VG Wort macht Corint Media Konkurrenz

Ausgabe #50/2021

Hallo Medieninsider!

Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche im Lese-Letter unter anderem erwartet:

► Die Transformation des Newsrooms

► Die Strategie von Civey-Gründerin Janina Mütze, um ihr Start-up gegen den Wettbewerb zu positionieren

► Der Termin zum Directors‘ Club mit Andrea Wasmuth

► Die VG Wort als neue Konkurrenz für Corint Media

► Die Schattenseiten des Newsletter-Hypes


Was für den Proleten die aufgemotzte Sportkarosse ist, war für Chefredakteure und Medienmanager in den vergangenen Jahren ihr Newsroom. Wer etwas auf sich hielt, baute um – und klotzte statt zu kleckern. Kaum ein Euro war zu schade, um schnöde Büros in redaktionelle Tempel zu verwandeln. Heute müssen sich die Verantwortlichen fragen:

War der Newsroom die vielleicht größte Fehlinvestition der vergangenen Jahre?

Das ist keine Glaubensfrage. Die Pilgerstätten des Journalismus haben an Anziehungskraft verloren. Sie stehen leer wie Relikte aus einer alten Zeit. Es bleibt kaum mehr als ein wertloses Statussymbol, das ausgerechnet das demonstrieren sollte, was sie nun obsolet gemacht hat: Digitalisierung und eine moderne Arbeitskultur.

Der Newsroom des 21. Jahrhunderts ist vor allem eines: virtuell. Das Arbeiten wird damit mobil. Transformations- und Redaktionsmanager stellt das vor neue Herausforderungen. Ein paar von ihnen kennt Federica Cherubini. Für das Reuters Institute hat sie mit 132 Führungskräften aus 42 Ländern gesprochen und ihre Ergebnisse in einem Report zusammengefasst. Was drin steht, hat sie meinem Kollegen Kevin Dusch erzählt:

Wie die Pandemie den Newsroom verändert

Report Changing Newsrooms 2021. Foto: Reuters Institute/John Cairns

Mit Transformation kennt sich auch Janina Mütze bestens aus. Mit ihrem Start-up Civey versucht sie seit 2015, die Demoskopie zu digitalisieren. Das gelingt ihr aber nicht ohne Widerstände. Vor allem dem etablierten Wettbewerb stößt das selbstbewusste Auftreten der neuen Konkurrenz immer mal wieder übel auf.

Im Directors‘ Club hat Mütze über die Gründung ihres Unternehmens sowie die aggressive Strategie zum Markteintritt von Civey gesprochen und erklärt, wie sie die Kritik aus der eigenen Branche in ein konstruktives Miteinander verwandeln will.

Für alle, die den Directors‘ Club noch nicht kennen, koppeln wir immer wieder einzelne Sequenzen heraus. Du kannst sie dir als Junior- oder Senior-Mitglied anschauen. Im folgenden Teil haben wir auch darüber gesprochen, wie man sich unter Kollegen Respekt verschafft, sondern auch in der allgemeinen Bevölkerung. Eines haben Mütze und ihre Kollegen nämlich gemein: Das Vertrauen in die Demoskopie hält sich in Grenzen

„Man fokussiert sich sehr darauf, wenn etwas schief gelaufen ist“


Apropos Directors‘ Club: Am Dienstag um 14.30 Uhr wird Andrea Wasmuth zu Gast sein. Sie ist seit 2020 in der Geschäftsführung der Handelsblatt Media Group und seit diesem Jahr die Vorsitzende Geschäftsführerin. Mit ihr werde ich über ihre Karriere als Medienmanagerin sprechen und über ihren Plan für die Mediengruppe. Du kannst wie immer live dabei sein und deine eigenen Fragen einbringen. Weitere Infos findest du hier.



Mehr News & Entdeckungen aus der Woche

zusammengetragen von Kevin Dusch

Leistungsschutzrecht: VG Wort wird zur Konkurrenz von Corint Media

Die VG Wort hat auf ihrer Mitgliederversammlung wesentliche Satzungsänderungen beschlossen. Sie ermöglichen der Verwertungsgesellschaft, die vorwiegend für Autoren tätig ist, zukünftig auch das Leistungsschutzrecht (LSR) für Presseverlage einzufordern. Das LSR sieht Lizenzzahlungen von Plattformen wie Google und Facebook für die Verwendung von Text-Snippets und weiteren Inhalten vor. Die Einnahmen stehen Verlagen und zum Teil ihren Autoren zu. Die VG Wort will so zukünftig beide Parteien gegenüber den Plattformen vertreten und positioniert sich damit in Konkurrenz zur Corint Media, die in dieser Angelegenheit bereits einige Verlage vertritt. 

