Wie der Bild-Digitalchef auf den TV-Sender blickt

Ausgabe #51/2021

Hallo Medieninsider!

Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche im Lese-Letter unter anderem erwartet:

► Die neue Ausgabe Directors‘ Club mit Andrea Wasmuth

► Die neuen Pläne für Bild TV

► Die Umsatzprognose des Spiegel

► Die Hintergrundstory der Wulff-Affäre 


Zum Jahresende habe ich noch einmal in den Directors‘ Club eingeladen. Mein Gast war dieses Mal: Andrea Wasmuth, die seit 2020 als CEO die Geschicke der Handelsblatt Media Group verantwortet. Gemeinsam haben wir auf das vergangene Geschäftsjahr, das zweite mit einer Pandemie, zurückgeschaut sowie über die Geschäftsentwicklung und Transformation der Mediengruppe gesprochen. Das einstündige Gespräch kannst du als Medieninsider mit Director-Mitgliedschaft ansehen. Hier ein paar Aussagen:

Wie das Geschäftsjahr gelaufen ist, umreißt Andrea Wasmuth nur. Man stehe besser da als vor der Corona-Krise. Zahlen nennt sie nicht, dafür benennt sie den strategischen Fokus für die Zukunft klar. Im Oktober 2020 hatte die Gruppe einen Großteil ihrer Fachmedien verkauft. Nun heißt es:

Wir fokussieren uns auf die beiden starken Marken Handelsblatt und Wirtschaftswoche sowie die Modelle, die wir um die beiden Marken herum bilden.“

Wie bereits vor der Pandemie liegt ein wichtiger Fokus auf Events, die das Handelsblatt als Live-Journalismus beschreibt. Dieses Wachstumsgeschäft, sagt Wasmuth, sei – wenn auch in teils hybrider Form – zurück:

„Allein in diesem Jahr werden wir in Summe über 300 Events, Webinare und Trainings gemacht haben. Und wir gehen auch dort von einem deutlichen Wachstum im nächsten Jahr aus.“

Viele dieser Events finanziert das Handelsblatt über Sponsoren, allerdings rücken auch Nutzerumsätze in den Fokus: Der Grund ist vor allem ein psychologischer: 

„Was nichts kostet, ist nichts wert.“

Erst kürzlich sprach Spiegel-Chefredakteur Steffen Klusmann im Interview mit der dpa über den Wettbewerb des Nachrichtenmagazins. Konkurrenz witterte er dabei nicht bei anderen Wochentiteln, sondern in der Tagespresse. Andrea Wasmuth sieht ihre Medien mit einem rein digitalen Player im Wettbewerb: mit Business Insider Deutschland. Sie sagt:

„Die Reichweite ist schon relevant, bei der Qualität würde ich das noch nicht sehen, wenn ich das so sagen darf.“

Unser Thema ist logischerweise auch, jüngere Zielgruppen zu erreichen, weiblicher zu werden.“

Gesprochen haben wir auch viel über Transformation. Wasmuth definiert sie für sich so:

„Es geht dabei nicht nur um Digitalisierung, sondern um die Organisation, von Strukturen, von Prozessen und natürlich auch von Führung.“

Für eine erfolgreiche Transformation sei es wichtig, bislang gelernte Strukturen wieder zu verlernen und sie wirklich neu anzugehen, so Wasmuth:

„Ich glaube, dieses Verlernen funktioniert extrem gut im Austausch mit anderen, in dem man sich vielleicht auch selber nicht so wichtig nimmt.“

Zur Transformation gehört für Andrea Wasmuth auch Diversität. Der Frauenanteil bei der Handelsblatt Media Group betrage 50 Prozent, in Führungspositionen 30 Prozent. Um Ziele schneller zu erreichen, sagt sie, wären Verpflichtungen hilfreich: 

„Ich bin inzwischen für eine temporäre Quote. Ich denke, dass das noch mal einen richtigen Sprung nach vorne bringen würde.“

Das komplette Gespräch mit Andrea Wasmuth findest du hier

Directors‘ Club mit Andrea Wasmuth


„Ongoing News und Opinion, 24/7 livehaftig.“ Es ist ein Markenversprechen, das nur Bild so formulieren kann. Vier Monate nachdem Deutschlands größte Tageszeitung aber Deutschlands kleinsten Nachrichtensender gestartet hat, spricht nicht viel dafür, dass Bild sein Versprechen aufrechterhalten wird. Denn das Programm kommt nicht an.

