Hallo Medieninsider!
Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche im Lese-Letter unter anderem erwartet:
► Influencer-Journalismus: Louisa Dellert, Markus Ehrlich und Paula Riebschläger sprechen über ihr neues Vorhaben
► Brian Morrissey beschreibt, wie sich der Begriff der Premium-Wertigkeit verändert
► So viele Abos hat die Welt mit ihrem umstrittenen Gastbeitrag über „Transgender-Ideologien“ im Öffentlich-rechtlichen gedreht
► Corint hat vergangenes Jahr 47 Mal mehr für das Leistungsschutzrecht ausgegeben als damit eingenommen
► Wir haben gefragt, ihr geantwortet: So denkt die Community über den Rücktritt von Mathias Döpfner als BDZV-Präsident
Was haben Journalisten und Influencer gemeinsam?
► Beide erstellen Inhalte (Content) für bestimmte Zielgruppen.
► Beide stehen oder befassen sich mit einem (oder einigen) speziellen Thema (meistens).
► Ihre Geschäftsmodelle sind ähnlich – Glaubwürdigkeit ist ihre Währung.
Was unterscheidet Journalisten von Influencern?
► Journalisten verfolgen den Anspruch der Objektivität, Influencer müssen das nicht.
► Journalisten denken losgelöst vom Kanal, während Influencer vor allem die Klaviatur der sozialen Netzwerke beherrschen.
► Journalisten stehen (noch) eher im Dienste eines Mediums, Influencer veröffentlichen selbst.
So viel zur Theorie. In der Praxis stellen sich die Fragen: Haben Journalisten und Influencer nicht mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede? Und können sie sich nicht gegenseitig befruchten?
Jüngst hat sich ein Trio zusammengetan, das genau das ergründen wird. bright + bolder heißt dessen junges Unternehmen, das man zunächst als Produktionsfirma für journalistische Inhalte auf unterschiedlichen Ausspielwegen bezeichnen kann. Dahinter stehen die Influencerin Louisa Dellert, bekannt für Impulse rund um Umwelt, Nachhaltigkeit und Feminismus, sowie die beiden Journalisten Markus Ehrlich und Paula Riebschläger.
Ich habe mit den dreien über ihr Vorhaben gesprochen und darüber, ob und wie Influencer-Dasein und Journalismus miteinander funktionieren. Louisa sagt:
„Man muss nur gucken, wie man pflichtbewusst mit beidem zusammen umgeht“
Das Interview ist auch ein Gespräch darüber geworden, was uns Journalisten noch immer einigermaßen schwer fällt: Dialog und Kommunikation auf Augenhöhe mit Nutzern.
Du kannst das Interview mit Louisa, Paule und Markus als Medieninsider hier lesen.
Influencerin Louisa Dellert macht jetzt Journalismus
re:publica Berlin 2022
10 Bühnen, über 400 Sessions, mehr als 700 Sprecher*innen: Ab morgen findet die re:publica 22 zum fünfzehnten Mal in Berlin statt.
Haben dein Chef oder du selbst schon mal behauptet, ein zweitklassiges Produkt zu machen? Vielleicht mal als interne Kritik nach einem nicht so guten Tag oder Projekt. Aber nach außen? Da ist immer alles Premium.
Aber was macht diese Wertigkeit eigentlich aus?
Früher waren es vor allem Print-Produkte, mit denen man sich einen Premium-Charakter verleihen wollte. Im Zuge der Digitalisierung ging die Haptik verloren, Anspruch an Optik und Illustration war aber lange Zeit weiter Ausdruck hoher Qualität. Doch mittlerweile, sagt Brian Morrissey, zieht auch nicht das nicht mehr.
Der Medienanalyst hat sich Gedanken über die Wertigkeit von Medienprodukten gemacht und aufgeschrieben, was anhand welcher Kriterien sich Premium-Produkte zukünftig ausmachen lassen. Seinen Text, der bei uns als Kolumne erscheint, kannst du als Medieninsider hier lesen.
Wie sich Premium-Wertigkeit verändert
Bemerkenswert, was in den vergangenen Tagen in der Redaktion der Welt, aber auch bei Axel Springer los war.
Ein pünktlich zum Pride Month veröffentlichter Gastbeitrag, der eine „Transgender-Ideologie“ in den öffentlich-rechtlichen Medien anprangerte, löste nicht nur Empörung aus, sondern gleich eine neue Kommunikationskrise. Kritiker werteten den Beitrag von fünf Gastautoren als queer- und speziell transfeindlich. Die Reaktionen:
► Die Veranstalter der queeren Jobmesse Sticks & Stones empfanden den Beitrag sogar als so feindselig, dass die den Springer-Konzern kurzerhand ausgeladen haben – nach langjähriger Partnerschaft.
