Presseförderung: Noch eine Klatsche für das Wirtschaftsministerium

Ausgabe #37/21

Hallo Medieninsider!

Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche im Lese-Letter unter anderem erwartet:

► Wie sich geschlechterbeschreibende Sprache in den Medien verändert

► Weshalb Madsack nun doch bei der Corint bleibt und wie diese zukünftig Einnahmen aus dem Leistungsschutzrecht verteilen will

► Was der Bundesrechnungshof über die bisherigen Pläne zur Presseförderung denkt 

► Welche Studie von Medien keine Beachtung hätte finden dürfen


Sprachkompass: So verändert sich das Gendern in Medien

Kaum eine Branchendebatte wird so erhitzt geführt wie die nach gendergerechter Sprache. Gendersternchen, Binnen-I und Doppelpunkt werden an vielen Stellen gefordert, gesellschaftlich gewünscht werden sie bislang aber wenig. 

Wie sich Sprache verändern muss (und ob überhaupt), darüber herrscht in der Branche Uneinigkeit. Deshalb hilft es, sich einen Überblick zu verschaffen. Wer gendert eigentlich wie und wer verändert seine Regeln in welchem Umfang?

Meine Kollegin Helen Krueger-Janson hat in den vergangenen Wochen zahlreiche Redaktionen nach ihren Standards gefragt und die zweite Ausgabe unseres Sprachkompass erstellt. Damit protokolliert sie auch einige Veränderungen seit unserer ersten Ausgabe im Mai:

► Die SZ hat erstmals Regeln für geschlechtersensible Sprache aufgestellt, der Spiegel seine überarbeitet.

► Auch die Redaktion von Geo hat jetzt Regeln, verfährt im Hauptheft aber anders als beispielsweise bei Geo Epoche.

► Die Augsburger Allgemeine ist nach einem längeren internen und externen Austausch zu neuen Handlungsempfehlungen gekommen – ihre Entscheidung hat auch technische Gründe.

► Neue Regeln haben auch die Nachrichtenagenturen, die die Sprache eines Mediums mitprägen. Von den geschlechterneutralen Regeln, um das generische Maskulinum zu vermeiden, ist nicht jeder begeistert – wie an der Reaktion von Merkur-Chef Georg Anastasiadis deutlich wird:

„Wir werden die neue Kunstsprache („Forschende“ statt Forscher) nicht übernehmen und müssen die Agentur deshalb künftig ‚rückübersetzen‘.“

Wie die Regeln der Redaktionen konkret aussehen und wer seine Richtlinien noch überarbeitet hat, erfährst du in Helens Text. Den Artikel kannst du als Medieninsider hier lesen


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New York Times: Qualitätsjournalismus zahlt sich aus

Das internationale Branchenaushängeschild New York Times (NYT)demonstriert von Quartal zu Quartal, wie Qualitätsjournalismus profitabel wachsen kann. Vor allem eine hart umkämpfte Konzernsparte sorgte im zweiten Quartal für spektakuläre Erlöse: Hier kannst du mehr lesen.


Leistungsschutzrecht: Madsack bleibt bei Corint – so sieht der neue Verteilungsplan aus

Madsack-CEO Thomas Düffert
Madsack-CEO Thomas Düffert

Die Verwertungsgesellschaft Corint schlichtet den Streit zwischen ihren Gesellschaftern Axel Springer und Madsack. Ein neuer Verteilungsplan für die Erlöse aus dem Leistungsschutzrecht (LSR) soll den unterschiedlichen Interessen der Verlage gerechter werden. Der Kompromiss führt dazu, dass Madsack-CEO Thomas Düffert (Foto) den im Mai angekündigten Austritt zurücknimmt.

Mit dem neuen Verteilungsplan – gültig ab Januar 2022 für zunächst zweieinhalb Jahre – will Corint eine gerechtere Ausschüttung zwischen regionalen und überregionalen Medien erreichen. Auch sieht das neue Modell die Ausschüttung der Einnahmen nicht ausschließlich nach bedingungsloser Reichweite vor, sondern bezieht andere Kriterien mit ein – beispielsweise den Anteil an redaktionellen Inhalten eines Mediums. Auch die Anzahl von Verkäufen kostenpflichtiger Inhalte wird nun relevant – und plötzlich spielt auch die Print-Auflage eine Rolle.

Das klingt komisch, ist aber so. Ich habe mir den neuen Verteilungsplan, der zukünftig fünf unterschiedliche Budget-Töpfe vorsieht, an die auch nicht jeder gleichermaßen herankommt, genauer angesehen.

In meinem Artikel blicke ich hinter die Zeilen in der Pressemitteilung und erkläre die Besonderheiten des neuen Modells. Meinen Text kannst du als Medieninsider hier lesen


Darum ist Arist von Harpe Medieninsider

Es ist jetzt ein Jahr her, dass wir mit Medieninsider an den Start gegangen sind. Unser Angebot wäre nichts ohne unsere treuen Mitglieder. Deshalb stellen wir hier einige von ihnen vor – und sie erklären wiederum, weshalb sie eigentlich Medieninsider sind. So wie Arist von Harpe:

Medieninsider werden und damit unseren Journalismus unterstützen kann übrigens jeder. Mehr Infos findest du hinter diesem Link.


