Alexandra Borchardt: Der digitale Wandel ist ein Kulturwandel

2020 war für die Medienbranche ein herausforderndes Jahr. In dieser Serie wollen wir jedoch nicht betrachten, was war. Wir wollen darauf schauen, was kommt. Wir haben unterschiedliche Branchenexperten gefragt, was 2021 wichtig wird. Sie schreiben über allgemeine Trends und darüber, was sie in ihren Fachgebieten erwarten. Alexandra Borchardt, Medienprofessorin und Medieninsider-Kolumnistin, über Kulturwandel und den War for talents.

Wohl kaum ein Verlagshaus wird 2021 ohne Sparprogramm auskommen. Die Redaktionen kennen das schon, aber die Geschäftseinbrüche wegen Covid-19 werden heftiger sein als manches zuvor erlebte. Deshalb kann das Jahr nur für diejenigen gut werden, die die Krise als Chance zum Umsteuern begreifen.

Immerhin sind schlechte Nachrichten die Gelegenheit, alle auf einen Aufbruch zu etwas Neuem einzuschwören. Auf den Führungsetagen zeigen sich jetzt Management- und menschliche Qualitäten: Hält man an alten Hierarchien und Prinzipien fest und suggeriert allen, sie müssten nun nur noch etwas härter arbeiten? Oder delegiert man Verantwortung an kleine, wendige Teams und traut seinen Mitarbeiter*innen zu, Formate und Produkte zu entwickeln, die Leser*innen – nennen wir sie Nutzer*innen – begeistern und nachhaltig binden? Die Antwort ergibt sich.

Die Jungen riechen den Niedergang

Wer den Wandel nicht beherzt genug einleitet, dürfte bei einem Thema das Nachsehen haben, das die Branche in den nächsten Jahren kräftig beschäftigen wird: die Jagd nach und das Entwickeln und Binden von Talenten. Genau diejenigen, mit denen man die Zukunft gestalten möchte, sind es nämlich, die sich als erstes verabschieden. Sie riechen Niedergang und suchen im Zweifel anderswo nach erfüllenden Aufgaben. Besonders innovative Kolleg*innen werden sich selbständig machen und ihre eigenen Medienmarken gründen – noch nie war das so einfach wie heute. Und solche mit Management-Geschick und Tech-Verständnis werden von Verlagshäusern weggekauft werden, die genau solche Talente suchen. Übrig bleiben dann diejenigen, die sorgenvoll an der Vergangenheit und ihrem unkündbaren Job klammern. Engagierten Nachwuchs zu finden, der in Unternehmenskulturen von gestern passt, wird auch immer schwerer – zumal man das Ganze ja vielfältig aufstellen möchte, der Kundenorientierung wegen. 

Ob Podcasts weiter Konjunktur haben, ob man auf TikTok sein muss, was Künstliche Intelligenz liefern kann und wie die ultimative Metrik zur Abo-Gewinnung aussieht: all das sind interessante Fragen. Aber wenn der Talente-Mix stimmt, findet sich der Rest. In der neuen Medienwelt werden diejenigen erstarken, die begriffen haben: Der digitale Wandel ist vor allem ein Kulturwandel.


Mehr Medientrends in unserer Serie: Wir haben eine Vielzahl von Branchenexperten nach ihren Erwartungen für 2021 gefragt. Erfahre zum Beispiel, welche Trends der US-Journalist Brian Morrissey oder OMR-Gründer Philipp Westermeyer erwarten.

Bisher sind in der Serie Medientrends 2021 erschienen:

Du denkst, der Artikel könnte Kollegen, Bekannte oder Freunde interessieren? Verbreite ihn gerne über soziale Netzwerke! Damit hilfst du auch, Medieninsider bekannter zu machen!

Wenn dir der Artikel gefällt, dann teile ihn in sozialen Netzwerken, aber nicht als PDF innerhalb deiner Organisation. Dafür ist eine Lizenz notwendig.

Mehr zum Thema

Wo Konzentration im Journalismus schädlich wird

0
Im Lese-Letter diese Woche: Anna Ernst ist Medieninsider-Chefreporterin, Dagmar Rosenfeld wird Co-Herausgeberin bei The Pioneer und das junge Publikum für Medienverantwortliche bleibt eine Black Box.
Medieninsider-Kolumnistin Alexandra Borchardt, Foto: Ina Abraham

Zwischen Wirbel und Wirkung: Journalismus muss zeigen, dass er Gutes schafft

0
Journalisten denken üblicherweise, dass sie mit ihrer Arbeit die Welt verändern – nur fehlt für den Impact oft der Beleg. Dabei ist das nicht nur für die Nutzerbindung relevant, sondern zunehmend auch für die Finanzierung.
Medieninsider-Kolumnistin Alexandra Borchardt, Foto: Ina Abraham

Vielfalt fordern, Einfalt meinen: Wenn Journalismuskritiker aneinander vorbeireden

0
Die Debatte über Diversität im Journalismus hält an. Es sind vor allem zwei Lager, die mehr Vielfalt fordern – und doch meinen sie jeweils etwas anderes, beobachtet Alexandra Borchardt. In ihrer Kolumne beschreibt sie, wie es den Kritikern eigentlich nur darum geht, die eigene Weltanschauung in den Medien zu stärken.
Alexandra Borchardt
Alexandra Borchardthttps://alexandraborchardt.com/
Dr. Alexandra Borchardt ist Journalistin mit mehr als 25 Jahren Berufspraxis, 15 davon in Führungspositionen (Süddeutsche Zeitung, Plan W). Sie ist Buchautorin, Beraterin und Medienforscherin mit besonderem Blick für Leadership und Digitalisierung.

DEINE MEINUNG IST GEFRAGT

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Hier Namen eintragen

WERBUNG

Wie Tidely Medienunternehmen hilft, die Finanzen im Überblick zu behalten

0
Tidely hilft kleinen und mittelgroßen Firmen dabei, einen Überblick über die Finanzdaten zu halten – und Pläne ständig anzupassen. Denn eine Liquiditätsplanung ist essentiell für jedes Unternehmen.