Keine Experimente – kein Fernsehpreis für Paul Ronzheimer

Ausgabe #32/2022

Hallo Medieninsider!

Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche im Lese-Letter unter anderem erwartet:

► Matthias Eberl hat überprüft, wie ernsthaft Verlage die Versprechen von Pur-Abos umsetzen

► Andreas Gebhard hat Beispiele dafür herausgesucht, wie sich Faktenchecks besser in redaktionelle Produkte integrieren lassen

► Fabian Schrum hat das Directors’ Club Q&A mit Cathrin Gilbert zusammengefasst

► Kevin Dusch hat News zusammengefasst, die während unseres Sommer-Modus von großer Bedeutung waren

– Kommentar –

Wenn es Bild oder dessen Star-Reporter Paul Ronzheimer in die Twitter-Charts schaffen, dann eigentlich nur, weil es mal wieder einen Shitstorm gibt. Gestern war das anders. #Ronzheimer trendete kurzzeitig, nachdem eine Solidaritätswelle losgetreten wurde, an der überraschend viele Prominente wie auch sonst zurückhaltende Politiker teilnahmen. Der Grund: Kurz zuvor gab die Jury des Deutschen Fernsehpreises die diesjährigen Nominierten bekannt. In der Kategorie Beste persönliche Leistung Innovation wurden drei Reporter für ihre Berichterstattung im Ukraine-Krieg nominiert. 

Paul Ronzheimer war nicht dabei. 

Das ist, angesichts der Begründungen der Jury, überraschend. Denn Steffen Schwarzkopf (Welt), Kavita Sharma (RTL) und Kathrin Eigendorf (ZDF) sind laut Jury nominierungswürdig, weil sie dorthin gingen, wo „die Schrecken des Krieges nicht mehr zu leugnen oder zu vertuschen sind“, weil sie „mit großer Empathie“ und „zutiefst ergreifend“ berichteten, und weil sie deutlich machten, „was die aktuellen Ereignisse für die Menschen vor Ort bedeuten“. Das alles sind Begründungen, die ohne Frage auf die Nominierten zutreffen. Aber eben auch Paul Ronzheimer. Vielleicht sogar besonders auf ihn.

Der Bild-Reporter war früh vor Ort, verharrte in der bombardierten Hauptstadt Kiew, als viele andere schon wieder weg (oder gar nicht erst da) waren. Er war so lang vor Ort wie kein anderer deutscher Reporter und ist es wieder. Unbestritten war Ronzheimer auch emotional näher dran als viele andere, oft wurde sein Verhalten als nicht mehr objektiv kritisiert. Debatten, die man führen kann und sollte. Ronzheimer ging mit seiner Nähe zu einigen Protagonisten in Kiew aber offen, stellte sich Diskussionen. Zudem brachte seine Herangehensweise auch Ergebnisse. Viele exklusive Interviews, viele ebenso exklusive Meldungen. 

Die Jury des Reporterpreises verstärkt den Eindruck mancher, dass sich in Teilen der Branche prinzipiell gegen Bild positioniert wird. Den konnte man schon im Sommer bei der Verleihung des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises bekommen, der ebenso von TV-Experten vergeben wird und in diesem Jahr unter anderem an den (ebenso verdienten) Spiegel-Reporter Christoph Reuter ging. In der Begründung hieß es: „Die Art, in der Christoph Reuter nun Print und Podcasts, Online-Videos und TV-Dokumentationen, TV-Interviews und Auftritte als Talkshow-Gast in seiner Arbeit verbindet, ist als Antwort in einer multimedial verschmelzenden Kommunikationswelt zu sehen und wegweisend.“ Auch diese Begründung hätte auf Paul Ronzheimer gepasst.

Entscheidungen wie beim Fernsehpreis stärken jene, die diese Anti-Bild-Verschwörung gerne als Totschlagargument bei jeder aufkommenden Kritik verwenden und schwächt jene, die versuchen dagegenzuhalten. 

Es geht nicht darum, dass alle anderen keinen Preis oder eine Nominierung verdient hätten. Es geht darum, ob Paul Ronzheimer nicht auch so etwas verdient hätte. Zumindest die Chance darauf. 

Die Pressemitteilung der Fernsehpreis-Jury trug die Überschrift „Zeit für Experimente“. Die Nominierung Ronzheimers wäre ein Experiment gewesen – nicht einmal ein außergewöhnliches. Man hätte keinen der anderen Nominierten durch ihn ersetzen müssen. In anderen Kategorien war es offenbar kein Problem, sich auf mehr als drei potenzielle Preisträger zu einigen. Schade, dass sich die Jury auf Anfrage nicht weiter erklären wollte.


