Hallo Medieninsider!
Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche im Lese-Letter unter anderem erwartet:
► Wie Kyiv Independent mitten im Krieg zum internationalen Leitmedium geworden ist
► Weshalb hinter Madsacks neuer Digital-Strategie mehr als ein Relaunch steckt
► Wie die Spiele-App News oder Fake für mehr Medienkompetenz sorgen will
► Welche Schwachstellen die Quotenmessung im Fernsehen hat
Wenn junge Medienunternehmen an den Start gehen, gibt es viele Risikofaktoren, die kurzerhand das Aus bedeuten könnten. In manchen Teilen Europas gehört auch ein Krieg dazu.
Nur drei Monate nach seinem Start befand sich The Kyiv Independent im wahrsten Sinne des Worten plötzlich mittendrin. Die russische Invasion in der Ukraine hat die Pläne des experimentierfreudigen News-Start-ups allerdings keineswegs durchkreuzt. Vielmehr entwickelt sich das englischsprachige Medium derzeit zum internationalen Leitmedium aus der Ukraine.
► Verzeichnete The Kyiv Independent nach eigenen Angaben vor dem Krieg noch bis zu 50.000 Seitenaufrufe pro Tag, kamen in den ersten beiden Wochen des Krieges mehr als 8 Millionen zusammen – im Schnitt mehr als zehn Mal so viele pro Tag.
► Folgten Mitte Februar noch weniger als 15.000 Nutzer The Kyiv Independent bei Twitter, sind es mittlerweile mehr als 1,9 Millionen.
► Erst vor zwei Wochen kam ein eigener Instagram-Account hinzu, dem mittlerweile knapp 50.000 Menschen folgen.
► Etwa genauso viele erreicht das Medium via Telegram. Zum Vergleich: Dem Messenger-Kanal der New York Times folgen knapp 40.000 Abonnenten, den Kanal des Spiegel haben etwa 6.000 abonniert.
The Kyiv Independent ist nicht nur für viele Einheimische, sondern auch für Interessierte und Berichterstatter aus der ganzen Welt zur ersten Informationsquelle für die Entwicklungen im Ukraine-Krieg geworden. Quasi über Nacht hat das Team, das aus ehemaligen Redakteuren der eingestellten Kyiv Post hervorgegangen ist, seine Berichterstattung auf 24/7-Modus umgestellt und berichtet auf allen Kanälen – teils weiterhin direkt aus Kiew und von der Front.
Meine Kollegin Helen Krueger-Janson hat darüber mit Daryna Shevchenko gesprochen. Sie ist die CEO von Kyiv Independent und berichtet über die Arbeit ihres Teams. Sie sagt:
„Eine Woche vor dem Krieg feierten wir unsere Einweihungsparty mit dem Team und anderen Journalisten. Über Nacht mussten wir dann unseren Ansatz ändern.“
Für das Start-up gilt während des Krieges nicht, einfach nur den Betrieb aufrechtzuherhalten, sondern die Berichterstattung auszubauen:
„Wir stellen gerade neue Mitarbeiter ein, weil wir enorm unterbesetzt sind. Das Team ist nicht darauf ausgelegt, rund um die Uhr zu berichten. Wir brauchen mehr Redakteure, mehr Reporter, mehr Social-Media-Manager – mehr von allem.“
Mehr darüber, wie es ist, nicht nur mitten aus dem Krieg heraus zu berichten, sondern auch ein Start-up zu führen und zur internationalen Stimme aufzubauen, erfährst du im Interview. Du kannst es als Medieninsider hier lesen.
„Im Luftschutzkeller kannst du nicht produktiv sein“
Die Madsack Mediengruppe verpasst ihren Regional-Titeln einen Relaunch und verknüpft sie weiter mit der überregionalen Marke Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Die Veränderungen sind nicht nur kosmetischer Natur. Im Hintergrund implementiert Madsack auch eine neue, digitale Infrastruktur, von dem sich das Unternehmen einen Plattformeffekt und damit weiteres Geschäft verspricht.
Damit will Madsack nicht nur das eigene Paid-Content-Geschäft vorantreiben, sondern auch im B2B-Segment wachsen. Über die RND OnePlatform bietet die Madsack-Gruppe ihre Infrastruktur auch externen Publishern an. Ähnlich verfährt seit Jahren auch der auf Reichweitenportale spezialisierte Wettbewerber Ippen Digital – recht erfolgreich.
