Hallo Medieninsider!
Schön, dass du dabei bist! Was dich in dieser Woche im Lese-Letter unter anderem erwartet:
► Was der neue Bild-Chef Johannes Boie anders machen will – und was nicht
► An welcher Stelle Mathias Döpfner die jüngste Bild-Strategie korrigiert
► Wie sich der Springer-CEO selbst in Bedrängnis gebracht hat
► Wie Sebastian Turner einen neuen Fachverlag aufbaut
► In welche Start-ups Reuters investieren will
Er ist jetzt der mächtigste Chefredakteur Deutschlands
Johannes Boie hat an seinem ersten Tag als Chefredakteur von Bild bereits eine wichtige Disziplin unter Beweis gestellt: Er kann sich kurzhalten. Seine Antrittsrede vor der Belegschaft am gestrigen Dienstag dauerte nicht länger als fünf Minuten.
Der 37-Jährige, der bis vor zwei Tagen noch Chefredakteur der Welt am Sonntagwar, verlor nicht viele Worte, dafür präzise gewählte, eines wollte er definitiv zum Ausdruck bringen: Hier kommt niemand von außen, der jetzt alles anders machen will. Hier kommt jemand, der gemeinsam neue (beziehungsweise alte) Potenziale ausschöpfen will.
Boie gab vor der Belegschaft den Teamplayer, inszenierte sich als der nahbare, der die Redaktion nicht nur führen, sondern auch von ihr lernen will.
Das ist das, was er anders machen will.
Dass der neue Chefredakteur allerdings eine neue Bild machen will, daran darf man zumindest nach seinem ersten Auftritt zweifeln. Mit Boie hat Döpfner einen Nachfolger gefunden, der an der Strategie der vergangenen Monate anknüpft und der sagt:
„Ich glaube, dass Bild mit großer Härte auch die Politik attackieren und angreifen muss, wie das auch in letzter Zeit immer wieder passiert ist.“
Ich habe dir alle wichtigen Aussagen von Boies erstem Auftritt in der Bild-Redaktion zusammengefasst. Dabei wurde er übrigens von Döpfner begleitet. Was der Springer-CEO am Tag nach der Demission von Julian Reichelt zu sagen hatte und an welcher Stelle er die strategische Marschrichtung der vergangenen Wochen gleich abänderte, kannst du als Medieninsider hier nachlesen.
Ein verheerendes Sittenbild
Dass Julian Reichelt Mangels Einsicht und wegen seiner Unbelehrbarkeit aus dem Amt geflogen ist, ist erst einmal eines: bitter nötig. Es ist vor allem aber auch: viel zu spät. Die Causa Reichelt ist längst zur Causa Döpfner geworden.
Das liegt allen voran an der Berichterstattung der New York Times, die ein für den Konzern verheerendes Sittenbild malt – ausgerechnet im Wachstumsmarkt USA, dessen Türen vor allem der dort beheimatete Großinvestor KKR geöffnet hat.
Es steht nun mehr auf dem Spiel als das ramponierte Image einer Boulevardzeitung, die Skandale nicht nur auf der Titelseite produziert. Spätestens jetzt geht es um die internationale Reputation des Konzerns. Döpfners Bewährungs- ist zur Zerreißprobe geworden. Meine Analyse kannst du als Medieninsider hier lesen.
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MEDIENTAGE MÜNCHEN: Am 25. Oktober geht’s los!
Das erwartet euch bei den MEDIENTAGEN vom 25.-29. Oktober: 5 Tage Konferenz, Expo und Abendevents in einer Location, über 400 Speaker in mehr als 100 Sessions sowie Networking-Möglichkeiten vor Ort im Isarforum und online. Mit dabei sind u.a. Natali Amiri (Moderatorin des ARD-Magazins Weltspiegel), Bastian Obermayer (Leiter Investigative Recherche SZ) und Christian Mihr (Geschäftsführer Reporter ohne Grenzen). Tickets gibt es bereits ab 119 Euro.
Wie Sebastian Turner einen neuen Fachverlag aufbaut
Es gibt noch viele andere spannende Themen, die nichts mit Bild oder Axel Springer zu tun haben. Über ein paar davon habe ich vergangene Woche mit Sebastian Turner im Directors‘ Club gesprochen: Es ging um Gründerturm Journalismus und die Transformation von Fachverlagen.
