Hallo Medieninsider!
Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche im Lese-Letter unter anderem erwartet:
Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche im Lese-Letter unter anderem erwartet:
► Lokaljournalismus im Mittelmeer-Paradies: Moritz Schloms hat das Mallorca Magazin und die Mallorca Zeitung besucht
► Brian Morrissey meint: Veranstalter sollten das Event-Comeback für Veränderungen nutzen
► Der Auftritt von Alice Weidel bei Bild hat für eine heftige Debatte gesorgt
► Springer und Servus TV arbeiten an gemeinsamer Sache
► In den USA sterben pro Woche zwei Zeitungen, in Deutschland erhöhen Länder den Druck auf die Bundesregierung für eine Presseförderung
Es gibt wohl nur einen Ort in Europa, an dem Medienschaffende mal wirklich nah dran sind an der Bevölkerung: Im Ferienflieger nach Mallorca und am Kofferband am Flughafen von Palma. Mallorca ist nicht nur bei deutschen Touristen beliebt, die spanische Mittelmeerinsel ist auch ein Mekka für Medienschaffende auf der Suche nach Erholung. Der Hype ist real. In diesem Jahr erwartet Mallorca wieder Besucherzahlen in Rekordhöhe und auch das mediale Comeback ist perfekt:
► Stammgast auf der Insel ist auch die Bild-Zeitung – dieses Jahr mit dem eigenen Podcast Das 17. Bundesland. Zusätzlich hat Reporter Ingo Wohlfeil seine eigene Doku veröffentlicht.
► Auch bei Spotify hat man den Mallorca-Hype erkannt. Im Frühjahr veröffentlichte der Streamingdienst die Serie The real Bierkönig – Mord auf Mallorca
► Im selben Zeitraum war auch RTL im Ballermann-Fieber, strahlte Der König von Palma als Serie aus, begleitet von einer Dokumentation.
► Gestern verkündete auch Sat.1 ein Mallorca-Format mit Birgit Schrowange.
Die Faszination für Mallorca ist so groß, dass Geschäftsleute und Medienschaffende bereits vor Jahren zahlreiche deutschsprachige Medien auf der Insel gegründet haben. Zwei von ihnen sind besonders bekannt und relevant: das Mallorca Magazin sowie die Mallorca Zeitung hegen den Anspruch, deutsche Residenten und Touristen umfassend über das Inselleben zu informieren – fernab von Bierkönig, Megapark und Oberbayern.
Das Geschäft mit den Mallorca-Medien ist kein Selbstläufer: Beide Wochenzeitungen erscheinen als letzte ihrer Art, beide sind das jeweils einzige deutschsprachige Medium in ihren spanischen Mutterhäusern, beide konkurrieren um die publizistische Deutungshoheit – und beide kämpfen auch im Paradies mit dem Medienwandel. Grund genug also, sich das Treiben auf der Insel genauer anzuschauen.
Moritz Schloms ist derzeit auf Mallorca, hat Ciro Krauthausen und Patrick Czelinski von MZ und MM vor Ort besucht und sich mit Ingo Wohlfeil über die Insel-Liebe der Deutschen und ihren Medienmachern unterhalten. Er beschreibt die Arbeit im Mittelmeer-Paradies mit einem anhaltenden Zeitungskrieg und einer zentralen Frage, die sich Medien und die örtliche Regierung teilen: Masse oder Klasse?
Moritz’ Artikel kannst du als Medieninsider hier lesen.
Transformation im Paradies
Mit der Frage nach Masse oder Klasse hat sich auch Brian Morrissey beschäftigt. Der US-Medienanalyst war in den vergangenen Wochen in vielen Ländern unterwegs, hat verschiedene Groß-Events besucht und auf einigen gesprochen. In seinem Artikel hat er seine Gedanken zum Event-Geschäft, das gerade ebenfalls ein Comeback erlebt, zusammengetragen.
Brian stellt fest: Es gibt zu viele und zu beliebige Events. Veranstalter sollten die Gelegenheit nutzen, das Geschäft mit seiner Rückkehr aus der Pandemie-Pause neu zu denken.
Auch für Events gilt: Nutzer- beziehungsweise besucherorientiertes Denken macht Produkte erst wirklich sinnvoll – nur dann entfalten Events den Zweck, den sie eigentlich erfüllen sollen: eine nachhaltige Wirkung und Stärkung der Marke.
Brians Kolumne kannst du als Medieninsider hier lesen.
So bleiben Events ein attraktives Produkt
Die Zeiten, in denen wild über den Umgang mit der AfD diskutiert wurde, liegen eigentlich zurück. Die Partei hat an Relevanz verloren, gerade erst flog sie aus dem Landtag in Schleswig-Holstein. Bei Bild kommen die alten Diskussionen aber wieder auf.
