Der Preis ist heiß

Ausgabe #25/2022

Hallo Medieninsider!

Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche im Lese-Letter unter anderem erwartet:

► Eine neue Mitarbeiter-Umfrage gibt Einblick in die Stimmung bei Bild

► Eine (Ex-)Mitarbeiterin sorgt für Aufruhr, weil ihr Axel Springer zu woke wird

► Wesentliche Erkenntnisse aus dem Digital News Report für Deutschland

► Weshalb Journalismus eine Sache für Oldies wird – auch im Digitalen

► Heute wird der Nannen- Stern Preis vergeben

Bild feiert an diesem Freitag 70-jähriges Bestehen. Acht Monate davon heißt ihr Chefredakteur nun Johannes Boie. Wie geht es dem Medium, das zuletzt ein besonders turbulentes Jahr hinter sich gebracht hat, und vor allem: Wie ist die Stimmung unter dem neuen Mann an der Spitze von Springers großer Boulevard-Marke? 

Marvin hat recherchiert und aus vielen Gesprächen mit Bild-Leuten ein Stimmungsbild gezeichnet. Es deckt sich mit dem, was jüngst auch eine neue Mitarbeiter-Umfrage intern belegte. Auch sie liegt Medieninsider vor. 

Marvin fasst seine Recherchen so zusammen:

„Der Umgang bei Bild wird kollegialer, Feedback und Kritik konstruktiver, nur bei der Strategie scheint es zu hapern. Und dann gibt es da noch den Störenfried von außen.“

Seine Recherche und die Ergebnisse der Befragung kannst du als Medieninsider hier lesen.

Boie, Bild und der chefgemachte Klimawandel

Johannes Boie, Chefredakteur Bild. Foto: GABO/AXEL SPRINGER SE

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NEU: Das HSJP Fellowship

Neues Fellowship zum Helmut Schmidt Journalistenpreis. Mit dem Hamburger Medien-Startup Flip die eigene kritisch-konstruktive Rechercheidee umsetzen. Das HSJP Fellowship bietet ein Stipendium der ING Deutschland und Support durch die Flip-Gründer Felix Rohrbeck und Christian Salewski bei der Umsetzung und Veröffentlichung.


Wir bleiben noch kurz bei Bild. Dass dort vergangene Woche zumindest kurz wieder Aufruhr herrschte, lag an diesem Fall: Politik-Redakteurin Judith Basad gab öffentlichkeitswirksam ihre Kündigung bekannt. Die Begründung: Axel Springer sei vor der Wokeness-Bewegung eingeknickt. 

In Basads Erklärung fand sich zudem ein spezieller Vorwurf: Bei Bild sei einer ihrer Artikel verhindert worden. Es ging um ein Stück im Zusammenhang mit dem umstrittenen Gastbeitrag in der Welt über „Transgender-Ideologien“ in den öffentlich-rechtlichen Medien.

Eine schwerwiegende Anschuldigung – für die es nur keinerlei Belege gibt. Marvin hat sich den Vorfall genauer angesehen. Seinen Artikel kannst du als Medieninsider hier lesen.

Judith Basad, die Wokeness – und Attention


Einmal im Jahr veröffentlicht das Reuters Institute for the Study of Journalism an der Universität in Oxford seinen Digital News Report. Die Forscher haben 93.000 Menschen in 46 Ländern beziehungsweise Märkten befragt, um das Internet mit Blick auf den medialen Konsum zu vermessen. 

Die Kernaussagen dieses Seismografen sind schnell ausfindig gemacht und geteilt. Darauf folgt die Analyse. Meine lautet:

Der Journalismus verliert diejenigen, die ihn am meisten brauchen.

Vor allem junge Nutzer entfernen sich immer mehr von nachrichtlichen und journalistischen Inhalten. Dort, wo sie sich im Netz bewegen, ist es für Medien unheimlich schwer, sie nachhaltig zu erreichen. 

Medienmanager und Redaktionsleiter mögen sich wortreich zum Journalismus als vierte Gewalt bekennen. Dennoch wird die Konzentration auf zahlungskräftige Zielgruppen zumindest bei den kommerziellen Anbietern Investitionen und Inhalte prägen.

Meine gesamte Analyse findest du in meiner neuen Kolumne. Du kannst sie als Medieninsider hier lesen.

Die medialen Gräben


Wenn du selbst noch keine Zeit hattest, dich mit dem Digital News Report zu befassen, dann empfehle ich dir diesen Artikel meines Medieninsider-Kollegen Kevin Dusch

Er hat sich speziell die Ergebnisse für den deutschen Markt angeschaut und eine eigene Executive Summary geschrieben. 

Der Artikel verschafft dir eine gute Übersicht und Anküpfungspunkte, falls du tiefer in die Materie eintauchen willst. Du kannst ihn als Medieninsider hier lesen.