Ich habe mir Madsacks neue Digital-Strategie von Chief Digital Officer Bernhard Bahners genauer erklären lassen und stelle ihre unterschiedlichen Ebenen vor. Den Artikel kannst du als Medieninsider hier lesen.
Das Ippen-Modell: Das steckt hinter Madsacks neuer Digital-Strategie
Du möchtest die nächste Innovation auf dem Medienmarkt starten?
Und Du könntest dabei noch Unterstützung gebrauchen? Dann bewirb Dich mit Deinem Start-up für unser Media Innovation Fellowship. Wir bieten Dir im 6-monatigen Programm finanziellen & fachlichen Support im Gesamtwert von 30.000 €.
Wir verstehen unsere Rolle als Medieninsider nicht nur darin, dir News und Hintergründe aus dem Innern deutscher Medienhäuser zu präsentieren, sondern auch für dich als Insider der Branche nah an Entwicklungen und Innovationen zu sein. Deshalb berichten wir immer mal wieder über Gründer und Start-ups, die wir entdecken und für interessant befinden.
News oder Fake heißt das Start-up von Simon Sonnenberg und seinen beiden Co-Gründern, die behaupten:
„Wir sind das erste ernstzunehmende News-Game im deutschsprachigen Raum.“
Nach dem Tinder-Prinzip sollen Nutzer Headlines nach ihrer Wahrhaftigkeit bewerten und so ihre Medienkompetenz steigern. Wie die App funktioniert und das Geschäftsmodell dahinter aussieht, kannst du als Medieninsider hier lesen.
News oder Fake: Journalismus als Spiel
Wir erweitern unseren Directors‘ Club: In Formaten wie dem Q&A wollen wir dich und andere Community-Mitglieder zukünftig mit unterschiedlichen Experten zusammenbringen. Sie vermitteln dir nutzwertiges Wissen und du hast die Gelegenheit, Fragen zu stellen, die dich zum Thema des Experten bewegen.
Erster Gast wird Florian Bauer sein, mit dem Alexandra kürzlich ein Interview zum Thema Pricing im Journalismus geführt hat. Bauer berät Unternehmen in Preisstrategien und lehrt als Honorarprofessor an der Technischen Universität in Münster „Behavioral Pricing“.
Was das ist und was du als Medien-Profi daraus lernen kannst? Komm doch vorbei und frag Florian Bauer direkt!
Alle notwendigen Infos erhältst du nach deiner Anmeldung.
News und Entdeckungen der Woche
zusammengetragen von Kevin Dusch
Ukraine-Präsident Selenskyj greift ins Mediensystem ein
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj will die TV-Sender des Landes zusammenlegen. Ziel sei eine einheitliche Informationspolitik, heißt es bei der Tagesschau. Das Dekret wurde offiziell in den Zusammenhang mit dem Kriegsrecht gestellt, gilt demnach nur, solange der russische Angriff andauert. Das Dekret von Selenskyj stößt dennoch auf Kritik. So bezeichnete Mykola Kniazhytsky, Inhaber des ukrainischen Senders Espresso TV , die Entscheidung laut Ukrainska Pravdaals als „illegal und unfair“. Die Kurzmeldung der Tagesschau zum Thema findest du hier, die Informationen von Ukrainska Pravdaals hier. Kyiv Indepentent hat die Nachricht hier auf Englisch zusammengefasst.
Gericht bestätigt Sendeverbot für RT DE, auch Großbritannien sanktioniert
Das Verwaltungsgericht Berlin hat einen Eilantrag von RT DE gegen das von der Medienaufsicht MABB erlassene Sendeverbot abgewiesen. Zudem verhängte die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) vergangene Woche ein zweites Zwangsgeld in Höhe von 40.000 Euro, nachdem bereits das erste in Höhe von 25.000 nicht bezahlt wurde. Auch Großbritannien entzieht dem russisches Staatssender wegen mangelnder Unabhängigkeit im Ukraine-Krieg die Sendelizenz und verhängt eine Geldstrafe – allerdings in Höhe von umgerechnet rund 240.000 Euro. Eine Mitteilung der MABB zu den Entwicklungen um RT DE findest du hier, einen Text von Axios zum Verbot von RT in Großbritannien hier.