Mehr News & Entdeckungen aus der Woche

Presseförderung: Bundesrechungshof watscht Wirtschaftsministerium ab

Der Bundesrechnungshof hat mit Blick auf die bisherigen Pläne der Bundesregierung zur Presseförderung für Verlage  „erhebliche Bedenken“. In einem Bericht bezweifeln die Rechnungsprüfer, dass ein staatlicher Eingriff überhaupt notwendig sei, zugleich stellen sie mehrere Versäumnisse des Bundeswirtschaftsministeriums fest: So habe das Ministerium die Notwendigkeit der Förderung ebenso wenig begründet wie es Belege vorgebracht hat für die Annahme, dass Verlagen finanzielle Ressourcen für die Transformation fehlten. Nicht nachvollziehbar sei auch der an die Print-Auflagen gekoppelte Verteilungsschlüssel. Darüber hinaus habe das Ministerium Angaben zur Höhe der Förderung ungeprüft von der Verlagslobby übernommen. Im Bericht heißt es: „Der Bundesrechnungshof sieht den Einfluss der Verlagsbranche auf das Förderprogramm insgesamt kritisch.“ 

Den Bericht legte der Bundesrechnungshof im Juni dieses Jahres vor, er macht allerdings jetzt erst die Runde. Die besprochene Presseförderung ist mittlerweile vorerst vom Tisch. Das Ministerium hatte die Pläne zurückgezogen, nachdem die Gründer des Digitalmagazins Krautreporter verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet und dagegen vorgegangen waren. Den kompletten Bericht des Bundesrechnungshofs findest du hier, eine Zusammenfassung gibt es hier

Forsa und Bundeswahlleiter streiten vor Gericht

Das Meinungsforschungsinstitut Forsa streitet mit dem Bundeswahlleiter vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden. Hintergrund der Fehde mit Bundeswahlleiter Georg Thiel sind unterschiedliche Auffassungen zur Rechtmäßigkeit der Abfrage von Wahlentscheidungen von Briefwählern im Vorfeld der Bundestagswahl. Thiel hatte Forsa aufgefordert, keine Daten von Briefwählern in die „Sonntagsfrage“ einfließen zu lassen. Er verwies auf das Bundeswahlgesetz, laut dem Abstimmungsdaten von Wählern nicht vor dem Wahltag verwendet werden dürften. Forsa hält dagegen und meint, dass die Abfrage der Briefwahlentscheidung von diesem Passus nicht berührt werde. Eine aktuelle Meldung von Business Insider findest du hier.

WDR setzt Start mit Quarks-Moderatorin El-Hassan aus

Der WDR lässt die angekündigte Quarks-Moderatorin Nemi El-Hassan vorerst nicht auf Sendung gehen. Hintergrund ist ihre Teilnahme an einer Al-Quds-Demo vor sieben Jahren.  Auf den jährlichen Al-Quds-Märschen kommt es immer wieder zu antisemitischen Äußerungen. In einem Statement distanzierte sich El-Hassan von der Aktion. Der WDR will Vorwürfe gegenüber El-Hassan nun prüfen, ohne direkt Konsequenzen zu ziehen. El-Hassans Premiere beim Wissenschaftsmagazin war für November vorgesehen. Die Pressemitteilung des WDR findest du hier

Twitter rollt Revue global aus

Nach einer einmonatigen Testphase ist der Newsletterservice Revue nun für alle Nutzer verfügbar. Konkret wurde ein neuer Abo-Button eingeführt, den Publisher in ihrem Profil hinterlegen können und über den Interessenten mit einem Klick Newsletter abonnieren können. Twitter hatte die Newsletter-Publishing-Plattform Revue im Januar übernommen. Eine Meldung zum Thema von Adweek findest du hier.

Softwarekonzern Intuit kauft Mailchimp

Der US-amerikanische Softwarekonzern Intuit übernimmt das E-Mail-Marketingunternehmen Mailchimp für zwölf Milliarden Dollar. Um den Deal zu finanzieren wird Intuit unter anderem zwischen 4,5 und fünf Milliarden Dollar neue Schulden aufnehmen. Der Konzern ist spezialisiert auf Software für Steuererklärungen und die Buchhaltung für kleine und mittelständische Unternehmen. Bis zum zweiten Quartal 2022 soll die Übernahme abgeschlossen sein. Die Pressemitteilung von Intuit findest du hier.