So genannte Pur-Abos liegen voll im Trend. Selbst Medien, die gar nicht so viel von Abo-Modellen halten, setzen mittlerweile auf ein solches Angebot. Sie sind für Nutzer gedacht, die nicht bereit sind, ihren Konsum mit Daten zu bezahlen, die nicht bis ins letzte Detail getrackt werden. Viele Publisher geben zudem an, in ihren Pur-Angeboten au Werbung zu verzichten. 

Wer sich für ein Pur-Abo holt, wünscht sich eine trackingfreie Zone. 

Dafür gibt es eine Zahlungsbereitschaft, Publisher und andere Medienanbieter können so ihren Umsatzausfall in der Werbevermarktung kompensieren. Klingt nach einem fairen Deal – aber ist es auch wirklich einer?

Die Recherche von Matthias Eberl legt sehr nahe: Nein, es ist kein fairer Deal. Der Multimedia-Journalist und Datenschutzexperte hat für Medieninsider eine Stichprobe gemacht und die Angebote der Rheinischen Post, von Zeit Online sowie von der Sächsischen Zeitung, die gerade ein Pur-Abo gelauncht hat, unter untersucht. Obwohl die Angebote versprechen, die Privatsphäre ihrer Nutzer zu schützen, sammeln sie fleißig weiter Daten. In einem Fall, schalten sich nun sogar die Datenschützer ein. 

Matthias‘ Artikel über die Unreinheit der Pur-Abos und die Frage, weshalb das Thema seitens der Publisher gar nicht so ernst genommen wird (aber unbedingt ernst genommen werden sollte), kannst du als Medieninsider hier lesen.

Über die Unreinheit der Pur-Abos


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Die Innovationskonferenz für Medien findet wieder statt!

Am 8. September 2022 veranstaltet nextMedia.Hamburg gemeinsam mit der dpa das scoopcamp. Expert*innen der Branche kommen in Hamburg zusammen, um die Zukunft des Journalismus zu diskutieren. Wie finanziert sich qualitativ hochwertiger Journalismus in einer zunehmend digitalen Medienwelt? Gibt es Alternativen zu harten Paywalls und Abonnements? Was kann der Journalismus von Influencer*innen lernen? Erfahre mehr und melde dich noch heute für das scoopcamp 2022 an! Alle Informationen zum Timetable und den Ticketshop findest du unter www.scoopcamp.de.


Ebenfalls ein Trend-Thema ist die Disziplin des Fact Checkings. Auch aus der Unfähigkeit von Plattformen wie Facebook heraus hat sich ein neues Geschäftsmodell für journalistisches Handwerk entwickelt. Medien wie Correctiv, die DPA, die AFP oder die Tagesschau betreiben mittlerweile eigene Fact-Checking-Teams, die gezielt mit Fake News aufräumen sollen. 

Umso bedauerlicher ist es, dass die Arbeit beziehungsweise die Angebote der Journalisten in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen werden. Das geht aus einer Untersuchung hervor, mit der sich unser Kolumnist Andreas Gebhardbefasst. Mehr noch: In den Interviews für die Studie wird ein gewisses Unverständnis dafür deutlich, dass Faktenchecks überhaupt als eigene Angebote erscheinen. Vielmehr zeichnet sich der Wunsch ab, die journalistische Disziplin deutlicher in den redaktionellen Alltag zu integrieren. Das zeigt auch: Offenbar entsteht zu selten der Eindruck, dass so etwas passiert. 

Wie sich das ändern lässt? Andreas hat ein paar Beispiele herausgesucht, aus denen sich Inspiration ziehen lässt. Seine Kolumne kannst du als Medieninsider hier lesen.

Faktenchecks müssen allgegenwärtig werden


Vergangene Woche war Cathrin Gilbert Gast beim digitalen Q&A im Directors’ Club. Cathrin ist als verantwortliche Redakteurin bei der Zeit für das Gespräch der Woche zuständig und hat ihre Erfahrungen und Tipps im Umgang mit Interviews und Autorisierungsprozessen geteilt. 

Mein Kollege Fabian hat den Besuch zusammengefasst. Seinen Text kannst du als Director-Mitglied hier lesen.