Russland verbietet Facebook und Instagram, Euronews wird blockiert
Ein Moskauer Gericht hat Facebook und Instagram verboten. Begründung: Die Plattformen des US-Konzerns Meta seien extremistisch. Die russische Medienaufsicht Roskomnadsor hatte die Dienste bereits davor sperren lassen, da sie Gewaltaufrufe gegen Russen teilweise zugelassen hatten. Meta hatte konkret angekündigt, Äußerungen wie „Tod den russischen Eindringlingen“ zu erlauben. Später sagte der Konzern, die Regel-Lockerung gelte nur in der Ukraine. Gewaltaufrufe dürften sich zudem nicht gegen Russen generell richten. Im Zuge des neuen Mediengesetztes gegen angebliche Falschinformationen hat Russland außerdem den europäischen Nachrichtensender Euronewsblockiert. Als Grund wurden angebliche Falschinformationen zum Ukraine-Krieg genannt. Einen aktuellen Beitrag zum Verbot der Meta-Plattformen findest du hier beim Tagesspiegel, einen Beitrag zum Euronews-Block hier bei T-Online.
Geschäftsbericht 2021: Buzzfeed wächst – aber deutlich langsamer als prognostiziert
Buzzfeed hat mit seinem ersten Jahresbericht nach dem Börsengang ein Umsatzwachstum von 24 Prozent gegenüber Vorjahr auf 397,6 Millionen US-Dollar in 2021 bekannt gegeben und legt damit eine überraschend schlechte Bilanz vor. Denn noch im Dezember hatte das Unternehmen einen Jahresumsatz von 520 Millionen US-Dollar prognostiziert. Der Nettogewinn stieg dem Bericht zufolge im vierten Quartal um 29 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf 41,6 Millionen US-Dollar. Stärker legten allerdings die Ausgaben zu. 2021 lagen die Kosten mit 422,7 Millionen US-Dollar fast 37 Prozent höher als im Vorjahr. Im Zuge dessen gab Buzzfeed-News-Editor-in-Chief Mark Schoofs bekannt, dass die Redaktion verkleinert werden müsse, um den den „Zeitplan für die Rentabilität zu beschleunigen“. Schoofs kündigte zudem an, die Leitung der Abteilung abzugeben. Auch sein Stellvertreter Tom Namako und Investigativ-Chefin Ariel Kaminer verlassen das Unternehmen. Einen Bericht zu den jüngsten Entwicklungen bei Buzzfeed von PressGazette findest du hier.
Donald Trump Jr. gründet News-Aggregator
Der Sohn des ehemaligen US-Präsidenten, Donald Trump Jr., gründet gemeinsam mit dem ehemaligen Trump-Sprecher Taylor Budowich einen eigenen News-Aggregator. Zunächst sollen für MxM (Minute by Minute) etwa acht Mitarbeiter kuratieren. Das Ziel der Gründer sei es, ein Konkurrenzprodukt zu Apple News und Google News und einen Ersatz für Drudge Report aufzubauen. Die konservative Nachrichtenseite hatte jüngst deutlich an Reichweite verloren. MxM richtet sich damit in erster Linie an ein konservatives Publikum und stellt sich einer angeblichen Voreingenommenheit gegenüber Konservativen entgegen. Laut einem Sprecher hat das Unternehmen eine erste Finanzierungsrunde unter „Freunden und Familie“ durchgeführt und derzeit noch keine institutionellen oder ausländischen Institutionen als Geldgeber an Bord. Einen Bericht von Axios zur Gründung findest du hier.
RTL Group meldet Rekordgewinn von 1,5 Milliarden Euro
Mit den Geschäftszahlen für 2021 hat die RTL Group einen Rekord-Konzernergebnis in Höhe von 1,454 Milliarden Euro bekannt gegeben – ein von Plus 132,64 Prozent im Vergleich zu 2020 (damals 625 Millionen Euro). Grund dafür seien unter anderem Gewinne aus den Verkäufen des US-amerikanischen Ad-Tech-Unternehmens SpotX und des kanadischen Videospielentwicklers Ludia. Das operative Ergebnis (EBIT) lag bei 1,908 Milliarden Euro. Der Umsatz der RTL Group stieg den Angaben zufolge von 6,017 Milliarden Euro um 10,3 Prozent auf 6,637 Milliarden. Diese Entwicklung führt der Konzern auf starkes Wachstum im Werbegeschäft zurück – hier wuchs der Umsatz um 16 Prozent. Auch die Streamingdienste des Konzerns RTL+ und Videoland legten zu, der Umsatz kletterte um 31,2 Prozent auf 223 Millionen Euro. Für RTL Deutschland sei der TV-Marktanteil in 2021 allerdings gesunken. Die ausführliche Aufstellung der Geschäftszahlen 2021 der RTL Group findest du hier.