Ebenfalls auf der Mitgliederversammlung wurde die Wiedereinführung einer Verlagsbeteiligung gestimmt. Sie betrifft die weiteren Einnahmen der VG Wort. Damit erhalten die meisten Autoren zukünftig zwei Drittel der Zahlungen, Verlage ein Drittel. Die Neuregelung soll für zwei Jahre gelten und dann neu verhandelt werden. Zuletzt waren die Auszahlungsquoten sehr unterschiedlich ausgefallen. 2016 hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass keine pauschalen Beträge aus den Vergütungsansprüchen an Verlage ausgezahlt werden dürfen. Seitdem konnten Verlage teilweise nur auf freiwilliger Basis beteiligt werden. Vor dem Beschluss von 2016 hatte den Verlagen vielfach die Hälfte der Ausschüttungen zugestanden. Ihren neuen Wahrnehmungsvertrag will die VG Wort am heutigen Mittwoch auf ihrer Homepage veröffentlichen

Meldepflicht für Interessenskonflikte: Springer überarbeitet Verhaltenskodex für Mitarbeiter 

Axel Springer hat seinen unternehmensweiten Verhaltenskodex überarbeitet und darin neue Regeln für Führungskräfte festgehalten. Die drei überarbeiteten Passagen appellieren daran, Berufliches von Privatem zu trennen, bei „Abhängigkeitsverhältnissen und Hierarchiegefällen“ soll „ausschließlich im Unternehmensinteresse“ gehandelt werden. In einer internen E-Mail, die Medieninsider vorliegt, führen Personalvorstand Julian Deutz und Personalmanager Tilmann Knoll aus, dass Führungskräfte mit „fachlicher und/oder disziplinarischer Personalverantwortung“ ihre möglichen Interessenskonflikte zukünftig melden müssen. Gemeint sind damit auch Liebes- oder verwandtschaftliche Beziehungen. Die Änderungen erfolgen nach dem Compliance-Verfahren um Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt, dem Machtmissbrauch sowie die Vermengung von privaten und beruflichen Interessen im Umgang mit Mitarbeiterinnen vorgeworfen wurde. CEO Mathias Döpfner wollte die neuen Regeln eigentlich konzernweit für alle 16.000 Mitarbeiter durchsetzen, auch von einer allgemeinen Meldepflicht war die Rede. Das Vorhaben wurde vom Betriebsrat blockiert. 

FAZ meldet neue Zahlen für Digital-Abos

Die FAZ zählt nach eigenen Angaben 80.000 Leser des digitalen Bezahlangebots F+ und damit etwa 30 Prozent mehr als im Vorjahr (62.500). Zuzüglich der Digitalausgabe und Kombi-Abos kommt die FAZ auf rund 200.000 zahlende Digital-Nutzer. Zur Jahresmitte lag die Zahl bei rund 180.000.

Sechs ARD-Anstalten erwarten 2022 Fehlbeträge

Die ARD-Anstalten legen sukzessive ihre Wirtschaftspläne für 2022 vor und planen mit massiven Fehlbeträgen. Zuletzt wurde der Plan des Saarländischen Rundfunks vom Rundfunkrat genehmigt. Darin gehen die Verantwortlichen von Ausgaben in Höhe von 136,4 Millionen Euro aus – eine Differenz von 7,1 Millionen Euro zu den errechneten Erträgen in Höhe von 129,3 Millionen Euro. SR-Intendant Martin Grasmück begründet den Fehlbetrag mit der digitalen Weiterentwicklung des Programms. Auch andere ARD-Anstalten haben inzwischen ihre Wirtschaftspläne für das kommende Jahr mit deutlichen geplanten Verlusten vorgelegt. An der Spitze steht der SWR mit einem planmäßigen Minus von 216 Millionen Euro. Der HR rechnet mit  einem Fehlbetrag in Höhe von 81 Millionen, der RBB mit einem Fehlbetrag von 73,6 Millionen, der NDR spreng sein Budget um 38 Millionen Euro und Radio Bremen mit 3,2 Millionen Euro . Auch das ZDF plan mit einem Minus in Höhe von 105 Millionen Euro. Die aktuelle Mitteilung des SR findest du hier.