► Auch die Queer-Community innerhalb Springers reagierte, distanzierte sich unter anderem bei Instagram vom Welt-Beitrag.
► Schließlich schaltete sich auch Mathias Döpfner in die Debatte ein, bezeichnete den Beitrag als „unterirdisch“, den Ton als „oberflächlich, herablassend und ressentimentgeladen“.
Er reagierte klar in seiner Rolle als CEO, nicht als Verleger. Ganz im Interesse der Mehrheit seiner Stakeholder ist er bemüht um Schadensbegrenzung. Sowohl nach außen, als auch nach innen.
Dabei wird etwas auf der Strecke bleiben.
Döpfners Beitrag hat nämlich auch Konservative bis stark konservative Teile der Redaktion irritiert – trotz Bekenntnis zur Meinungsvielfalt und -freiheit. Dort (und auch bei Bild) verspürt man bereits seit Längerem eine gewisse Entfremdung. Redaktions- und Konzernlinie stehen längst nicht mehr im Einklang miteinander.
Die innere Zerrissenheit wird an niemand geringeres deutlich als an Welt-Chefredakteur (und Geschäftsführer) Ulf Poschardt. Der hatte in der Redaktionskonferenz am Tag vor der öffentlichen Döpfner-Rüge keinerlei Anlass für Zweifel am Artikel gesehen. Vielmehr sagte er, was man bei Springer gerne sagt: Die meisten Kritiker schrien nur aus Springer-Abneigung, die wenigsten hätten den Text wirklich gelesen. Bei LinkedIn sympathisierte er nicht nur mit dem Gastbeitrag, er machte ihn sich auch zu eigen (übrigens immer noch). In der Welt klingt das mittlerweile anders. Poschardt hat darüber geschrieben, wie er reflektiert habe und mehr Sensibilität gegenüber jenen angekündigt, die keine Macht hätten. Distanziert hat er sich von dem Beitrag nicht.
Am Ende wird in der Welt eine Debatte stehen. Die ersten Beiträge sind angekündigt und veröffentlicht. Poschardt wird das als Beleg für die Meinungsvielfalt und Diversität in seinem Medium sehen – und für publizistische Bedeutung. Im Hintergrund dürfte man sich bei Springer vor allem aber eines fragen:
Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?
Der Vorstand – der demnächst ein eigenes Ressort auch für Kulturfragen bekommt – wird zügig Antworten finden müssen, wie die unterschiedlichen Strömungen in einem Haus, das sich einerseits als zugewandter Technologiekonzern versteht und sich andererseits der konservativen Publizistik verpflichtet fühlt, nebenher existieren sollen. Oder eben nicht. Eine gegenseitige Unabhängigkeit ist fast ein Ding der Unmöglichkeit.
Apropos: Während Döpfner bei seiner Replik Stakeholder wie Unternehmenspartner, Werbekunden und Investoren im Hinterkopf gehabt haben dürfte, unterstellt man der Welt zu sehr an andere gedacht zu haben: an gewisse Zielgruppen am rechten Rand. Nach dem Beitrag wurde wieder heiß darüber diskutiert, ob die Welt bewusst für Klicks und Abos provozierte. Bei Meedia fragt sich Chefredakteur Stefan Winterbauer, wie viele Neu-Kunden der Text wohl gebracht habe und spekulierte: „Schätzungsweise dürften es nicht wenige gewesen sein.“
Die Antwort – recherchiert, nicht geschätzt – kannst du als Medieninsider hier lesen.
So viele Abos hat die Welt mit ihrem umstrittenen Gastbeitrag gedreht
Wenn wir Inhalte haben, von denen wir denken, dass sie auch für eine internationale Zielgruppe interessant sein könnten, veröffentlichen wir sie auch auf Englisch. Das Interview von Alexandra Borchardt mit US-Medienkritiker Jay Rosen ist so ein Beispiel.
Alexandra hat mit dem Professor an der New York University über Missverständnisse und Widersprüche im Journalismus gesprochen – vor allem mit Blick auf Forderungen nach Objektivität und Diversität. Du findest die englischsprachige Fassung hier. Teile sie doch gerne mit deinem internationalen Netzwerk.