Der Grund: Vergangene Woche war mit AfD-Chefin Alice Weidel erstmals seit langer Zeit wieder eine Spitzenpolitikerin der Partei zu Gast bei Bild. Eine kleine Zeitenwende, denn zuletzt galt: keine Interviews mit der Alternative für Deutschland.
Die neue Linie gefällt nicht jedem – auch ranghohe Redaktionsmitglieder haben die Entscheidung anschließend kritisiert, von einem „Dammbruch“ war die Rede. Mehr kannst du als Medieninsider hier lesen.
Wie die AfD die Bild-Redaktion spaltet
News und Entdeckungen der Woche
zusammengetragen von Kevin Dusch
Bundesländer fordern Umsetzung der Presseförderung
Die Landesregierungen von Sachsen, Niedersachsen, Bremen und Schleswig-Holstein fordern die Bundesregierung auf, schnellstmöglich eine Presseförderung zu beschließen. Diese haben die Ampel-Parteien zwar im Koalitionsvertrag festgeschrieben, im aktuellen Bundeshaushalt jedoch keine Mittel dafür vorgesehen. Das Bundeswirtschaftsministerium zieht sich auf die Prüfung einer anhaltenden Studie zu dem Thema zurück, will nach der parlamentarischen Sommerpause mit der Branche dazu ins Gespräch gehen. Der nun eingereichte Antrag im Bundesrat soll frühestens im Herbst zur Abstimmung kommen. Den Antrag der vier Bundesländer findest du hier, einen Beitrag des Deutschlandfunks zum Thema hier.
Produzentenallianz fordert höheren Rundfunkbeitrag
Die Produzentenallianz fordert eine vorübergehende Erhöhung des Rundfunkbeitrags. Verbandschef Björn Böhning begründet den Vorstoß mit zusätzlichen Kosten bei Energie, Treibstoffen, für energieschonendes Drehen und Gagen. An Unterstützung mangelt es den Produzenten aber eigentlich nicht: ARD und ZDF investieren jedes Jahr mehr Geld in die Produktionswirtschaft. Das ZDF will seine Aufwendungen in diesem Jahr um 50 Millionen Euro im Vergleich zu 2021 auf 700 Millionen Euro steigern. Einen Beitrag der FAZ zum Thema findest du hier.
rbb: Personalrat und Redaktionsausschuss fordern lückenlose Aufklärung von Schlesinger
Personalrat, Redaktionsausschuss und die Organisation der Freien Mitarbeiter des rbb fordern eine lückenlose Aufklärung der Vorwürfe um die fragwürdigen Verwicklungen ihrer Intendantin und ARD-Chefin Patricia Schlesinger. Welt berichtete zuerst über die Forderung. Demnach schreiben die Gremien der Intendantin: „Eine rein rechtliche Überprüfung wird dabei nicht ausreichen“. Schlesinger war nach zwei Recherchen von Business Insider Deutschland in den Verdacht geraten, persönliche und geschäftliche Beziehungen miteinander zu vermengen und Beitrags-Gelder zu verschwenden. Inzwischen hat sie eine interne Untersuchung mit Hilfe einer externen Anwaltskanzlei angekündigt. Die Veröffentlichung von Welt zum Thema findest du hier.
US-Zeitungsmarkt auf rasantem Abstieg
In den USA verschwinden statistisch gesehen pro Woche zwei Zeitungen vom Markt. Das geht aus dem Report „State of Local News 2022“ der Local News Initiative hervor. Demnach ist die Zahl der Zeitungen in den USA seit 2005 um rund 2500 zurückgegangen – ein Verlust von einem Viertel des Angebots. Allein seit Beginn der Corona-Pandemie verschwanden 360 Titel. Seit 2005 ging die Zahl der Angestellten bei Zeitungen zudem um 70 Prozent zurück, die Umsätze sanken von 50 auf 20 Milliarden US-Dollar. Die ausführlichen Zahlen des Reports findest du hier.
ProSiebenSat.1 verkauft US-Produktionsgeschäft
ProSiebenSat.1 verkauft die Red Arrow Studios und damit sein Produktionsgeschäft in den USA an die North Road Company. Der Deal umfasst rund 200 Millionen US-Dollar. Als Grund für den Verkauf nennt ProSiebenSat.1, dass die Produktionsfirma nicht auf die DACH-Strategie einzahle. Der Vertriebsarm Red Arrow Studios International verbleibt allerdings bei ProSiebenSat.1. Die Mitteilung des Konzerns findest du hier.
