Reichelt-Affäre: Darum ist die US-Klage für Axel Springer so brisant

Ausgabe #33/2022

Hallo Medieninsider!

Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche im Lese-Letter unter anderem erwartet:

► Die Details zur Schadensersatzklage gegen Springer in den USA

► Hintergründe über die Besonderheiten einer solchen Klage in den Vereinigten Staaten

► Brian Morrisseys Erfahrungen als Verkäufer

► Neue Termine im Directors’ Club und eine neue Community-Frage

Möglicherweise hast du mitbekommen, dass wir Anfang der Woche bekannt gemacht haben, dass die Causa Reichelt ein juristisches Nachspiel für den Axel-Springer-Konzern haben wird. Eine ehemalige Bild-Mitarbeiterin, die den Ex-Bild-Chef auch im Compliance-Verfahren belastet hatte, hat Schadensersatzklage eingereicht. 

Vor einem Gericht in den USA wirft sie Axel Springer und den dort verantwortlichen vor, Rechtsverstöße in elf Punkten begangen zu haben. Sie belastet nicht nur Julian Reichelt, sondern auch zahlreiche weitere Mitarbeiter. Die Klage ist für alle Beteiligten brisant, vor allem aber für Axel Springer:

► Die Klage enthält die Forderung nach einer noch nicht bezifferten Summe auf Schadenersatz. Setzt sich die Klägerin in allen elf Punkten durch, kann das sehr teuer werden. In den USA werden solche Verfahren in anderen Dimensionen verhandelt als beispielsweise in Deutschland. Ohnehin sind Prozesse dort um um ein Vielfaches teurer.

► In der Klageschrift werfen die Klägerin und ihr Anwalt den Springer-Mitarbeitern und Springer selbst vor, sie in „verachtenswerter, unterdrückerischer und böswilliger Weise“ geschädigt zu haben. Man habe sie unter „bewusster Missachtung ihrer Rechte“ als Arbeitnehmerin „ärgern, verletzen und belästigen“ wollen. Dies entspräche den Tatbeständen der „Unterdrückung, des Betrugs oder der Arglist.“ Den Arbeitgeber treffe eine besondere Schuld, da dies in seinem Wissen geschehen sei. In der Klage wird gefordert, „ein Exempel zu statuieren“.

► Nachdem die Causa Reichelt bereits in internationalen Medien wie der New York Times oder der Financial Times berichtet worden war, dürfte das Verfahren auch dort wieder auf Aufmerksamkeit stoßen – besonders, weil Axel Springer mit KKR einen dominanten US-Investor an Bord hat und derzeit massiv in den USA expandiert.

► Auch dürfte das Verfahren in den USA medial anders begleitet werden, da es Vorwürfe der sexuellen Belästigung, Diskriminierung und Beihilfe beinhaltet – MeToo-Themen, bei denen in den USA eine größere Sensibilität herrscht als in Deutschland.

► Mit der Klage, die sich in erster Linie auf Vorkommnisse während ihrer Arbeit für Bild in Kalifornien bezieht, werden Vorwürfe gegen Julian Reichelt und Axel Springer noch einmal vertieft. Die Klage enthält die Wiedergabe aus Sicht der Ex-Geliebten über eine mehrere Jahre anhaltende On-Off-Beziehung beziehungsweise -Affäre. Darüber hinaus werden Namen von vermeintlichen Mitwissern oder Mittätern genannt und diese damit belastet.

► Das dürfte erneut die Frage nach dem Fehlverhalten vieler verantwortlicher Mitarbeiter bei Springer aufwerfen, aber auch erneut Druck auf den Vorstand erhöhen, der nach dem Abschluss des Compliance-Verfahrens zunächst an Reichelt festgehalten hatte. Der Vorgang wird die Frage aufwerfen, ob Springer nicht doch versucht hat, gewichtige Vorkommnisse herunterzuspielen beziehungsweise unter den Teppich gekehrt zu haben.

► Bislang legten die Frauen, die Vorwürfe erhoben hatten, größten Wert auf Anonymität. Aus Unternehmenskreisen war immer wieder zu hören, dass sich das Compliance-Verfahren auch deshalb so schwierig gestaltete. Man habe Reichelt nicht ordentlich mit den erhobenen Vorwürfen konfrontieren können. Das ändert sich jetzt und könnte unangenehme Folgen für den Konzern haben. 