Jay Rosen about misunderstandings in journalism
News und Entdeckungen der Woche
zusammengetragen von Kevin Dusch
Corint Media kostet Verlage 2021 mehr als zwei Millionen Euro
Laut Jahresabschluss von Corint Media für 2021 hat das Leistungsschutzrecht für Presseverlage vergangenes Jahr 2,28 Millionen Euro gekostet – rund 47 mal so viel, wie eingenommen wurde. Grund sind gestiegene Aufwendungen für Personal, Rechtsberatung und Gerichtsgebühren. 2020 zahlte man dafür 1,78 Millionen Euro. Aus der Durchsetzung des Leistungsschutzrechts kamen 2021 hingegen nur 49.000 Euro zusammen, wohl zurückzuführen auf Springers News-Aggregator Upday, mit dem es eine Einigung gibt. Da die Durchsetzungskosten von den Verlagen getragen werden, ergibt sich eine zu zahlende Differenz von 2,23 Millionen Euro.
Mehr zum Thema von Medieninsider: Leistungsschutzrecht: Und jetzt?
Werbe-Töchter von Springer und RTL gründen TV-Werbeplattform
Die RTL-Tochter Smartclip und Axel Springer All Media (ASAM) gründen eine Selbstbuchungsplattform zur Buchung von TV-Werbung. Zielgruppe sind kleine und mittelständische Unternehmen. Sie sollen damit Zugang zum Werbemarkt in überregionalen Medien erhalten. Zunächst erhalten die Unternehmen Zugang zu den Sendern RTL, Vox und Sport1 – weitere Kanäle sollen folgen, auch online. Die Werbetreibenden können über das Portal unter anderem Zielgruppen und Kampagnenziele definieren. Einen aktuellen Text von New Business zum Thema findest du hier.
Forbes sagt Börsengang ab
Forbes hat seinen geplanten Börsengang abgesagt. Das Vorhaben war im vergangenen August angekündigt worden. Der Plan war, mithilfe einer Fusion mit einer Mantelgesellschaft (SPAC) an die Börse zu gehen, wie es zuvor unter anderem schon Buzzfeed getan hatte. Als Grund für die Absage nannten die Beteiligten die schlechte Situation am SPAC-Markt. Eine Meldung von PressGazette zum Thema findest du hier.
New York beschließt Gesetz zum Schutz von Freelancern
Der US-Bundesstaat New York hat das „Freelance Isn’t Free”-Gesetz verabschiedet, mit dem Freiberufler besser geschützt werden sollen. Die Regelung soll sicherstellen, dass Freelancer schriftliche Verträge erhalten. Außerdem schreibt das Gesetz vor, dass der Lohn zu einem festgelegten Zeitpunkt oder innerhalb von 30 Tagen gezahlt werden muss – andernfalls haben Freiberufler künftig das Recht, das doppelte Honorar zu verlangen. Mit der neuen Regelung erweitert New York seinen seit 2016 bestehenden gesetzlichen Freelancer-Schutz. Die Mitteilung zur Ratifizierung des New Yorker Senats findest du hier.
Meta-COO Sheryl Sandberg geht nach 14 Jahren
Sheryl Sandberg, COO des hinter Facebook und Instagram stehenden Konzerns Meta, hat nach 14 Jahren im Unternehmen ihren Rückzug bekannt gegeben. Unter ihrer Verantwortung entwickelte sich Facebook zu einer der relevantesten Social-Media-Plattformen der Welt. Allerdings sorgte Sandberg in den vergangenen Jahren auch immer wieder für negative Schlagzeilen, unter anderem im Zusammenhang mit dem russischen Versuch, in die US-Präsidenten-Wahl 2016 einzugreifen, ebenso wie beim Datenschutz-Skandal um Cambridge Analytica. Den COO-Job bei Meta übernimmt künftig der bisherige Chief Growth Officer Javier Olivan. Eine Meldung dazu von Axios findest du hier.
Neues von den MEDIENTAGEN MÜNCHEN
📰 Connected TV – das Beste aus zwei Welten
Das vernetzte Fernsehen ist auf dem Vormarsch und bei vielen Usern weltweit nicht mehr wegzudenken. Zum Blogbeitrag
📰 Wohin entwickelt sich Connected TV?
