Tobias Schiwek: Das Jahr der Orientierung

2020 war für die Medienbranche ein herausforderndes Jahr. In dieser Serie wollen wir jedoch nicht betrachten, was war. Wir wollen darauf schauen, was kommt. Wir haben unterschiedliche Branchenexperten gefragt, was 2021 wichtig wird. Sie schreiben über allgemeine Trends und darüber, was sie in ihren Fachgebieten erwarten. Welche Themen für Medien Tobias Schiwek, CEO von Divimove, im neuen Jahr für wichtig hält.

Von Tobias Schiwek

2020 war das Jahr von Social-Video. Menschen haben mehr Zeit denn je mit Video-Inhalten verbracht, sind teilweise selbst zu Content-Produzenten geworden. Die explodierenden Nutzerzahlen der Plattformen, ein überproportional steigendes Contentangebot, nicht zuletzt auch durch Meinungsführer:innen, haben diesen Trend bestätigt. Und von den Künstler:innen, die hier ihre Reichweiten aufgebaut haben, lässt sich viel lernen. Social-Video ist das Medium, mit dem Publisher in 2021 auf schnellstem Weg das größte Publikum ansprechen können. Wer relevant sein möchte, muss hier stattfinden. Künstliche Verknappung durch Live-Formate ist dabei ein gerne genutztes Instrument in der Aufmerksamkeitsökonomie. Also werden insbesondere Twitch, aber auch TikTok sicherlich noch mehr Ambitionen zeigen, ein größeres Stück vom Kuchen zu bekommen.

Die Frage nach der richtigen Plattform ist zweitrangig

Denn eines konnte man in 2020 besonders gut sehen und das wird diese Dekade zunehmend bestimmen: Globale Communitys mit gemeinsamen Wertesystemen und Lebenshaltungen ersetzen alte Strukturen wie Parteien oder gar Religionen. Es gilt, was schon immer galt, ganz besonders in Zeiten der Unvorhersehbarkeit: Gleich und gleich gesellt sich gern. Im Digitalen ist es so einfach wie nie, diese Gleichgesinnten zu finden und ein geteiltes Selbstbewusstsein zu entwickeln. Und das wirkt weit über die digitale Welt hinaus: Das erklärt Fridays for Future oder Black Lives Matter genauso wie Brexit und Trump. Soziodemographische Erklärungen stoßen da schnell an ihre Grenzen. Welches Haushaltseinkommen hat ein Fußballfan? Wie alt ist jemand, der Heavy Metal hört? Wer wählt AFD?

Social Influencer:innen haben das – vielleicht instinktiv – verstanden. Sie bauen plattformagnostische Communitys auf, die eine hohe Überschneidung in ihren Lebenshaltungen haben. Diese Communitys finden sich dank ihrer Idole zwar schneller, verstärken dann aber den Zugehörigkeitseffekt unabhängig davon untereinander und miteinander. Sie sind nicht nur Fans, sie sind „Follower:innen“. Sie folgen vor allem überall dorthin, wo sich die Creator:innen hinbewegen – ganz ohne Mediabudgets, sondern aufgrund des Zugehörigkeitsgefühls. Sie folgen, weil sie bewegt wurden.

Menschen zu Followern machen

2021 wird auch ein Jahr der Unvorhersehbarkeit mit Pandemie und Wahlen. Ein Jahr, in dem Publisher noch mehr Orientierung geben sollten. Denn das war schon immer die Kernaufgabe: Menschen erreichen – physisch und im Geiste. Wir müssen das Publikum also dort abholen, wo es ist, vielleicht sogar zusammen mit den Protagonist:innen, denen es vertraut. Wenn wir sie dann bewegen und zu unseren Follower:innen machen, stellt sich die Plattformfrage irgendwann nicht mehr.


Mehr Medientrends in unserer Serie: Wir haben eine Vielzahl von Branchenexperten nach ihren Erwartungen für 2021 gefragt. Erfahre zum Beispiel, welche Trends Medieninsider-Kolumnistin Alexandra Borchardt, US-Journalist Brian Morrissey oder Lina Timm von Medien.Bayern erwarten.

Bisher sind in der Serie Medientrends 2021 erschienen:

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