Unter anderem aus diesem letzten Grund habe ich die 132 Seiten lange Klage in den vergangenen Tagen ausgewertet und die Version der Frau dargelegt. Man muss immer wieder dazu sagen, dass diese selbstverständlich sehr einseitig ist, auch belegt sie viele ihrer Aussagen und Vorwürfe nicht. Reichelt bestreitet alles konsequent. Mit ihren Aussagen wird aber erstmals öffentlich, worum es in diesem Compliance-Verfahren rund um den ehemals einflussreichsten Chefredakteur Deutschlands konkret ging. 

Es hilft dabei, sich ein eigenes Bild davon zu machen, wie der Vorwurf des Machtmissbrauchs durch Reichelt aufgekommen und ob vor allem der Konzern angemessen mit der Lage umgegangen ist. Denn nach wie vor gilt: Medienunternehmen tragen in ihrer Rolle des Erklärers, Aufklärers und Kritikers eine besondere Verantwortung. Sie müssen sich besonders an den Maßstäben messen lassen, die sie an andere anlegen. 

Es ist nur richtig, dass sich nun – sollte es nicht plötzlich zu einer außergerichtlichen Einigung kommen – ein Gericht mit der Sache befassen wird. Im so genannten Discovery-Verfahren wird versucht werden, so nah wie möglich an die Wahrheit heranzukommen. 

Den Bericht zu den 132 Seiten Klage mit ihren Details kannst du als Medieninsider hier lesen.

Achtung, Reichelt! Die Details aus 132 Seiten US-Klageschrift gegen Axel Springer


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Dass Axel Springer in den USA verklagt wird, hat viele überrascht. Wie ist das überhaupt möglich? Diese und weitere Fragen haben sich mir natürlich auch während der Recherche gestellt. Deshalb habe ich Antworten zusammengetragen. 

► P. Mathew Roy ist akademischer Direktor am Lehrstuhl für US-amerikanisches Recht an der Universität zu Köln und hat mir für ein Hintergrundstück die Besonderheiten des amerikanischen Zivilrechts erklärt. So wird klar:

► Weshalb das Verfahren in den USA stattfindet

► Wie es möglich ist, dass sich die Klage nicht nur gegen zwei Springer-Firmen richtet, sondern auch gegen bis zu 25 weitere, nicht näher benannte Beklagte

► Weshalb die Schadensersatzklage noch keine Forderung nach einer konkreten Summe enthält

Den Artikel kannst du als Medieninsider hier lesen.

Darum kann Springer in den USA verklagt werden


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Reuters Digital News Report: Die Zahlungsbereitschaft steigt deutlich

Wie das Reuters Institute im neuen Digital News Report skizziert, steigt gerade bei den jüngeren Nutzern die Zahlungsbereitschaft für journalistische Inhalte deutlich an. Hier kannst du mehr dazu lesen.


Wer in die Creator Economy einsteigt, braucht mindestens eine von zwei entscheidenden Fähigkeiten: Man muss ein Tausendsassa sein oder gut delegieren können. Meist muss man sich in Erstem probieren, weil für das Zweite die Leute und Ressourcen fehlen. 

Brian Morrissey, der wie wir bei Medieninsider vor zwei Jahren ein eigenständiges Medium startete, hat sich in seinem Artikel damit befasst, dass er als Herausgeber von The Rebooting Journalist wie auch Verkäufer ist – und damit, dass eigentlich jeder Journalist irgendwo auch Verkäufer ist. 

Seine Kolumne, in der er seine Erfahrungen als Salesman beschreibt, findest du hier.

Wir sind alle Verkäufer!


News und Entdeckungen der Woche 

zusammengetragen von Kevin Dusch

Bertelsmann-Halbjahreszahlen: Deutlich geschrumpftes Ergebnis

Das Konzernergebnis von Bertelsmann schrumpfte im ersten Halbjahr 2022 im Vergleich zum Vorjahreshalbjahr um mehr als 64 Prozent auf 492 Millionen Euro (H1 2021: 1,368 Milliarden Euro). Als Grund für den großen Unterschied gibt Bertelsmann die hohen Veräußerungsgewinne des vergangenen Jahres durch den Verkauf von SpotX an. Der Umsatz stieg dagegen um sieben Prozent auf 9,3 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis vor Abgaben betrug mit 1,429 Milliarden Euro etwas mehr als im ersten Halbjahr 2021 (damals: 1,417 Milliarden Euro). Die Pressemitteilung des Konzerns findest du hier.