Noch immer bewegt sich Bild TV bei Marktanteilen um die 0,1 Prozent in der werberelevanten Zielgruppe. Auch wenn Verantwortliche immer wieder beteuern, damit im Plan zu liegen: Ausschläge nach oben sind eher Zufall, ein System erkennt man nicht. Ab Januar probiert man deshalb etwas Neues.

Nach Medieninsider-Infos wird Bild den Live-Anteil im linearen Fernsehen nicht ausbauen, sondern reduzieren. Teile der Live-Produktionen will der Sender sogar zu YouTube verlagern. Kein Wunder: Auch fürs Fernsehen gilt, was Bild und die ganze Branche eigentlich längst gelernt haben: Im Internet erreicht man mehr Menschen. Ein Beispiel von vergangenem Sonntag:

Etwa 50.000 Menschen (ab drei Jahren) schalteten den Talk Die richtigen Fragen mit Gesundheitsminister Karl Lauterbach ein (Marktanteil: 0,2 Prozent). Die Vorab-Zusammenfassung (des bereits aufgezeichneten Formats) erreichte bis Montagmorgen fast 600.000 Views bei YouTube. Während der Ausstrahlung im TV kamen für den Livestream bei Bild.de noch 22 Abo-Abschlüsse zustande. An dieser Stelle zitiere ich einfach aus dem internen Traffic-Report von Digital-Chef Timo Lokoschat. Der schrieb am Montagmorgen zu den Zahlen mit „Reichweiten-King Karl“:

„Wieder einmal zeigt sich: Obwohl es einen klaren Hinweis aufs (gratis verfügbare) TV gab, existieren Nutzer, die sich lieber ein Plus-Abo zulegen und 3,99 Euro für den Stream zahlen – weil sie ihn auf dem Laptop oder Smartphone anschauen wollen oder schlicht kein Fernsehgerät besitzen. “

Wie die aktuellen Überlegungen für das lineare Fernsehen bei Bild TV aussehen, kannst du als Medieninsider hier nachlesen.

Das Ende der Livehaftigkeit

Bild Live Claus Strunz


Mehr News & Entdeckungen aus der Woche

zusammengetragen von Kevin Dusch

Spiegel rechnet mit Umsatzplus 2021 und 2022

Die Spiegel-Gruppe rechnet für das Geschäftsjahr 2021 mit deutlich mehr Einnahmen als im Vorjahr. Laut Geschäftsführer Thomas Hass sollen 20 Millionen Euro mehr erwirtschaftet worden sein. 2020 lag der Umsatz der Gruppe bei 256,4 Millionen Euro. Grund für das prognostizierte Plus sei laut Hass eine deutliche Steigerung bei den Vertriebserlösen im digitalen Geschäft. Den Angaben zufolge soll allein das Bezahlangebot Spiegel+ dem Verlag zehn Millionen Euro mehr im Vergleich zum Vorjahr bescheren.

Springer erwartet zweistelliges Wachstum für 2021 

Springer-Finanzchef Julian Deutz geht von einem zweistelligen Umsatzwachstum für 2021 aus. In diesem Fall stünde der Konzern zahlenmäßig über dem Niveau vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Das Wachstum sei unter anderem auf das USA-Geschäft zurückzuführen, dass Springer inzwischen seit mehr als einem Jahr verstärkt forciert. Der Umsatzanstieg wäre eine Umkehrung des Trends der letzten Jahre – seit 2019 geht der Konzernumsatz zurück. 2020 lag er bei rund 2,965 Milliarden Euro. Eine Meldung von Reuters findest du hier.

Rbb akzeptiert Verbreitungsverbot für presseähnliche Inhalte

Der Rbb hat seine Berufung zum Urteil des Landgerichts Potsdam über das Verbot der Verbreitung presseähnlicher Inhalte zurückgenommen. Die Entscheidung wurde somit am 15. Dezember rechtskräftig. Gegenstand des Streits mit fünf regionalen Zeitungsverlagen war die Berichterstattung auf rbb24.de vom 23. Januar 2017. Laut Gericht sei diese presseähnlich und damit nicht zulässig gewesen. Der Rückzieher des Rbb deutet auch auf Versöhnung hin, ab 2022 übernimmt die Anstalt den ARD-Vorsitz. Intendantin Patricia Schlesinger betonte, ihr liege mehr an einer „guten Zusammenarbeit mit den Verlagen als an diesem Gerichtsprozess.“ Eine aktuelle Meldung zum Thema vom Handelsblatt findest du hier.

