Hallo Medieninsider!
Es ist ganz schön viel los in dieser Woche! Versuchen wir, die Lage mal zu sortieren. Was dich im Lese-Letter erwartet:
► Wie sich Lokaljournalismus außerhalb etablierter Verlage neu erfindet
► Weshalb Filterbubbles und Echokammern nur in der Theorie existieren
► Wer die Relotius-Affäre nun in einer Dokumentation aufarbeitet
► Warum sich die Süddeutsche Zeitung bei Igor Levit entschuldigt
► Weshalb Niddal Salah-Eldin zu Springer zurückkehrt und die Edition F-Gründerinnen sich zurückziehen
Die Wiederbelebung des Lokaljournalismus
Es ist nicht übertrieben, zu sagen, dass man sich ernsthafte Sorgen um den regionalen und lokalen Journalismus machen muss. Er ist weiterhin dabei, von der Fläche zu verschwinden und auch in den größeren Städten, wo es noch große Zeitungen gibt, werden Redaktionen zentralisiert, zusammengelegt, ausgedünnt.
Gerade erst berichteten wir beispielsweise darüber, dass Madsack seine beiden Hannoveraner Zeitungen Neue Presse und Hannoversche Allgemeine zukünftig aus einem gemeinsamen Newsroom heraus steuern will. Das ist kein Einzelfall, sondern trauriger Trend.
Es gibt aber auch positive Signale, wenn auch eher aus Stadt als von Land. Die Zentralisierung und Monopolisierung frustriert Leser und Journalisten zugleich – was Antrieb für etwas Neues sein kann! In Münster, Nürnberg, Wiesbaden oder Mainz ist das zum Beispiel der Fall. Mit Rums, dem Lokalblog oder Merkurist bilden sich Alternativen bewusst aus der Nische heraus.
Ich habe mit den Gründern und Verantwortlichen gesprochen, geschaut, was sie anders machen als etablierte Medienhäuser und wie diese darauf reagieren.
Es geht auch um die Frage, wie die Start-ups mit weniger Ressourcen als die einer Tageszeitung umgehen, wie sie sie einsetzen und worauf sie sich konzentrieren. Natürlich ist auch die Frage nach dem Geschäftsmodell ein Thema. Denn funktionieren kann nur, was auch finanziert ist.
Die ausführliche Analyse kannst du als Medieninsider hier nachlesen.
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Die Mär von Filterbubbles und Echokammern
Glaubst Du an Filterbubbles und Echokammern? Sie dienen vor allem Politikern und uns Journalisten oft als Begründung dafür, dass sie in gewisse Gruppen nicht mehr vordringen. Oder eher als Ausrede? Verantwortlich gemacht werden jedenfalls schnell die sozialen und Tech-Plattformen, die Bubbles und Kammern förderten.
Unsere Kolumnistin Alexandra Borchardt wundert sich darüber. Das Phänomen der Echokammer ist nicht mehr als eine „schöne Theorie“, schreibt sie. Als Medieninsider erfährst du hier ihre Begründung.
Relotius-Doku: Dieser ehemalige Spiegel-Redakteur arbeitet daran mit
Bislang war bekannt, dass UFA Fiction die Relotius-Affäre des Spiegel als Mediensatire auf Kino-Leinwände bringen will. Es geht aber auch ernsthaft.
Ein Team aus internationalen Filmemachern arbeitet an einer dokumentarischen Aufarbeitung des größten Journalismus-Skandals der jüngeren Mediengeschichte. Über die Arbeit an einer Doku, die am Ende bei Netflix laufen könnte, hat bereits das Morning Briefing von Gabor Steingart berichtet – ich habe tiefergehende Details recherchiert. Als Medieninsider kannst du sie hier nachlesen.
Mehr News & Entdeckungen aus der Woche
Süddeutsche Zeitung bittet Igor Levit um Entschuldigung
Die Süddeutsche Zeitung entschuldigt sich beim Pianisten Igor Levit für einen Artikel, der am 16. Oktober im Feuilleton erschien. Der „subjektive, stellenweise sehr polemische Text“, wie die SZ ihn beschreibt, wurde nach Veröffentlichung als antisemitisch kritisiert und auch von Levit so empfunden. „Das tut uns leid, und deswegen bitten wir Igor Levit persönlich wie auch unsere Leserinnen und Leser um Entschuldigung“, schreiben die SZ-Chefredakteure Wolfgang Krach und Judith Wittwer. Der Artikel sei auch innerhalb der eigenen Redaktion übel aufgestoßen. „In der Redaktion haben wir in den vergangenen Tagen ausführlich, leidenschaftlich und kontrovers über den Levit-Text diskutiert. Die Frage, was und wie wir aus dem Fall lernen können, wird uns weiterhin beschäftigen.“
LinkedIn rollt Story-Funktion aus
LinkedIn hat die Story-Funktion nun auch in Deutschland ausgerollt, bislang war die Option nur in den USA, Indien, Brasilien und Niederlanden verfügbar. Storys bei LinkedIn dürfen bis zu 20 Sekunden lang sind. Wie in anderen sozialen Netzwerken bleiben sie 24 Stunden verfügbar. Auch in ihrer weiteren Funktionalität weisen die LinkedIn-Storys Parallelen zu Instagram und Snapchat auf.