Springer und FFN Mediengruppe starten Podcast-Radiosender

Axel Springer und die FFN Mediengruppe (unter anderem Radio FFN und Energy Bremen) haben den Start eines gemeinsamen Podcast-Radiosenders namens Stories.FM angekündigt. Das Programm soll auch Musik enthalten. Zunächst sind 20 Podcasts der Springer-Titel Bild, Welt, The Pioneer und Business Insider Deutschland im Programm. Der Sender ist bereits online abrufbar. Die Pressemitteilung zum Start findest du hier.

Twitter startet Test für Edit-Button

Twitter hat am 1. September begonnen, eine Funktion zum nachträglichen bearbeiten von Tweets intern zu testen. Im Laufe des Monats sollen Nutzer des Premium-Angebots Twitter Blue zum Kreis der Testpersonen hinzukommen. Die Plattform hatte einen solchen Test bereits im April angekündigt. In der aktuellen Funktionsweise können Tweets mit der Funktion in den ersten 30 Minuten nach dem Posten verändert werden. Danach werden sie entsprechend markiert, Nutzer können sich außerdem die Historie der Veränderungen anzeigen lassen. Wann das Feature für alle Nutzer ausgerollt wird, gab Twitter noch nicht bekannt. Die Meldung des Unternehmens findest du hier.

NDR-Affäre: Hamburg-Chefin unter Vetternwirtschaft-Verdacht

Nachdem führende Mitarbeiter des NDR-Funkhauses Kiel seit vergangener Woche unter dem Verdacht politisch gefälliger Berichterstattung stehen, bahnt sich im Hamburger NDR-Haus der nächste Fall an. Laut Business Insider Deutschland soll Direktorin und Fernsehchefin Sabine Rossbach ihrer Tochter Anna Hesse mehrfach die Platzierung von Themen im Programm ermöglicht haben. Das Problem: Die Tochter ist Inhaberin einer PR-Agentur, die mit ihrem guten Draht zum NDR wirbt. Zudem hat Rossbachs Ehemann Dieter Petereit seit 2018 einen mit 50.000 Euro pro Jahr dotierten Beratervertrag beim NDR. Und auch Rossbachs zweite Tochter bekam vor einigen Jahren eine begehrte Festanstellung bei NDR KulturLaut einer Recherche-Einheit des NDR soll die Geschäftsleitung des Senders seit fünf Jahren von dem Verdacht gewusst haben, sei jedoch nicht tätig geworden. Die Funkhaus-Direktorin wies die Vorwürfe am Sonntag zurück. Sie habe die Redaktion weder aufgefordert, gegen journalistische Standards zu verstoßen, noch sei dies geschehen. Am Einstellungsverfahren ihrer jüngeren Tochter sei sie nicht beteiligt gewesen. Zum Beratervertrag ihres Ehemanns äußerte sich Rossbach nicht. Inzwischen plant der Rundfunkrat eine Sondersitzung zu den Vorwürfen. Den ganzen Bericht von Business Insider Deutschland findest du hier.

Mathias Döpfner irritiert mit Trump-Aussage

Der Springer-CEO soll 2020 – kurz vor der US-Präsidentenwahl – eine E-Mail an seinen engsten Führungskreis mit irritierenden Aussagen zum Republikaner Donald Trump geschickt haben. Der Washington Post liegt ein Abdruck der Mail vor. Döpfner schrieb: „Wollen wir alle am 3. November morgens eine Stunde in uns gehen und beten dass Donald Trump wieder Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wird?“ Weiter habe Döpfner Argumente aufgeführt, warum „keine amerikanische Regierung der letzten 50 Jahre“ mehr geschafft habe, als die von Trump. Döpfner dementierte auf Anfrage der Washington Post zunächst, dass es die E-Mail gebe. Mit einem Abdruck konfrontiert räumte der Springer-CEO ein: Es sei möglich, dass er die Mail „als ironische, provokative Aussage an einen Kreis von Leuten, die Trump hassen“, verschickt habe. Die fraglichen Aussagen sind Teil eines Portraits von Döpfner, das die Washington Post gerade veröffentlicht hat. Darin geht es um Döpfners verlegerische Haltung, seine ersten Entscheidungen bei Politico, aber auch bei Insider. In dem Text geht es auch um das Compliance-Verfahren rund um Bild-Chef Reichelt, dem Döpfner aus dem Abschlussbericht vorgelesen habe. Du findest den Artikel hier.