Vox Media übernimmt Group Nine – Springer-Anteile werden verwässert

Das US-Medienunternehmen Vox Media hat bekannt gegeben, mit der ebenfalls amerikanischen Medien-Holding Group Nine zu fusionieren. Durch den Zusammenschluss entsteht eines der zehn größten US-Medienunternehmen. Die Transaktion soll bis Anfang 2022 abgeschlossen sein. Group-Nine-Gründer und CEO Ben Lerer soll dann in den Vorstand von Vox Media aufrücken. Der Deal ist bereits die fünfte Übernahme durch Vox Media in diesem Jahr. Zuvor fusionierte der Medienkonzern schon mit den Podcast-Unternehmen Cafe Studios und Criminal Productions sowie den Medienmarken Punch und Hot Pod. Zu den Marken der beiden Konzerne Vox Media und Group Nine zählen unter anderem das New York MagazineThe VergeNowThis und Thrillist. Derzeit hält Axel Springer noch zehn Prozent der Anteile an Group Nine. Durch den Zusammenschluss wird die Beteiligung nach Verlagsangaben weiter verwässert. Die Mitteilung von Vox Media findest du hier.

Guardian zählt eine Million regelmäßig zahlende Nutzer

Der Guardian verzeichnet eine Million Digital-Nutzer, die regelmäßig zahlen. Die Zeitung konnte die Zahl innerhalb der vergangenen drei Jahre damit fast verdoppeln. Grundsätzlich hat der Guardian keine Paywall, Nutzer können aber über ein Unterstützermodell für Inhalte und Dienste wie die App-Nutzung bezahlen. Letztere kostet beispielsweise entweder 5,99 britische Pfund pro Monat oder jährlich 99 Pfund. Die Hälfte der regelmäßig zahlenden Leser des Guardian kommen von außerhalb Großbritanniens, etwa 220.000 allein aus den USA. Insgesamt hat die Zeitung derzeit 1,6 Millionen Abonnenten. Dazu zählen neben den regelmäßigen Zahlern auch rund 500.000, die freiwillige Einmalzahlungen leisten und mehr als 100.000 Print-Abonnenten. Eine aktuelle Meldung von Axios findest du hier

Aus dem Personalticker:

► Spiegel-Journalistin Christiane Hoffmann wird Vize-Regierungssprecherin

► Nach 40 Jahren bei Springer: Florian von Heintze verlässt Bild

► Welt am SonntagDagmar Rosenfeld wird Chefredakteurin


Neuer INSIGHT: Die Akte Julian Reichelt

Berichte, Analysen, Wortlautprotokolle: Medieninsider war am nächsten dran an den Vorgängen bei Axel Springer und dem Compliance-Verfahren rund um Julian Reichelt. Nun haben wir unsere gesamte Berichterstattung in einem INSIGHT gebündelt. Entstanden ist eine exklusive Dokumentation der Affäre,die den Anfang einer der größten Krisen für Axel Springer und CEO Mathias Döpfner markiert. 



Lesetipp

Newsletter-Dienste wie Substack, Revue von Twitter oder Steady ermöglichen Journalisten ihre Emanzipation von etablierten Verlagshäusern. Den erfolgreichsten von ihnen gelingt es, eine eigene Marke zu etablieren. Die Freiheit aber erfordert Opfer: Delia Cai hat sich für Vanity Fair mit den Schattenseitender Newsletter-Karrierebefasst. Drei zentrale Erkenntnisse aus ihrer Recherche:

► Selbst und ständig: Viele versprechen sich von der Newsletter-One-Man-Show bessere Arbeitszeiten und mehr Geld. Die Realität zeigt aber eher das Gegenteil.

► Leistungsversprechen: Der Ausstieg kann teuer werden – viele Nutzer zahlen für einen längeren Zeitraum im Voraus und erwarten beim Exit eine Rückerstattung. Das kann teuer werden.

► Gefährliche Aufopferung: Was zunächst wie der Traum von kreativer Autonomie aussieht, zeigt schnell seine zweite Seite: Die Spirale in den Burn-out.

► Berufliche Kehrtwende: Medienmarken haben das Potenzial von personenbezogenen Newsletter-Marken erkannt. Autoren wechseln zurück in den Verlag. Ihr Produkt kann bleiben, das Sagen haben dann aber wieder die anderen.

Wer mit dem Gedanken spielt, mit einem eigenen Newsletter durchzustarten, muss sich von Delia Cais Text nicht davon abbringen lassen – ihn aber zumindest gelesen haben. Die Details ihrer Gespräche und Einschätzungen findest du hier bei Vanity Fair.

Ich wünsche dir noch eine schöne Woche! 

Viele Grüße sendet dir

Marvin

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Marvin Schade
Marvin Schadehttps://medieninsider.com
Marvin ist Co-Gründer und Founding Editor von Medieninsider und hat sich damit einen kleinen Traum erfüllt. Vor der Gründung war er mehrere Jahre für den Branchendienst Meedia in Hamburg und Berlin tätig, arbeitete kurz beim Focus Magazin und zuletzt für Gabor Steingarts Morning Briefing.

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