Musk stoppt Twitter-Kauf, Netzwerk will klagen
Elon Musk will Twitter doch nicht mehr kaufen. Ursprünglich hatte er angekündigt, das Unternehmen für 44 Milliarden US-Dollar zu übernehmen –darauf will Twitter ihn nun gerichtlich festnageln. Musk begründete seinen Schritt damit, dass Twitter die Übernahmevereinbarung in mehreren Punkten gebrochen habe. Eine Meldung von Bloomberg zum Thema findest du hier. Die SZ hat aufgelistet, welche Vorhaben Elon Musk in Vergangenheit angekündigt und nicht umgesetzt hat. Den Text findest du hier.
Angeklagter gesteht Mord an Daphne Caruana Galizia
Im Prozess um den Mord an der maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galizia hat ein Angeklagter die Tat gestanden. George Degiorgio gab zu, die Journalistin 2017 gegen eine Zahlung von 150.000 Euro mit einer Autobombe getötet zu haben – allerdings will er nicht allein gehandelt haben. Angeklagt sind neben Degiorgio auch dessen Bruder Alfred Degiorgio und Vince Muscat. Außerdem ist der Geschäftsmann Yorgen Fenech, einer der reichsten Menschen Maltas, als Auftraggeber angeklagt. Einen ausführlichen Beitrag des Guardian über die aktuellen Entwicklungen des Falls findest du hier.
Reichster Ukrainer verkauft Medien-Imperium wegen Oligarchen-Gesetz
Rinat Achmetow, bis zum russischen Einmarsch der reichste Mann der Ukraine, hat seinen Konzern Media Group Ukraine an den Staat überschrieben. Zum Unternehmen gehören unter anderem elf TV-Sender und mehr als 4000 Mitarbeiter. Hintergrund des Schrittes ist ein ukrainisches Gesetz aus dem vergangenen Jahr, durch das Achmetow in ein Register für Oligarchen hätte aufgenommen werden müssen. Es soll den politischen Einfluss reicher Bürger eindämmen, indem Personen, die im Register geführt werden, keine Parteien und politische Werbung finanzieren dürfen. Die Mitteilung von Achmetow findest du hier, eine Zusammenfassung des Themas hier.
Aus dem Personalticker
► taz: Anne Fromm wird Vizechefin im Ressort Reportage & Recherche
► ZDF-Sportchef Fuhrmann muss wegen Bettina Schausten den Posten wechseln
► t3n-Gründer Andreas Lenz heuert bei Heise an
► RTL News: Susanne Althoff und Timo Pache leiten Wirtschafts-Ressort
► Andreas Heyden wird CEO bei S Nation Media
► Johanna Bruckner neue Redaktionsleiterin Digital bei dpa-infocom
Mehr Personalien findest du hier und bei Twitter unter @medienjobboerse
Neues von den MEDIENTAGEN MÜNCHEN
„Lokaler Rundfunk ist systemrelevant”
Ein wichtiges Fazit der 30. Lokalrundfunktage ist das klare Bekenntnis von Medienpolitik und Anbietern zur Bedeutung der Medienvielfalt für den demokratischen Diskurs. Zum Blogbeitrag
„Lasst uns das Radio von morgen neu erfinden“
Valerie Weber hat ihre ersten Schritte im Hörfunk bei Radio Downtown in Erlangen gemacht und ist dann mit Erfolg durch alle denkbaren Stationen einer deutschen Radiokarriere gewandert– bis hinauf in die WDR-Spitze. Zum Blogbeitrag
Folge 80: Web3 – auf dem Weg zum neuen Internet
Was das Web3 ist, wo wir beim Thema stehen und wie das Web3 die Medienbranche verändert kann. Zum Podcast
Community
Directors’ Club Q&As:
► 29. Juli 2022, 17 Uhr – Q&A mit Paul Ostwald, Gründer Forum.eu, Thema: Gründertum im Journalismus (Video-Call)
Mit dabei sein kannst du nur als Medieninsider mit Director-Mitgliedschaft. Mehr Informationen findest du hier.
Die Welt sagt Servus (TV)
Die Zäsur kommt mit Ansage, es besteht deshalb aber nicht weniger Handlungsbedarf: 2020 wurde bekannt, dass Welt zum Ende dieses Jahres einen lukrativen Produktionsauftrag verlieren wird. ProSiebenSat.1 hat den „Nachrichtenzulieferungsvertrag“, der bereits seit 2010 bestand, gekündigt. Ab 2023 soll eine eigene Redaktion die News-Sendungen beliefern.