LinkedIn rollt Artikel-Funktion auch für Unternehmen aus

Ab sofort können nicht mehr nur Einzelpersonen Artikel bei LinkedIn veröffentlichen, sondern auch Unternehmen und Organisationen. Damit sind sie also nicht mehr nur auf klassische Posts beschränkt. Laut LinkedIn soll dieser Schritt Seitenbetreibern mehr Nutzer-Engagement ermöglichen. Gleichzeitig hilft die Funktion LinkedIn dabei, Nutzer durch weniger externe Links im Netzwerk zu halten.  Die Meldung von LinkedIn findest du hier.


Medieninsider stellt ein!

Medieninsider ist längst kein Projekt mehr für nur zwei Leute. Und deshalb stellen wir ein! Und zwar suchen wir einen:

Community-Redakteur (m/w/d) 
in Teil-/Vollzeit (fest oder frei)

Für die Position haben wir ein besonderes Profil entwickelt, denn wenn wir von Community sprechen, dann meinen wir auch Community. Mehr darüber erfährst du in unserer ausführlichen Stellenausschreibung. Wir freuen uns auf deine Bewerbung!


Aus der Medieninsider-Mediathek

► Arist von Harpe über seine Motive für den Kauf der Hamburger Morgenpost, Paid-Content-Pläne und neue Ideen für die Vermarktung. Zum Video und zur Zusammenfassung

► Katrin Gottschalk, Produktchefin und Vize-Chefredakteurin der taz, über Transformation und eine papierlose Zukunft. Zum Video und zur Zusammenfassung.

► Holger Stark, Investigativchef und stv. Chefredakteur der Zeit, über Pressefreiheit und investigativen Journalismus. Zum Video


Lesetipp

Hast du schon mal was von Avaaz gehört? Ich auch nicht – bis vergangene Woche. Da hat die Plattform, die sich auf das Erstellen von Petitionen fokussiert, mit einer „Studie“ zu Fake News über Politiker für Aufsehen gesorgt. Avaaz hat untersucht, wie oft Medien Falschinformationen weiterverbreiten. Das Ergebnis: Oft. Und am meisten über Annalena Baerbock

Ob TagesschauRNDT-OnlineWelt oder NZZ. Die Studie wurde quasi überall aufgegriffen, auch Fachmediendienste wie Meedia oder Turi2 spülten die Ergebnisse ungefiltert auf ihre Seiten. Die Deutsche Welle ließ sich sogar zur Überschrift hinreißen: „Fake News überschatten Bundestagswahlkampf“. Das ist problematisch.

Die „Studie“ nämlich kann man durchaus kritisch sehen. Beziehungsweise: Man sollte. 

Christoph Kucklick hat das getan. Der Chef der Nannenschule meint:

„Sie ist manipulativer Mist. Und Redaktionen hätten sie nicht aufgreifen dürfen.“ 

Seine Gründe:

► Die Studie hat nur 85 Fake-Meldungen über Politiker untersucht. Die Grundgesamtheit ist alles andere als repräsentativ.

► Unter den 85 Fake sei keine einzige Falschmeldung über Olaf Scholz gewesen. Wenig glaubwürdig, meint Kucklick und wittert „selection bias“.

► Die 25 Prozent Fake News, die auf Annalena Baerbock entfallen, sind in absoluten Zahlen noch einmal weniger als angenommen. Die Grundgesamtheit liegt nämlich noch einmal unter den ohnehin wenig 85 Falschmeldungen. Das geht in der Studie aber unter. 

► Kucklick entdeckt weitere Ungleichbehandlungen in Bezug auf Robert Habeck und Jens Spahn.

► Avaaz behauptet, 85 Prozent der Deutschen hätten schon einmal einen Baerbock-Fake gesehen. Kucklick hält die Methodik hinter dem Ergebnis für unsauber. Er sagt:

„Das ganze Umfrage-Design ist Humbug“

► Unsaubere Arbeit findet er auch bei Beispielen, in denen Medien die Fake News aufgegriffen hätten, ohne sie kenntlich zu machen. Er weist nach, dass dies sehr wohl der Fall gewesen ist. 

Kucklicks Resumée:

„Das eine ist, dass Avaaz so einen Fake News-Mist produziert. Das andere, dass der Lobbyverein damit so leicht bei fast allen Redaktionen in Deutschland durchkommt.“

Es lohnt sich sehr, die Ausführungen des Wissenschaftsjournalisten komplett zu lesen. Das nächste Mal, wenn man etwas über die Rolle der Medien bei Fake News über Politiker hört, sollte man Klucklicks Kritik auf Taste haben. Seine Kritik hat er in einem Twitter-Thread zusammengefasst. Du findest ihn hier.

Ich wünsche dir noch eine schöne Woche! 

Viele Grüße sendet dir

Marvin

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Marvin Schade
Marvin Schadehttps://medieninsider.com
Marvin ist Co-Gründer und Founding Editor von Medieninsider und hat sich damit einen kleinen Traum erfüllt. Vor der Gründung war er mehrere Jahre für den Branchendienst Meedia in Hamburg und Berlin tätig, arbeitete kurz beim Focus Magazin und zuletzt für Gabor Steingarts Morning Briefing.

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