BR und SWR gründen gemeinsame Digital-Tochter

Der BR und der SWR wollen am 1. Januar 2022 eine gemeinsame Tochtergesellschaft für Software-Dienstleistungen an den Start bringen. Der Fokus von „PUB – Public Value Technologies“ soll auf der Entwicklung „nutzerzentrierter Angebote“, Empfehlungs-Algorithmen und einer Daten-Infrastruktur liegen. Die beiden ARD-Anstalten werden zu je 50 Prozent Gesellschafter des neuen Unternehmens, das zunächst 80 Mitarbeiter beschäftigen soll. Die Mitteilung von BR und SWR findest du hier.

Heise übernimmt t3n

Der Fachverlag yeebase media, der hinter dem Magazin t3n steht, rückt unter das Dach von Heise Media. Personelle Änderungen seien durch die Übernahme nicht geplant, auch beteuern beide Unternehmen die Eigenständigkeit von t3n beibehalten zu wollen. Die Mitteilung von Heise Media findest du hier.

Steady steigert Ausschüttungen an Creators

Die Publishing-Plattform Steady vermeldet, in diesem Jahr 20 Millionen Euro an seine Community ausgeschüttet zu haben. Die Summe habe sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Steady bietet Podcastern oder Newsletter-Autoren Tools für Subscription-Modelle an, nach eigenen Angaben arbeitet Steady mit 1500 Publishern zusammen. Die Twitter-Meldung von Steady findest du hier.

Aus dem Personalticker:

► Katharina Neubert wird Büroleiterin bei Bild-Chef Johannes Boie


Die Akte Julian Reichelt

Berichte, Analysen, Wortlautprotokolle: Medieninsider war am nächsten dran an den Vorgängen bei Axel Springer und dem Compliance-Verfahren rund um Julian Reichelt. Nun haben wir unsere gesamte Berichterstattung in einem INSIGHT gebündelt. Entstanden ist eine exklusive Dokumentation der Affäre,die den Anfang einer der größten Krisen für Axel Springer und CEO Mathias Döpfner markiert. 



Hörtipp

Den von Springer-Chef Mathias Döpfner formulierte Satz „Wer mit Bild im Aufzug nach oben fährt, der fährt auch mit ihr im Aufzug nach unten“ hat wohl kaum jemand so sehr zu spüren bekommen wie Ex-Bundespräsident Christian Wulff. Allerdings: Am Auf- und vor allem am krachenden Abstieg des einst schillernden Politikers waren viele Medien beteiligt. Mit Ruhm hat sich dabei kaum jemand bekleckert. 

Im Podcast „Christian Wulff – der Fall des Bundespräsidenten“ arbeiten Christian Jähnert und Kilian Pfeffer den Politik- und Medienkrimi für SWR3 nun noch einmal mithilfe von Archivmaterial und Gesprächen auf. Mit dabei: Wulff persönlich, aber auch dessen Kontrahent und Ex-Bild-Chef Kai Diekmann. In ihrer siebenteiligen Serie zeichnen sie die 598 Amtstage Wulffs detailliert nach. Es ist eine Geschichte von fragwürdiger Nähe zwischen Politikern und Medien, Größenwahn und schier endloser Weiterdrehe sensationslüsterner Medien. 

Zu hören ist die Serie auf allen gängigen Podcast-Plattformen oder hier direkt bei SWR3.

Ich wünsche dir noch eine schöne Woche und – sollten wir uns nicht mehr lesen – eine besinnliche Weihnachtszeit!

Viele Grüße sendet dir

Marvin

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Marvin Schade
Marvin Schadehttps://medieninsider.com
Marvin ist Co-Gründer und Founding Editor von Medieninsider und hat sich damit einen kleinen Traum erfüllt. Vor der Gründung war er mehrere Jahre für den Branchendienst Meedia in Hamburg und Berlin tätig, arbeitete kurz beim Focus Magazin und zuletzt für Gabor Steingarts Morning Briefing.

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