Spotify verbindet Musikstreaming mit Podcasts
Spotify startet in den USA, Großbritannien, Kanada, Australien, Neuseeland und Irland eine neue Funktion für Podcasts. Dort können Anchor-Künstler jetzt Songs vollständig in ihre Sendungen aufnehmen. Die Option ermöglicht ihnen, ihre Podcasts wie Radiosendungen aufbauen zu können. Diese Show-Episoden werden dann allerdings nur über Spotify-Premium verbreitet – sieben Show(s)cases hat Spotify bereits bereitgestellt.
Free Tech Academy: Niddal Salah-Eldin kehrt zu Springer zurück
Axel Springer baut Strategie und Organisation der Ausbildung junger Talente um und löst dafür die Axel Springer Akademie auf. Die Journalistenschule wird in der neuen Free Tech Academy aufgehen, in der journalistische und Tech-Ausbildung miteinander verzahnt werden sollen. Für die Leitung und Entwicklung der neuen Organisation, für die Axel Springer im Bereich Software Engineering, Interaction Design, und Product Management auch mit der Code University in Berlin kooperiert, verpflichtet der Konzern Niddal Salah-Eldin. Mehr Details findest du hier.
Weitere Personalien im Personalticker:
► Bauer: Yellow-Chef Walter A. Fuchs übernimmt Celebrity-Titel
► NZZ am Sonntag: Anja Burri übernimmt Inlandsressort
► NZZ fusioniert NZZ Format und Video-Unit unter Leitung von Markus Stein
Edition F: Gründerinnen ziehen sich zurück
Eine etwas umfassender Personalie vermeldete diese Woche auch Edition F. Dort ziehen sich die beiden Gründerinnen und Geschäftsführerinnen Nora-Vanessa Wohlert und Susann Hoffmann zum Ende des Jahres aus dem operativen Geschäft zurück. Die Geschicke des Online-Magazins, das sich seit Gründung 2014 zur Lifestyle- und Business-Plattform entwickelt hat übergeben sie an Lana Wittig, bislang zuständig für Markenkooperationen. Die vergangenen Monate waren holprig, begonnen beim Rücktritt der damaligen und gut vernetzten Chefredakteurin Teresa Bücker im vergangenen Jahr über die Einstellung des Coaching-Programms Female Future Force Academy bis hin zur schwieriger werdenden Wirtschaftslage durch das Coronavirus.
Ihre Entscheidung haben die Gründerinnen im Handelsblatt erklärt:
„Wir haben uns vor allem als Gründerinnen-Team ehrlich in die Augen geblickt und die Frage gestellt: Sind wir noch an der richtigen Stelle? Was braucht Edition F, und welche Rolle wollen wir dabei einnehmen?“
Bemerkenswert.
Das ganze Interview kannst du hier nachlesen.
Mit der Frage, wie Medien ihre digitalen Geschäftsmodelle aufbauen und optimieren, befasst sich der Medieninsider INSIGHT#1. Er führt ein in die wichtigsten Grundlagen für digitale Bezahlmodelle, beleuchtet den internationalen Markt und gibt Einblick in die Strategien etablierter Publisher und Start-ups. Hier kannst du mehr über unseren INSIGHT erfahren.
Lesetipp
Als Alan Rusbridger 2015 beim Guardian aufhörte, war er 20 Jahre lang dessen Chefredakteur. Im Dezember wird 67 Jahre alt. Beim Guardian hat er den vom Print-Produkt zur Digitalmarke geprägt wie kaum ein anderer. Er ist der lebende Beweis, dass Transformation keine Altersfrage ist – sondern eine Einstellung. Deshalb empfehle ich seinen Gastbeitrag bei Press Gazette, in dem er aus eigener Erfahrung zehn Tipps für gelungene Transformation nennt. An dieser Stelle nur drei seiner Tipps in Kürze:
► Konzeptionelle Führung funktioniert nicht. „Es hatte keinen Sinn, sich vor die Kollegen zu stellen und zu sagen: ‘Ich bin euer Anführer, vertraut mir’. Zu viel lag außerhalb unserer Kontrolle.“
► Wandel braucht Begeisterung: „Stell Optimisten ein“, meint Rusbridger und zitiert Washington-Post-Chefredakteur Marty Baron: „Diese Revolution ist hart genug. Du musst mit Menschen arbeiten, die morgens aus dem Bett aufstehen und daran glauben, dass sie möglich ist.“
► Kommunikation: „Jederzeit“, so Rusbridger. Zu härtesten Zeiten der Disruption sei man immer wieder mit Mitarbeitern in den Dialog gegangen, immer in kleinen Gruppen. „Auch wenn es 25 oder mehr Frühstückstreffen, Mittagessen oder Abendtermine gebraucht hat, bei denen man immer wieder dasselbe Material durchgegangen ist und dieselben Rückmeldungen darauf bekommen hat.“
Klingt anstrengend. Ist es auch. Scheint sich aber zu lohnen. Rusbridgers ganzen Gastbeitrag findest du hier.
Hab noch eine schöne Woche!
Viele Grüße sendet
Marvin