So entstehen große Interviews bei der Zeit


News und Entdeckungen der Woche 

zusammengetragen von Kevin Dusch

NOZ stellt HHLab ein

Die Neue Osnabrücker Zeitung hat bekanntgegeben, das HHLab aufzulösen. Die Unit wurde 2018 als Innovationslabor gegründet, 2020 um eine Unternehmensberatung für Paid Content ergänzt. Mit der Schließung des Labs sollen keine Kündigungen verbunden sein, die Mitarbeiter sollen an anderen Stellen innerhalb der Mediengruppe eingesetzt werden. Axel Gleie, Geschäftsführer der NOZ/mh:n Medien, betonte beispielsweise die Weiterentwicklung des E-Papers. Die Pressemitteilung der NOZ findest du hier.

United Internet will GMX und Web.de verkaufen

United Internet will laut Handelsblatt GMX und Web.de verkaufen. Die Bewertung der beiden Portale soll zusammengerechnet bei rund 1,5 Milliarden Euro liegen. Grund für den Verkauf könnte das aktuelle Mobilfunk-Großprojekt von United-Internet-Chef Ralph Dommermuth sein. Mit seinem Unternehmen 1&1 baut er derzeit eine eigene 5G-Infrastruktur auf, wofür er eigenen Angaben zufolge fünf Milliarden Euro investieren will. Bisher hat sich der Konzern zu den Plänen nicht geäußert. Den Bericht des Handelsblatts zum Thema findest du hier.

Mitarbeiter werfen NDR politisch motivierte Berichterstattung vor

Mehrere NDR-Mitarbeiter werfen der Leitung im Landesfunkhaus Kiel politisch motivierte „Hofberichterstattung“ im Sinne der CDU-geführten Landesregierung vor. Laut Recherchen von Business Insider Deutschland hatten sich bereits im Laufe der vergangenen zwei Jahre neun Mitarbeiter beim Redaktionsausschuss des NDR über den Missstand beschwert. Darin findet sich auch der Fall eines NDR-Redakteurs, der kritisch über den 2020 zurückgetretenen Innenminister Schleswig-Holsteins Hans-Joachim Grote berichten wollte und mehrfach daran gehindert worden sei. Im Zentrum der Kritik stehen Fernsehchef Norbert Lorentzen und Redaktionsleiterin Politik und Recherche Julia Stein. Beide weisen die Vorwürfe der politischen Einflussnahme zurück. Laut Stern fordern nun 72 Mitarbeiter per Brandbrief eine rasche Aufarbeitung der Vorwürfe ein. Der NDR-Rundfunkrat sei bereits eingeschaltet. Die aktuelle Recherche des Stern findest du hier.

Cox Enterprises übernimmt Axios

Axios Media hat mit dem Mischkonzern Cox Enterprises (The Atlanta Journal Constitution) einen neuen Eigentümer. Cox war seit 2021 als Investor an Bord und hat das US-Medium nun komplett übernommen. Nach Markteinschätzungen soll das Unternehmen 525 Millionen US-Dollar für den Deal bezahlt haben. Die Gründer Jim VandeHei, Mike Allen und Roy Schwartz sollen unverändert die Geschäfte von Axios führen und minderheitsbeteiligt bleiben. Allerdings soll das Software-Angebot Axios HQ als eingeständiges Unternehmen ausgegründet werden, hier mit Cox Enterprises als Minderheitsinvestor. Das Interesse großer Medienkonzerne an Axios Media ist nicht neu. Auch Axel Springer hatte vor einiger Zeit Interesse bekundet, übernahm schließlich Politico. Die Mitteilung zur Übernahme von Axios findest du hier.


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Neues von den MEDIENTAGEN MÜNCHEN

📰 Musik-Stream und Podcast: Wie wir heute hören

Mit aktuellen Zahlen zum Audio-Streaming wartet der Digitalverband Bitkom auf – zum 40. Jubiläum der CD. Doch nicht nur Musik rufen wir heute lieber aus dem Netz ab. Zum Blogbeitrag

📰 Qualitätsfernsehen erhalten: TV EU als Szenario

Es geht ums Überleben. Ums Überleben einer Branche, aber auch ums Überleben von Kultur, Vielfalt, Qualität und Sehgewohnheiten. Zum Blogbeitrag

🎧 Folge 83: NFTs – Hype oder die Zukunft von Medien?