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Neues von den MEDIENTAGEN MÜNCHEN

📰 Von den Chancen des Metaverse, die Zukunft des Internets zu werden

Jeder vierte Deutsche hat vom Metaverse gehört, aber dennoch gibt es für „die nächste logische Stufe des Internets“ noch Luft nach oben. Zum Blogbeitrag

📰 Streaming pendelt sich auf hohem Niveau ein

75 Prozent der deutschen Bevölkerung ab 16 Jahren streamen inzwischen. Während die Zahl der User weiter zunimmt, differenziert sich ihr Bedarf. Zum Blogbeitrag


RBB-Ticker: Die wichtigsten aktuellen Meldungen aus dem Schlesinger-Skandal

Der Skandal um die inzwischen ehemalige RBB-Intendantin und ARD-Chefin Patricia Schlesinger hat die Sendeanstalt sowie den gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk in große Schwierigkeiten gebracht. Weiterhin überschlägt sich fast täglich die Nachrichtenlage mit weiteren Vorwürfen, Ungereimtheiten oder Diskussionen. Mit unserem Ticker bekommst du einen Überblick über die wichtigsten Neuigkeiten.

► Nur eine Kandidatin: Streit um Wahlprozedere für Schlesinger-Nachfolge (Spiegel)

► Kommerzielle Sendertochter RBB Media soll für RBB Bauprojekte und Berater übernommen haben (Business Insider Deutschland)

► RBB brachte Orchester in stillgelegter Messe unter – mutmaßlich auf Rechnung der Steuerzahler (Tagesschau)

► Der RBB hat beim Beratervertrag für neues Medienhaus gegen Vergaberecht verstoßen (Tagesschau)

► Generalstaatsanwaltschaft durchsucht RBB-Intendanz und beschlagnahmt Dokumente (RBB 24

► Landesrechnungshöfe Berlin und Brandenburg überprüfen RBB (Tagesspiegel)

► Geschäftsführender RBB-Intendant verweigert Führung der RBB Media Entlastung von Haftbarkeit (RBB 24)

► RBB schafft Bonus-System für Führungskräfte ab (Süddeutsche Zeitung)

► MDR prüft Dienstwagen-Dimensionen (Mitteldeutsche Zeitung)


Neue Stellenanzeigen aus dem Medieninsider Transformationsmarkt

Neu: Der Medieninsider Transformationsmarkt

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Aus dem Personalticker

► CNN: Nach Brian Stelter geht auch John Harwood

► David Herten ist neuer stellvertretender Chefredakteur der Funke-Reichweitenportale

► Sara El Damerdash rückt ins Morgenmagazin-Moderationsteam des ZDF

► Mira Seidel ersetzt Alina Schröder als Programmchefin bei Dasding

► Kommunikations-Vize Johannes Gunst verlässt Springer

► ARD installiert Andrea Beer und Vassili Golod als feste Ukraine-Korrespondenten

► Katrin Tempel wird Chefredakteurin der Burda-Landtitel

► Jeannette Gusko verstärkt Correctiv-Führung

Mehr Personalien findest du hier und bei Twitter unter @medienjobboerse


Termine im Directors’ Club

Wir halten wieder einige Q&As im Directors’ Club für dich bereit. Mit einer Director-Mitgliedschaft kannst du dich jederzeit anmelden:


Community-Frage

Im Lese-Letter wollten wir vergangene Woche von dir und anderen Medieninsidern erfahren, ob ihr findet, dass Redaktionen Klima-Ressorts brauchen. So hat die Community abgestimmt:

► 50 Prozent finden, dass Redaktionen Klima-Ressorts brauchen.

► 50 Prozent finden, dass dies nicht notwendig ist.

Unsere Frage in dieser Woche lautet:

Sollte der RBB als eigenständige ARD-Anstalt aufgelöst werden?

Das Ergebnis gibt es in der nächsten Ausgabe des Lese-Letter!

Viele Grüße sendet dir
Marvin

Update, 21. April 2023: In einer vorherigen Version des Textes wurde die Klägerin namentlich genannt. Mittlerweile hat Medieninsider aus redaktionellen Gründen entschieden, dies nicht mehr zu tun.

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Marvin Schade
Marvin Schadehttps://medieninsider.com
Marvin ist Co-Gründer und Founding Editor von Medieninsider und hat sich damit einen kleinen Traum erfüllt. Vor der Gründung war er mehrere Jahre für den Branchendienst Meedia in Hamburg und Berlin tätig, arbeitete kurz beim Focus Magazin und zuletzt für Gabor Steingarts Morning Briefing.

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