Julian Reichelt, bis vor wenige Wochen Chefredakteur der Bild-Zeitung, äußert sich erstmals seit Bekanntwerden des Compliance-Verfahrens gegen ihn im Frühjahr zu den Vorwürfen des Machtmissbrauchs sowie seinem späteren Ausscheiden aus dem Konzern. In einem Interview mit der Zeit, das Medieninsider vorliegt, bestreitet er zudem die offizielle Version seines Rauswurfs.
Es gibt nicht viele Medienjournalisten, die Julian Reichelt nah an sich heran lässt. Die Zeit-Journalistin Cathrin Gilbert ist eine Ausnahme. Schon während des Compliance-Verfahrens im Frühjahr hat der – damals noch – Bild-Chefredakteur sie in seinem Büro zum Gespräch getroffen. Nun hat sie einen weiteren Zugang bekommen, den viele Reporter in den vergangenen Wochen gerne gehabt hätten: Julian Reichelt hat ihr das erste Interview seit den internen Ermittlungen gegen ihn und seinem Rauswurf gegeben – in dem er dem Konzern und dessen CEO vorwirft, über die Version seines Ausscheidens gelogen zu haben.
Der Konzern hatte die Freistellung Reichelts mit Vertrauensbruch begründet. Reichelt habe gegenüber dem Vorstand bestritten, weiterhin eine persönliche Beziehung zu einer Mitarbeiterin zu haben. Döpfner erklärte, Reichelt habe die Unwahrheit gesagt. Bei internen Auftritten sprach der CEO später davon, von Reichelt „belogen“ worden zu sein.
Im Interview mit der Zeit bestreitet Reichelt die Version und behauptet, Axel Springer sei die genannte Beziehung bereits bekannt gewesen. Auch sei sie Teil des Compliance-Berichts der Kanzlei Freshfields gewesen, aus dem Mathias Döpfner ihm sogar persönlich vorgelesen habe. Reichelt habe die offizielle Verwunderung des CEOs deshalb überrascht.
Mit Erscheinen des Interviews reagiert auch der Axel-Springer-Konzern bereits auf Reichelts Äußerungen. Gegenüber Medieninsider teilt ein Sprecher mit:
„Wir haben unserer bisherigen Darstellung nichts hinzuzufügen.“
Berichte, Analysen, Wortlautprotokolle: Kein Medium war näher dran an den Vorgängen bei Axel Springer und dem Compliance-Verfahren rund um Julian Reichelt. Unsere gesamte Berichterstattung haben wir in der Akte Julian Reichelt gebündelt. Hier erfährst du mehr.
In dem Interview in der Zeit erklärt Reichelt auch seine Sicht auf den Kulturwandel bei Axel Springer und kritisiert dabei interne Vorgänge und Maßnahmen von CEO Mathias Döpfner. Auch nimmt er Stellung gegenüber den Vorwürfen des Machtmissbrauchs, die er weiterhin bestreitet, und kritisiert den medialen Umgang mit seiner Person – und dabei besonders den Spiegel.
Das gesamte Interview erscheint am Mittwochnachmittag bei Zeit Online und am Donnerstag (9. Dezember) in der gedruckten Zeit.