So konsumieren Deutschlands Online-Nutzer Nachrichten


News und Entdeckungen der Woche 

zusammengetragen von Kevin Dusch

Stuttgarter Zeitung schließt zwei Druckereien

Die Druckerei der Stuttgarter Zeitung in Esslingen wird zum 1. August 2022 geschlossen, am 31. März 2023 folgt die Schließung der Druckerei in Stuttgart. Grund sei, dass die dortigen Maschinen nicht mehr effizient zu betreiben seien. Allerdings ist auch Fakt: 2021 verlor die Druckerei in Esslingen einen lukrativen Auftrag von Bild. 258 Stellen baut das Unternehmen dadurch ab. Ab 1. April 2023 soll das Blatt dann in einer neuen Druckerei in Esslingen hergestellt werden, in der frisch gegründeten GmbH MHS Print. 20 Millionen Euro möchte die Stuttgarter Zeitung in den neuen Standort investieren. Dort sollen dann 155 neue Stellen geschaffen werden. Damit bleiben letztlich circa 100 weniger Stellen als bisher. Die Pressemitteilung der Stuttgarter Zeitung findest du hier.

Die Intendanten von WDRSWR und NDR verdienen am meisten

Laut einer Recherche von Welt verdienten die Intendanten von WDRSWR und NDR 2021 am meisten: Tom Buhrow (WDR) bekam 413.000 Euro (+2 Prozent), Kai Gniffke (SWR) verdiente 361.000 Euro (+1,7 Prozent) und NDR-Intendant Joachim Knuth 346.000 Euro (± 0 Prozent). Den größten Gehaltssprung machte Patricia Schlesinger (RBB) mit plus 16 Prozent von 261.000 auf 303.000 Euro. Allerdings hatte sie 2020 keine Gehaltserhöhung bekommen. Welche weiteren Auffälligkeiten Welt in den Gehaltszahlen ausfindig macht, liest du hier.

Russland weitet „schwarze Liste“ für Journalisten aus

Russland hat seine schon hunderte Namen lange „schwarze Liste“ um 50 britische Journalisten ergänzt. Auch Vertreter des britischen Verteidigungsministeriums sind betroffen. Sie dürfen das Land nicht mehr betreten. Auf der erweiterten Liste finden sich unter anderem BBC-Chef Tim Davie und mehrere britische Chefredakteure. Begründet wird der Schritt von Moskau mit „absichtlicher Verbreitung verlogener und einseitiger Informationen über Russland und die Ereignisse in der Ukraine“. Eine Meldung von Ntv zum Thema findest du hier. Wie sehr die russische Auffassung zur westlichen Berichterstattung von der hiesigen abweicht, zeigt exemplarisch ein Schlagabtausch zwischen CNN-Reporter Frederik Pleitgen und der Sprecherin des russischen Außenministeriums Marija Sacharowa. Du findest ihn hier.

Youtube führt Funktion für nachträgliche Korrekturen ein

Die Videoplattform Youtube hat eine Funktion zum Ändern von Videos nach dem Upload eingeführt. Creator haben nun die Möglichkeit, Fehler in ihren Videos nachträglich mit einer Infokarte zu versehen, die im oberen Bereich des Videos angezeigt wird. Bisher mussten Youtuber bei Fehlern Videos komplett löschen und neu hochladen – dadurch gingen alle bisherigen Interaktionen verloren. Eine Meldung von The Verge zum Thema findest du hier.

Snap testet Premium-Abo

Snap testet auf seiner Plattform Snapchat ein Premium-Abo-Modell, berichtet TechCrunch. Die Probe läuft zunächst intern. Nutzer von Snapchat+ sollen demnach frühzeitig Zugang zu neuen Funktionen erhalten. Genaue Informationen zu Start und Umfang des Premium-Abos gibt Snap bislang nicht. Laut eines Twitter-Threads des App-Forschers Alessandro Paluzzi könnte das Abo 4,59 Euro pro Monat oder 45,99 Euro pro Jahr kosten. Den Artikel von TechCrunch zum Thema findest du hier.


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Neues von den MEDIENTAGEN MÜNCHEN

📰 Viel Bewegung im Bewegtbild-Markt

Die großen Marken passen unter Wettbewerbsdruck ihre Plattformen und Angebote an, die Werbefinanzierung wird angeschoben und die Handelnden im Segment werden positioniert. Zum Blogbeitrag

📰 Mehr Druck auf Print: Probleme und Chancen

Sich verschärfender Papiermangel, höhere Rohstoffpreise, Anzeigenrückgang, weniger Printabonnements, Bedrohung der Pressefreiheit: Die Printbranche steht vor nie dagewesenen Herausforderungen. Zum Blogbeitrag

🎧 Folge 78: Connected TV – on-demand und linear vermischen immer mehr

Warum Content womöglich nicht mehr allein King ist, wie sich die hybride Lebensweise der Menschen auf den TV-Konsum auswirkt und welche Rolle die Big Player im Markt spielen. Zum Podcast


Aus dem Personalticker

► Nils Florian Holl geht von Bild zur Berliner Morgenpost

► Bild stellt russischen Journalisten für russischsprachige News ein

► RTL News holt drei ZDF-Journalisten für Investigativ-Unit

► Vertriebsexperte René Bosch wird stellvertretender Chefredakteur für BildDigital

► Medien-Chefin Saskia Hödl verlässt die Taz

► Großer Führungsumbau bei Business Insider Deutschland

Mehr Personalien findest du hier und bei Twitter unter @medienjobboerse


Heute Abend wird der Nannen- Stern Preis verliehen. Erst vergangene Woche hatte man sich entschieden, die Auszeichnung umzubenennen. Auch, weil mehrere Nominierte damit drohten, die Einladung nicht anzunehmen, wie Stern-Chef Gregor Peter Schmitz in einer E-Mail festhielt. Zuvor hatten die Regisseure des nominierten Beitrags der Öffentlich-rechtlichen – von denen einer übrigens auch den jüngsten Beitrag über Henri Nannen produzierte – erklärt, der Veranstaltung fernzubleiben.