Turner treibt seit seinem Ausscheiden beim Tagesspiegel im vergangenen Jahr seinen eigenen B2B-Verlag voran. Mit Table.Media setzt er auf hochpreisige Newsletter-Briefings zu bestimmten Themen, der bislang erfolgreichste: der China.Table mit Fachinformationen über Politik und Wirtschaft, der auf bislang 5.000 tägliche Bezieher (keine zahlenden Abonnenten) kommt.
Im Interview gibt Turner Einblick in seine Strategie, wir sprechen über weitere Themenfelder seines Verlages und auch darüber, wie er die hochpreisigen Briefings an die Nutzer bringt. Doch unabhängig von allem, sagt er, hänge der Erfolg von einer Sache ab:
„Entweder du hast im ersten Augenblick ein Qualitätsversprechen und hältst es, oder du bist mausetot.“
Einen tieferen Einblick in Turners Table.Media und seinen Vertrieb erhältst du als Junior- und Senior-Abonnent hier.
Die gesamte Folge des Directors‘ Club, in der wir noch tiefer in die Materie eintauchen, aber auch über Lokaljournalismus und Turners Rolle als Start-up-Investor sprechen, kannst du dir als Director-Mitglied ansehen. Du findest sie hier.
2. November: Directors‘ Club mit Janina Mütze
Die Termine für die nächsten beiden Ausgaben stehen auch schon:
► Am 2. November um 15:30 Uhr kommt Janina Mütze in den Directors‘ Club. Sie ist Co-Gründerin des Meinungsforschungsinstituts Civey, das ausschließlich auf Online-Umfragen setzt. Mit ihr werde ich über die Transformation der Demoskopie sprechen – und sicher auch noch einmal auf Umfragen und Prognosen zur Bundestagswahl zurückblicken.
► Und schon am 12. Novemberum 12 Uhr ist Andrea Wasmuth im Medieninsider-Studio. Sie ist seit 2020 in der Geschäftsführung der Handelsblatt Media Group und seit diesem Jahr die Vorsitzende Geschäftsführerin. Mit ihr werde ich über ihre Karriere als Medienmanagerin sprechen und ihren Plan für die Mediengruppe.
Weitere Infos findest du hier.
Mehr News & Entdeckungen aus der Woche
zusammengetragen von Kevin Dusch
Spiegel-Gruppe stößt Harenberg-Verlag ab
Die Spiegel-Gruppe verkauft den seit 2007 zum Unternehmen gehörenden Harenberg-Verlag, der vor allem für das Magazin Buchreportbekannt ist und die Spiegel-Bestsellerlisten erstellt. Mit dieser Aufgabe will der Spiegel Harenberg auch weiterhin beauftragen. Neuer Eigentümer ist der Verleger Timo Busch, der den Verlag „gemeinsam mit Partnern“ übernimmt. Im Zuge der Übernahme verlässt Geschäftsführer Jan Kerbusk den Fachverlag. Die Meldung in eigener Sache von Buchreport findest du hier.
Brutto-Werbemarkt erholt sich
Laut dem Marktforschungsunternehmen Nielsen ist der Werbemarkt wieder auf Wachstumskurs. Im September sind die Brutto-Werbeausgaben demnach um 12,9 Prozent gegenüber Vorjahr gestiegen. Damit lagen in diesem Zeitraum die Ausgaben bei 3,7 Milliarden Euro. Allerdings sind auch die Preise gestiegen: Trotz Ausgabenplus wurden im September 18,5 Prozent weniger Anzeigen geschaltet. Das stärkste Wachstum mit plus 21,3 Prozent verzeichnete der Bereich TV, gefolgt von Außenwerbung mit 19 Prozent. Rückläufig waren die Ausgaben in den Segmenten Kino und Werbesendungen. Eine aktuelle Meldung von Horizont findest du hier.
Reuters legt Risikokapital-Fonds auf
Reuters will einen 100 Millionen US-Dollar schweren Risikokapital-Fonds aufsetzen. Der Medienkonzern zielt damit auf junge Unternehmen aus den Bereichen Steuern, Recht, Buchhaltung und Nachrichtenmedien ab. Reuters‘ Chief Strategy Officer Pat Wilburn wird den Fonds mit dem Namen Thomson Reuters Ventures als geschäftsführender Direktor führen. Die Mitteilung von Reuters findest du hier.