Evangelische Journalistenschule schließt endgültig
Die Evangelische Journalistenschule (EJS) wird endgültig dicht gemacht. Der Entscheidung des Aufsichtsrats des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik (GEP) gingen zwei Jahre des Ringens um einen wirtschaftlich umsetzbaren Weiterbetrieb voraus. Denn: Das GEP muss bis 2024 Kosten in Höhe von 1,9 Millionen Euro abbauen. Angesichts dessen hatte auch ein Neustrukturierungskonzept des „Freundeskreises der EJS“ keinen Anklang gefunden. Ende 2021 war der Schulbetrieb schließlich ausgesetzt worden und soll nun nach 27 Jahren mit Abschluss des 13. Jahrgangs endgültig beendet werden. Weitere Informationen zum Aus der EJS findest du hier.
MEDIENTAGE digitalks: Ukraine – Ein Krieg, der auch die Medienwelt verändert
Beim #MTMdigitalk steht im Fokus, wie Medien mit dem Krieg in der Ukraine umgehen und was dieser Konflikt langfristig für die Medienwelt bedeuten könnte. Donnerstag, 31. März 2021, 15-17 Uhr – online only. Die Anmeldung ist kostenlos!
Video-Tipp
Am Sonntag meldete das Medienportal DWDL in dramatischen Worten: „Unter 5 Prozent: Sat.1 am Samstag in großer Not“. Die TV-Quote ist der Erfolgsfaktor im linearen Fernsehen schlechthin. Denn: An ihr bemessen sich letztendlich die Werbeeinnahmen der Sender. Doch wie kommen die Zahlen überhaupt zustande und wie repräsentativ sind sie wirklich?
Dieser Frage ist Mai Thi Nguyen-Kim in der jüngsten Folge ihrer Show MaiThink X bei ZDF Neo nachgegangen. Sie stellt das Konzept der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), die für die Ermittlung der Quoten zuständig ist, vor und erklärt die Methode: Demnach haben 5.400 Haushalte in Deutschland mit 11.000 Personen ihr TV-Gerät mit einer Mess-Box verknüpft, die Sehverhalten misst. Die Probanden repräsentieren eine Gesamtmenge von 75 Millionen Zuschauern in 39 Millionen Haushalten.
Diese Messung hat laut Mai Thi allerdings fünf Probleme:
► Wer schaut wirklich? Die Rezeptionssituation wird nicht erfasst. Läuft der Fernseher beispielsweise nur nebenbei, wird dies trotzdem als aktives Zuschauen erfasst.
► Wie funktioniert die Mess-Box? Haushalte mit einer Mess-Box sollen je nach Situation unterschiedliche Profile der Personen im Haushalt auswählen – je nachdem, wer gerade schaut. Bedienfehler bei der Handhabung des Messgerätes werden nicht berücksichtigt.
► Geht es wirklich um diese Sendung? Der sogenannte Audience Flow kann falsch interpretiert werden. Beispielsweise haben Sendungen auch dann eine gute Quote, wenn die vorangegangene und folgende Sendung beliebt sind und der Fernseher daher einfach weiterläuft.
► Warum wird eine Sendung geschaut? Eine gute Quote wird oft allein auf die Qualität einer Sendung zurückgeführt. Allerdings hängt sie auch von anderen Faktoren ab, etwa dem Konkurrenzprogramm oder sogar dem Wochentag oder dem Wetter.
► Was ist mit Online? Zwar fließen auch Aufrufe in Mediatheken und von Streamingdiensten in die Quote ein – allerdings erst acht Tage nach Ausstrahlung.
Letztlich kommt Mai Thi Nguyen-Kim zu dem Schluss: Die Quote sollte besonders für ihren Arbeitgeber, die öffentlich-rechtlichen Sender, nicht das Programm dirigieren. Zu ungenau seien die Ergebnisse – und zu effektheischerisch das Programm, wenn man sich nur nach der Beliebtheit von Formaten und Inhalten richtet. Die ganze Sendung MaiThink X kannst du hier in der ZDF Mediathek sehen.
Viele Grüße sendet dir
Marvin