Ob Stern Preis angesichts der Tatsache, dass sich Henri Nannen bei der Erfindung seines Magazins von einem gleichnamigen Magazin aus der NS-Zeit inspirieren ließ, der passende ist… Jedenfalls kann man es keinem wirklich recht machen.

Am Wochenende brachte Stefan Niggemeier jedenfalls sein Mitleid mit jenen zum Ausdruck, die nun innerhalb weniger Tage Verleihung und Preis umgestalten müssen.

Wie es mit dem Nannen-Preis dann weitergeht, darüber will man bei RTL und Stern nach der Verleihung beraten. Möglich, dass der kurzfristige Ersatzname Stern Preis bleibt – auch um die Marke weiter aufzuladen. In diesem Fall bietet sich auch eine neue Domain an – wenn sie denn frei ist.

Marvin hat am Freitag vorab über die kurzfristige Umbenennung des Preises berichtet. Den Artikel findest du hier: www.stern-preis.de

Der Preis ist heiß

Mehr zum Thema: Interview mit Historiker Tim Tolsdorff – „Henri Nannen war bereit, moralische Bedenken, hintenanzustellen.“


Community

Directors’ Club Q&As:

► 29. Juni 2022, 15 Uhr – Q&A mit Ellen HeinrichsGründerin Bonn Institute, Thema: Konstruktiver Journalismus (Video-Call)

► 29. Juli 2022, 17 Uhr – Q&A mit Paul OstwaldGründer Forum.eu, Thema: Gründertum im Journalismus (Video-Call)

Mit dabei sein kannst du nur als Medieninsider mit Director-Mitgliedschaft. Mehr Informationen findest du hier.


Lesetipp

von Kevin Dusch

Die dynamischen Entwicklungen eines Krieges werden oft mithilfe von Karten veranschaulicht. In der Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine sind sie eine unerlässliche Erzählhilfe für nahezu alle Medien geworden. Die Karten zeigen die aktuelle Situation, wie sie ist – zumindest scheint es so. Im Interview mit dem Spiegel erklärt Historiker Mateusz Fafinski, warum dieser Schein allerdings trügt und Landkarten als objektive Darstellung der Geschehnisse ungeeignet sind. Im Gespräch markiert er drei typische Fehler im Umgang mit Karten:

► Vermeintlich besetzte Gebiete: Im Ukraine-Krieg werden Regionen, in denen sich das russische Militär befindet, oft vollständig markiert und so als „besetzt“ deklariert. Tatsächlich handelt es sich aber nur um den aktuellen Vormarsch, der mit militärischer Okkupation nicht gleichzusetzen sei.

► Zu große Areale: Kontrollierte die russische Armee etwa eine Straße, wurde auch das Umfeld kilometerweit als Vormarschgebiet markiert, auch wenn sie die Soldaten nur auf einem kleinen Streifen aufhielten. Es entsteht ein falscher Eindruck der tatsächlichen Ausbreitung der Streitkräfte. 

► Fehlende Unterscheidung: In vielen Karten, so Fafinski, wurde lange nicht zwischen den neu besetzten Gebieten, der Krim und den Separatistengebieten unterschieden und schlicht alle der russischen Kontrolle zugeordnet. Faktisch sind diese Ebenen aber nicht gleichzusetzen – eine gleichmäßige Kontrolle ist eher russische Propaganda.

Aus Fafinskis Sicht hat sich inzwischen einiges zum Positiven geändert. Welche weiteren Differenzierungen er vorschlägt und warum ihm Präzision bei Landkarten so wichtig ist, kannst du hier im Spiegel-Interview mit ihm lesen.

Viele Grüße sendet dir
Alexandra

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Will sich eine Bild-Kollegin etwas antun? In großer Sorge wendet sich eine Journalistin an Chefredakteurin Marion Horn. Was sie aus dem Gespräch schildert, passt so gar nicht zu Springers angeblichen Kulturwandel. Eine Recherche, die der Konzern gern verhindert hätte.
Alexandra Borchardt
Alexandra Borchardthttps://alexandraborchardt.com/
Dr. Alexandra Borchardt ist Journalistin mit mehr als 25 Jahren Berufspraxis, 15 davon in Führungspositionen (Süddeutsche Zeitung, Plan W). Sie ist Buchautorin, Beraterin und Medienforscherin mit besonderem Blick für Leadership und Digitalisierung.

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