Streit zwischen Google und Corint dauert an
Im Streit um Leistungsschutzrechte zwischen Google und der Corint Media scheint sich keine Schlichtung anzubahnen. Vergangene Woche veröffentlichte die Verwertungsgesellschaft ihre Forderung in Höhe von 420 Millionen Euro für das Jahr 2022 – eine „haltlose Forderung“, wie Google entgegnete. Corint baut die Summe auf einer Berechnungsgrundlage von neun Milliarden Euro auf, die Google Schätzungen zufolge in Deutschland verdient. Finden die Parteien keine Lösung, drohen weitere juristische Auseinandersetzungen. Unterdessen strebt Google individuelle Lösungen mit einzelnen Verlagen an. Die Pressemitteilung von Corint zur aktuellen Forderung findest du hier.
Insider-Wissen: Über den aktuellen Streit zwischen der Verwertungsgesellschaft mit Google und anderen Plattformen habe ich vor einigen Wochen berichtet. Im Artikel erfährst du auch mehr über Vorbehalte einiger Verlagsmanager gegenüber der Verwertungsgesellschaft. Den Artikel findest du hier.
Axios‘ Newsletter-Software fährt die erste Million ein
Axios hat mit mit seinem Software-as-a-service-Angebot Axios HQ eine Million US-Dollar verdient. Bis Ende des Jahres sollen weitere 500.000 US-Dollar hinzukommen. Bei dem Dienst stellt Axios Unternehmen seinen markenrechtlich geschützten redaktionellen Stil „Smart Brevity“ für die interne Kommunikation zur Verfügung. Die Lizenzgebühren beginnen bei 10.000 US-Dollar pro Jahr. Axios HQ hat bis heute rund 150 Kunden. Eine Meldung zum Thema von Digiday findest du hier.
Aus dem Personalticker:
► Alina Bähr ist neue Chefredakteurin bei Bunte.de
► Bild-Chefredaktion: Claus Strunz steigt auf, Alexandra Würzbach degradiert
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Offene Stellen
► Ressortleitung (m/w/d) für die Lokalredaktion in Osterholz-Scharmbeck beim Weser-Kurier
► Community-Redakteur (m/w/d) bei Medieninsider
Aus der Medieninsider-Mediathek
► Arist von Harpe über seine Motive für den Kauf der Hamburger Morgenpost, Paid-Content-Pläne und neue Ideen für die Vermarktung. Zum Video und zur Zusammenfassung.
► Katrin Gottschalk, Produktchefin und Vize-Chefredakteurin der taz, über Transformation und eine papierlose Zukunft. Zum Video und zur Zusammenfassung.
► Holger Stark, Investigativchef und stv. Chefredakteur der Zeit, über Pressefreiheit und investigativen Journalismus. Zum Video.
Lesetipp
Journalisten trinken gerne, so lautet eines der weit verbreiteten Vorurteile. Sie trinken gerne, weil sie viel in Gesellschaft sind, oder viel mit sich selbst, weil sie gestresst sind oder traumatisiert.
Der Schweizer Journalist Hannes von Wyl hat am eigenen Leib erfahren, wie alkoholische Stressbewältigung bei ihm persönlich, aber auch in der ganzen Journalistenbranche, zu einem gefährlichen Normalzustand geworden ist. Seinen Erfahrungbericht – vom Aufstieg bis zum Absturz – hat er für das Medienmagazin Edito öffentlich gemacht. Im Gespräch mit Business Insider spricht er darüber, welche Mechanismen in der Medienbranche seinen Alkoholkonsum befördert haben:
► Fehlende berufliche Sicherheit: Trotz großen Erfolges inklusive Auszeichnungen sind befristete Arbeitsverträge im Journalismus der Standard. Die Unsicherheit baut Druck auf.
► Zu viel Verantwortung: Schon in jungen Jahren und mit wenig Erfahrung kommen Journalisten oftmals in Verantwortungspositionen. Die damit verbundenen Erwartungen zehren am Selbstvertrauen.
► Alkohol als Konsens: Nicht nur, aber vor allem in der Medienbranche gehören Feierabend-Drinks zum Alltag. Oftmals fehlt die Wahrnehmung dafür, wann es zu regelmäßig wird.
► Falsch verstandene Männlichkeit: In der männlich dominierten Branche wird mit Unzulänglichkeiten zu selten offen und gesund umgegangen wird. Aus einem falsch verstandenen Männlichkeitsideal entstehen die falschen Ventile gegen Druck und Versagensängste.
Hannes von Wyl fand schließlich die Einsicht, dass er etwas ändern muss. Wie er zu der Erkenntnis gekommen ist und warum er heute lieber in der zweiten Reihe arbeitet, liest du hier im Text von Business Insider.
Ich wünsche dir noch eine schöne Woche!
Viele Grüße sendet dir
Marvin