hier – und hier eine Übersicht aller seiner bislang erschienenen.

Ich wünsche dir noch eine schöne Woche! 

Viele Grüße sendet dir

Alexandra

Wenn dir der Artikel gefällt, dann teile ihn in sozialen Netzwerken, aber nicht als PDF innerhalb deiner Organisation. Dafür ist eine Lizenz notwendig.

Alexandra Borchardt
Alexandra Borchardthttps://alexandraborchardt.com/
Dr. Alexandra Borchardt ist Journalistin mit mehr als 25 Jahren Berufspraxis, 15 davon in Führungspositionen (Süddeutsche Zeitung, Plan W). Sie ist Buchautorin, Beraterin und Medienforscherin mit besonderem Blick für Leadership und Digitalisierung.

DEINE MEINUNG IST GEFRAGT

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Hier Namen eintragen