Warum die Zukunft von Medien in NFTs liegt und wie sich Medienunternehmen die Non-Fungible Tokens schon jetzt zunutze machen können. Zum Podcast


RBB-Ticker: Die wichtigsten aktuellen Meldungen aus dem Schlesinger-Skandal

Der Skandal um die inzwischen ehemalige RBB-Intendantin und ARD-Chefin Patricia Schlesinger hat die Sendeanstalt sowie den gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk in große Schwierigkeiten gebracht. Weiterhin überschlägt sich fast täglich die Nachrichtenlage mit weiteren Vorwürfen, Ungereimtheiten oder Diskussionen. Mit unserem Ticker bekommst du einen Überblick über die wichtigsten Neuigkeiten.

► RBB-Rundfunkrat wollte heute einen Interimsintendanten wählen – doch daraus wird nichts (Süddeutsche Zeitung)

► Nach fristloser Entlassung: Warum der RBB Schlesinger zweimal kündigen musste (TAZ)

► Neue Dokumente zeigen enge Freundschaft zwischen Schlesinger und Verwaltungsratschef, inklusive gemeinsamer Urlaubspläne (Tagesschau)

► RBB-Justiziariat hat womöglich Beweismaterial gelöscht (Business Insider Deutschland)

► RBB-Mitarbeiter wollen mit eigener Kommission aufklären und über neue Intendanz mitbestimmen (FAZ)

► Podcast-Tipp: Das Medienmagazin von Radio Eins über den RBB nach Schlesinger (RadioEins/RBB)


Neue Stellenanzeigen aus dem Medieninsider Transformationsmarkt

Volontär:in (gn) für das Handelsblatt und die WirtschaftsWoche
Georg von Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten
Düsseldorf, Vollzeit

Sitemanager*in (d/m/w) am Digitaldesk
Rheinische Post Mediengruppe
Düsseldorf, Vollzeit

Senior Netzwerk- und Kommunikationsmanager:in
Medieninformationszentrum Babelsberg (MIZ)
Potsdam, Vollzeit

Projektmanager:in für die Weiterentwicklung und Mobilisierung des Escape-Room-Projektes
Medieninformationszentrum Babelsberg (MIZ)
Potsdam, Vollzeit

Redakteur (m/w/d) für den crossmedialen Desk
Bremer Tageszeitungen AG
Bremen, Vollzeit

Journalist*innen
KiVVON
Berlin, Vollzeit

Online-Redakteur (m/w/d) mit Schwerpunkt SEO
Bremer Tageszeitungen AG
Bremen, Vollzeit

Job in den digitalen Medien zu vergeben? Stellenanzeige aufgeben auf jobs.medieninsider.com/post oder Mail an jobs@medieninsider.com

Aus dem Personalticker

► Gregor Peter Schmitz baut die Stern-Chefredaktion um 

► Christian Schlesiger wird Wirtschaftschef bei The Pioneer

► RTL Deutschland: Ingrid Heisserer wird CFO, Xenia Meuser Personalchefin

► Louis Klamroth beerbt Frank Plasberg bei „Hart aber fair

► Stephan Madel springt bei Funke für Vermarktungsleiter Dirk Wiedemann ein

► Anna Bateson wird Guardian-Geschäftsführerin

► MDR: Sachsen-Anhalt-Chefin Ines Hoge-Lorenz tritt zurück

► Burkhard Graßmann verlässt Burda

► Sandra Kuhn verlässt Bild TV nach nur einem Jahr

► Jahreszeiten Verlag: Chefredakteur Thomas Garms geht

► Mark Dekan wird COO der Politico Media Group

Mehr Personalien findest du hier und bei Twitter unter @medienjobboerse


Community-Frage

Im Lese-Letter Anfang August wollten wir von dir und anderen Medieninsidern erfahren, ob ihr schon einmal überlegt habt, ein eigenes Unternehmen im Journalismus zu gründen. So hat die Community abgestimmt:

► 71,4 Prozent haben schon einmal überlegt, selbst im Journalismus zu gründen.

► 14,3 Prozent hatten diese Überlegung noch nicht.

► Ebenfalls 14,3 Prozent haben schon im Journalismus gegründet.

Unsere Frage in dieser Woche lautet:

Brauchen Redaktionen Klima-Ressorts?

Das Ergebnis gibt es in der nächsten Ausgabe des Lese-Letter!

Viele Grüße sendet dir
Marvin

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Marvin Schade
Marvin Schadehttps://medieninsider.com
Marvin ist Co-Gründer und Founding Editor von Medieninsider und hat sich damit einen kleinen Traum erfüllt. Vor der Gründung war er mehrere Jahre für den Branchendienst Meedia in Hamburg und Berlin tätig, arbeitete kurz beim Focus Magazin und zuletzt für Gabor Steingarts Morning Briefing.

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