Der Wegfall des Auftrags ist eine Herausforderung für Springers Nachrichtensender. Es ist ein offenes Geheimnis, dass er einen ordentlichen Teil zum wirtschaftlichen Erfolg beigetragen hat. Das Management um Sender-Chef Frank Hoffmann war in den vergangenen Monaten und Wochen deshalb schwer damit beschäftigt, nach Alternativen zu suchen, um große Einschnitte zu vermeiden. Es wurde innerhalb des Konzerns aber auch extern nach Möglichkeiten gesucht – offenbar mit Erfolg.
Nach Medieninsider-Infos verhandelt Springers TV-Sender derzeit dem österreichischen Anbieter Servus TV über eine Zusammenarbeit im Nachrichten-Segment. Ein Springer-Sprecher will die anstehende Kooperation auf Anfrage von Medieninsider wie gewöhnlich weder bestätigen noch dementieren. Der auslaufende Vertrag schaffe bei Springer „neue Freiräume“, an deren Ausgestaltung man noch arbeite:
„Einerseits wird sich Potenzial bieten für die weitere Stärkung des Live-Programms unserer eigenen Senderfamilie bei Axel Springer. Allerdings setzt der auslaufende Vertrag Kapazitäten in größerem Umfang frei. Wir befinden uns deshalb auch in Gesprächen mit möglichen externen Partnern, die von dem großen Know-how und der vorhandenen Infrastruktur profitieren könnten.“
Nach Medieninsider-Infos gilt die Zusammenarbeit bereits als ausgemachte Sache, auch wenn die Tinte unter den Verträgen noch nicht ganz trocken ist. Bei Welt wird sich bereits auf den neuen Auftrag vorbereitet, auch wurde im All Hands vergangene Woche ein neuer Kunde angekündigt – wenn auch ohne Nennung des Namens. Unklar ist noch, wie weit die Kooperation reichen wird. Davon wird auch abhängig sein, inwieweit Springer den Verlust durch das P7S1-Volumen kompensieren kann.
Servus TV sendet seit 2009 in Österreich, ist aber auch in Deutschland empfangbar. Der in Österreich beheimatete Sender gehört zur Red Bull Media Group, hinter der Unternehmer Dietrich Mateschitz steht. Die Mateschitz-Medien gelten als konservativ, immer wieder wurde ihnen wie auch ihrem Besitzer in Vergangenheit Rechtspopulismus vorgeworfen. Aufsehen erregte der Sender jedoch zuletzt, weil das Gerücht verbreitet worden war, Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt heuere bei Servus TV an, um das Angebot zum Nachrichtensender umzubauen.
Lesetipp
von Kevin Dusch
1994 war der Spiegel das erste Nachrichtenmagazin der Welt, das mit einem Online-Angebot live ging. Bezahlstrategien gab es damals freilich noch keine – es war der Beginn der Kultur kostenloser News im Internet.
Über die Jahre entwickelten sich der Spiegel und Spiegel Online auseinander, waren bis 2020 zwei getrennte Marken und Welten. Dann kam der Relaunch – die Marke Spiegel wuchs wieder zusammen. Damit einher ging auch eine Umgestaltung im Hintergrund, Redaktionen und Systeme wurden miteinander verschmolzen. Wie der komplexe Wandlungsprozess technisch und organisatorisch umgesetzt wurde, beschreibt der Spiegel jetzt in einem Beitrag bei Medium. Dabei zeichnen sich drei Grundsätze in der neuen Arbeitsweise ab:
► Eine Plattform für alles: Die Texte des Spiegel werden alle in einem CMS produziert – auch Print-Geschichten. Dazu ist eine Schnittstelle zur Heft-Software nahtlos angebunden.
► Modularer Workflow: Alle Texte werden nach einem festgelegten Workflow produziert. Bestimmte Geschichten können aber Schritte wie die Dokumentation oder den Blick der Rechtsabteilung überspringen.
► „Pay First“: Der Spiegel legt seinen Fokus auf das Abo-Wachstum. Dementsprechend steht über allen Workflow-Entscheidungen die Frage: Paid oder Nicht-Paid? Erstere durchlaufen den strengsten Prozess.
Der Spiegel schreibt in dem Beitrag, dass der Anpassungsprozess inzwischen zwar vordergründig abgeschlossen ist, vermutlich aber nie ganz vorbei sein wird. Durch die Größe der Aufgabe, vor der das Magazin stand, lassen sich einige Lehren aus dem beschriebenen Projekt ziehen – besonders auch im Übergang von einer Kostenlos-Kultur zu einer „Pay-First“-Strategie. Den ganzen Beitrag kannst du hier lesen.
Viele Grüße sendet dir
Marvin