Die Ausstattung der Haushalte mit smarten internetfähigen TV-Geräten hat einen neuen Höchststand erreicht. Zum Blogbeitrag
🎧 Folge 77: Medien und Gesundheit – Orientierung in einem Ozean von Informationen
Welche falschen Kausalitäten Journalist*innen bei Berichten über Depressionen vermeiden sollten. Zum Podcast
Aus dem Personalticker
► Zeit-Journalistin Lisa Nienhaus wird Wirtschaftschefin bei der SZ
► Jan Kugelmeier wird Head of Ad Technology bei RP Digital
► Ad Alliance stellt Geschäftsführung neu auf
► ZDF baut Umweltredaktion aus und macht Cathérine Kipp zur Leiterin
► Jennifer Kho ist erste Frau an der Spitze der Chicago Sun-Times
► Philipp Keßler wird Vize-Chefredakteur der Mediengruppe Offenbach-Post
► Mitgründer Wolf Lotter verlässt Brand Eins
Mehr Personalien findest du hier und bei Twitter unter @medienjobboerse
Community
Umfrage-Ergebnis
Im vergangenen Letter hatte ich dich eingeladen, in unseren Communitys über die Frage abzustimmen, ob der Rücktritt von Mathias Döpfner als BDZV-Präsident richtig ist oder nicht. So wurde in unseren Gruppen und bei Twitter abgestimmt:
► In unserer LinkedIn-Gruppe befanden 100 Prozent, dass der Rücktritt richtig war.
► Bei Facebook sagten 90 Prozent, dass Döpfners Rücktritt richtig war. 10 halten die Entscheidung für falsch.
► Bei Twitter waren es 80 Prozent, die für den Rücktritt von Döpfner waren, 20 Prozent hielten seine Entscheidung für falsch.
Community-Termine
Meetup der Medieninsider:
► Wir laden zum Community-Call ein! Am 13. Juni 2022, um 16 Uhr, wollen wir mit dir und weiteren Medieninsidern über die Berichterstattung von Medieninsider sprechen, über das Produkt und vor allem über die Community – was gefällt dir, was fehlt dir, was brauchst du nicht? Mit diesem Feedback soll Medieninsider besser auf deine Bedürfnisse ausgerichtet werden – sei also mit dabei! Das Meetup der Medieninsider findet digital statt. Als Mitglied kannst du dich hier anmelden.
Directors’ Club Q&As:
► 29. Juni 2022, 15 Uhr – Q&A mit Ellen Heinrichs, Gründerin Bonn Institute, Thema: Konstruktiver Journalismus (Video-Call)
► 29. Juli 2022, 17 Uhr – Q&A mit Paul Ostwald, Gründer Forum.eu, Thema: Gründertum im Journalismus (Video-Call)
Mit dabei sein kannst du nur als Medieninsider mit Director-Mitgliedschaft. Mehr Informationen findest du hier.
Lesetipp
von Kevin Dusch
Griffige Schlagworte sind für die Politik ein gern gewähltes Instrument, um Programme und Gesetze zu kommunizieren. Sie verpacken komplexe Zusammenhänge in eingängige Worthülsen. Das ist allerdings nicht ihr einziger Zweck, sagen ARD-Mann Marcel Heberlein und Oliver Georgi von der FAS in einem Text für Medias Res. Vielmehr würden sie eine politische Agenda transportieren – getarnt im Gewand einer vermeintlichen Auf-den-Punkt-Formulierung. Journalisten sollten sich vor den trügerischen Parolen hüten. Anhand von vier Beispielen zeigen die Journalisten auf, was die Schlagworte so trügerisch macht:
► Tankrabatt: Zwar gingen die Preise nach Einführung des „Rabatts“ etwas runter. Zuvor schossen sie aber erst einmal in die Höhe. Fraglich ist, wer hier spart: die Bürger oder die Ölkonzerne.
► Sondervermögen: Die Bundeswehr bekommt mehr Geld. Der Begriff Vermögen verschleiert jedoch, dass das Geld nicht ohnehin da ist, sondern in großem Stil neue Schulden aufgenommen werden.
► Gute-Kita-Gesetz: Hier wird das Kalkül hinter der Bezeichnung sofort deutlich: Sie nimmt das Gelingen der Maßnahme ohne jeden Beleg vorweg.
► Flüchtlingskrise: Mit den massiven Flüchtlingszuströmen ab 2015 hat sich der politische Begriff der Krise schnell allgemein etabliert. Mit ihm ging von Anfang an eine Dramatisierung der Ereignisse einher.
Journalisten sollten sich dieser Vor-Konnotation bewusst sein und sie immer wieder thematisieren – denn sind diese Begriffe einmal politisch in die Welt gedrungen, gehen sie nicht mehr weg. Umso wichtiger ist es, sie unnachgiebig kritisch einzuordnen. Den ganzen Beitrag des Deutschlandfunk findest du hier. Im Format „Sagen und Meinen“ ordnet die Media-Res-Redaktion außerdem in 37 Folgen einzelne politische Schlagworte ausführlich ein. Die Beiträge findest du hier.
Viele Grüße sendet dir
Marvin